Österreich 2021
Weinreise in die Steirische Toskana
Auch Weinreisen
finden in letzter Zeit wohl nur noch unter erschwerten Bedingungen
statt: Bei der letzten Tour im Jahr 2019 gerieten wir mitten in die
katalonischen Unruhen des Unabhängigkeitskampfes,
2020 fiel die Reise wegen Corona dann komplett aus, und diesmal in 2021 macht
Gerhild Burkard von den
Entdecker Weinreisen den Trip
nach Österreich in die Steiermark zwar möglich, aber
selbstverständlich auch nur unter österreichischen Corona-Bedingungen
...
Und das wirft natürlich in der Vorbereitungszeit jede Menge Fragen auf, da sich erfahrungsgemäß Corona-Regeln genauso schnell ändern wie das Wetter!
Wo wird Maskenpflicht bestehen? Im Bus? Beim Winzer? Muss man die
Maske zum Verkosten kurz abnehmen, schnuppern und probieren, sofort
wieder aufsetzen? Zwischenzeitlich gibt es auch die Nachricht, dass Spucken
untersagt ist: Vermutlich gut für uns, denn dann würden wir unter
normalerweise spuckenden Profis
nicht mehr ganz so auffallen, weil wir gute Tropfen einfach gern zu Ende genießen
...
Und was gilt jetzt: Reicht der Abstand "Babyelefant"
noch aus oder braucht es für erhöhte Sicherheit mittlerweile schon
einen Dinosaurier? Wie lauten gerade die aktuellen
Mundnasenverordnungen und Gewinnzahlen für drinnen und draußen: 3G, 2G oder
2G+? FFP2 oder Operationsmaske? Mit oder ohne Ventil? Mit
Ohrenschonriemen oder ohne? Mit extrem leichtem
Atemwiderstand, Nanofaser-Filter und ergonomischem Design? Gibt´s
eigentlich noch die hübschen Visiere, die im
Vorjahr so gefielen? Und das Ganze wo, wann und warum?
(Anm. der Red.: "Babyelefant" war übrigens 2020 in Österreich
das "Wort
des Jahres"!
)
Und falls getestet werden muss, heißt es beim Frühstück dann: Wie hätten
Sie's denn heut´ gern: Nasenstirln, Gurgeln oder Lutschen?
Wird
auch das Impfzertifikat in der Corona-App in Österreich anerkannt?
Sonstige Fragen über Fragen!?
Ursprünglich war für das inzwischen schon übliche "private Vorprogramm" des Explorer Teams geplant, einige Tage in Maribor zuzubringen bis zum Beginn der eigentlichen Weinreise, aber kurz vor dem Start wird das wieder mal angepeilte Slowenien als Hochrisikogebiet eingestuft und die Staulängen an der slowenischen Grenze wachsen von Tag zu Tag.
Also wird umdisponiert nach Österreich und wir buchen dort ein Appartement in Graz, ganz in der Nähe vom zentral gelegenen Griesplatz, vor dem schließlich nur Grazer Angst haben. Wenn man furchtlos und zügig geht, ist man schnell von hier aus in wenigen Minuten in der Altstadt und kann mit den Buslinien auch Sehenswürdigkeiten am Rande der Stadt schnell erreichen.
Graz wird geteilt vom Fluss Mur, der von Nord nach Süd fließt, 16 Brücken verbinden die Stadthälften. Beherrscht wird das Stadtbild vom Schlossberg mit dem markanten Uhrturm, dem bekanntesten Wahrzeichen der Stadt.
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Graz ist die zweitgrößte Stadt Österreichs, Hauptstadt der Steiermark und seit dem 16. Jhdt. auch Universitätsstadt. Schon zur Römerzeit wurde hier viel Ackerbau betrieben und im 6. Jhdt. entstand eine Burg, die man slowenisch als gradec bezeichnet. Davon leitet sich der heutige Name der Stadt ab.
Nach einem kurzen ersten Rundgang durch die Stadt ist unser Abendziel
Die Herzl, ein Traditionsweinhaus
mit vorzüglicher steierischer Küche. Unser Impfnachweis wird am Eingang
genau geprüft, bevor wir im proppenvollen Lokal zu unserem Tisch geleitet
werden - zum Glück etwas abseits in einer Nische. Nach der Kontrolle
des Impf- bzw. Testzertifikats kann man die Maske abnehmen und sich
frei im Lokal bewegen ...
Es ist "Sturmzeit", was nichts mit dem Wetter zu tun hat, sondern mit dem stürmisch gärenden Most, der in Deutschland Federweißer genannt wird.
Und hier gibt es eine regionale Spezialität: Schilchersturm, der aus der roten Rebsorte Blauer Wildbacher gekeltert wird. Mittlerweile wird die Pressung aus Blauem Wildbacher überwiegend als Sturm getrunken, nur noch aus einem geringen Teil wird der Schilcher produziert, der typische Wein aus der Weststeiermark. Schilchersturm ist weniger süß als der übliche Federweiße und hat ein sehr eigenes Aroma, das man stets wiedererkennen wird.
Beim Essen sollte man unbedingt etwas mit warmem "Erdäpfelsalat", verfeinert mit dem nussigen Kerndlöl (Kürbiskernöl) auswählen, dem "Gold der Steiermark", das wir später noch näher kennenlernen werden ...
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Auf dem Rückweg durch die nächtliche Altstadt merkt man nur noch wenig von
Corona: Die Lokale sind voll, durch die Straßen ziehen feierfreudige
Menschengruppen, nur die "Türsteher" vor den Lokalen und die
Tafeln mit den Registrierungscodes sind neu. Das mit den Registrierungscodes
ist so eine Sache: Beim Betreten des Lokals scannt man den Code und
gibt noch seinen Namen mit Kontaktdaten ein, beim Verlassen des Lokals
soll man sich dann wieder "auschecken" - ein Aufwand, den
sich allerdings die meisten Besucher
ersparen. So werden sicher viele Gäste noch heute im
Lokal eingecheckt sein, aber wir vermuten, am nächsten Tag wird
man automatisch rausgeworfen ...
Auch zu Hause scheint man es sich gut gehen zu lassen: Überall rasen Essenslieferanten auf Fahrrädern durch die Altstadt, oder man sieht sie vor Restaurants auf neue Lieferungen warten. Aber nicht nur die Lieferanten rasen auf ihren Drahteseln hier herum - generell tut man als Fußgänger gut daran, Ausschau zu halten nach den zahlreichen wilden Radfahrern: Dass es sich hier offensichtlich um ein Problem handelt, erkennt man daran, dass es für Radfahrer Geschwindigkeitsanzeigen in der Fußgängerzone gibt, die aber nicht wirklich ernst genommen zu werden scheinen.
Am nächsten Tag geht es zum Schlossberg, einem sehr imposanten Felsen in Graz. Mehrere Möglichkeiten bieten sich dem Besucher, dort hinauf zu gelangen:
- Einige Spazierwege führen nach oben, was aber eher langweilig erscheint - zumindest für uns. Ganz anders für den Formel-1-Piloten Max Verstappen, der 2019 in 38 Sekunden allerdings nicht als Fußgänger, sondern in seinem Boliden von der Stadt bis zu den Kasematten hochraste.
- Die Treppe - Kriegssteig genannt.
In steilem Zickzack führt sie 70 Meter und 260 Stufen hoch auf den Berg. Errichtet wurde sie im Ersten Weltkrieg und bietet kleine Aussichtsplattformen, Bänke zum Rasten und auch Abstecher zu Mini-Gartenanlagen. Die Friedensbewegung drängte darauf, den Steig in "Friedenssteig" umzubenennen. Die KPÖ (Kommunistische Partei Österreich) hat dazu einst einen Antrag eingereicht, der aber vom Grazer Stadtrat abgelehnt wurde. Auch eine Petition für die Umbenennung zum 08. Mai 2020 anlässlich "75 Jahre Frieden in Österreich" scheiterte. Nun, in 2021 hat die KPÖ die Mehrheit im Stadtrat erlangt und stellt derzeit die erste kommunistische Bürgermeisterin Österreichs. Vermutlich wird die ersehnte Umbenennung jetzt früher oder später in die Tat umgesetzt ... - Der Fahrstuhl - Schlossberglift genannt.
Der gläserne Lift wurde im Jahr 2000 erbaut, wobei man vorhandene alte Stollen im Berg nutzen konnte. - Die Bergbahn - Schlossbergbahn genannt.
Im Jahr 1894 wurde diese Standseilbahn errichtet, die teilweise mit einer schwindelerregenden Steigung von 60% hinauf gleitet. Während der Fahrt hat man einen wunderbaren Panoramablick über die Stadt und das Umland. Direkt neben dem Gleis der Seilbahn hängt im Felsen übrigens auch das Formel -1- Fahrzeug, mit dem Max Verstappen den Schlossberg in Rekordzeit "bezwungen" hat ...
Und für "abwärts gibt" es zusätzlich noch eine Spezialität, nämlich die größte Indoor-Rutsche der Welt, mit der man seit 2019 insgesamt 64 Meter in die Tiefe rutschen kann.
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Wir entscheiden uns für die Schlossbergbahn hinauf und für die Treppe hinunter. Natürlich besteht in der Bahn Maskenpflicht, aber hat man Glück - so wie wir - und kann in der ersten Reihe sitzen, wird man vom Ausblick auf die Stadt entlohnt.
Oben auf dem Schlossberg angekommen wird allerlei geboten: Zunächst der berühmte Uhrturm. Wer genau hinschaut, wird merken,
dass irgendwas merkwürdig ist: Denn hier ist der Stundenzeiger länger
als der Minutenzeiger. Das hat seinen Grund darin, dass der Uhrturm
ursprünglich nur einen Stundenzeiger besaß und der Minutenzeiger erst
viel später nachgerüstet wurde. Man wollte aber dabei wohl die
historische Bedeutung des Stundenzeigers
nicht mindern. Die Ursprünge des Uhrturms liegen im 13. Jhdt.,
aber erst im 16. Jhdt. wurde eine Uhr eingebaut. Auf allen vier Seiten
kann man die Uhrzeit ablesen und mit den gut fünf Metern Durchmesser ist die
Uhr noch von weitem im Tal ablesbar. Der umlaufende Holzbalkon diente
als Aussicht für die Feuerwacht. Als einst im Jahr 1809 Napoleon Graz belagerte,
konnten die Bürger den Uhrturm und auch den Glockenturm mit seiner riesigen
Glocke "Liesl" freikaufen und das Bauwerk so vor der Zerstörung durch
die französischen Truppen bewahren ...
Weniger Glück hatten da die Kasematten aus dem 16. Jhdt., die von Napoleons Truppen geschliffen wurden. Seit 1937 werden die Ruinen als Bühne genutzt und immer wieder mal umgebaut, zuletzt in 2009. Eine mobile Überdachung gewährleistet Wetterunabhängigkeit und man kann sich gut vorstellen, in den kleinen Logen sitzend die Aufführungen zu genießen.
Unweit der Kasematten steht ein großer bronzener Löwe, der "Hackher Löwe". Er erinnert an den Major Franz Xaver Hackher zu Hart, der den Schlossberg mit knapp 1.000 Mann gegen das napoleonische Heer mit 3.000 Mann in 1809 erfolgreich verteidigte. Erst beim späteren Friedensvertrag zwangen die Franzosen die Steirer zur Übergabe des Schlossbergs für die Zerstörung. Hundert Jahre später wurde zu Ehren des tapferen Majors der Löwe aufgestellt und im Zweiten Weltkrieg für die Rüstungsindustrie leider wieder eingeschmolzen. Erst 1965 wurde schließlich eine Replik gegossen und wieder installiert ...
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Wenige Meter abseits des Löwen stößt man auf den hübschen, schmiedeeisern verzierten Rand der Zisterne: Er wirkt wie ein kleiner verspielter Brunnen, aber darunter befindet sich ein Wasserreservoir, das im 16. Jhdt. mit einem Fassungsvermögen von 900.000 Litern gebaut wurde. Auch heute noch dient es der Stadt als Löschwasser-Reserve. Neben den Wegen erkennt man viele kleine Kanäle, die das Regenwasser sammeln und weiterleiten.
Schon unten von der Stadt aus sieht man die 20 Meter hohe Stützmauer der Stallbastei, deren Anfänge ebenfalls bis ins 16. Jhdt. zurück reichen.
Unterhalb befindet sich das
Winzerhaus Starcke, denn im 19. Jhdt.
wurde hier Wein angebaut. Heute lockt dort ein nettes Café, wo man sein
Achtele Wein und vielleicht auch sein Zweites mit einem herrlichen Rundblick genießen kann
...
Ja, einen Rundblick hat man hier in jede Richtung: Sei es nach Westen auf die Altstadt mit Kirchen, Hochhäusern und dem imposanten Kunsthaus, das wie aus einer anderen Welt wirkt. Auffallend auch das futuristische Haus der Architektin Zaha Hadid, die uns schon 2014 im spanischen Rioja bei Besichtigung der Bodega von Tondondia auffiel. Der 2017 erbaute Science-Tower fällt ebenfalls von hier oben ins Auge: Das smarte Hochhaus produziert seine gesamte benötigte Energie selbst aus Sonne und Wind. Auf dem Dach befinden sich Windturbinen. Die Fensterscheiben sind sogenannte "Grätzel-Zellen", die selbst bei schlechtem Wetter Licht in Strom umwandeln können. Ein umlaufender Sonnenschutz mit Solartechnik, der in 24 Stunden eine Umrundung schafft, fängt die Sonnenstrahlen optimal ein. Zur Zeit ist es das einzige Hochhaus seiner Art in der Welt.
Blickt man nach Osten, identifiziert der
aufmerksame Leser des Explorer Magazins den dort sichtbaren Turm im
Wald sofort als Wetterradar
- was sonst?
Doch irgendwann muss man selbst trotz solcher Ausblicke wieder hinunter in die Stadt: Schritt für
Schritt geht es die Stufen des Kriegssteigs hinab, wo einem zwar keine rasenden
Radfahrer entgegen kommen, aber dafür sind hier rasende Bergauf-Jogger keine Seltenheit
und müssen entsprechend beachtet werden ...
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Heute Abend gibt es als Kontrastprogramm zur gestrigen Weinstube
das Brauereihaus Gösser (Warnung
der Red.: Zu dieser alkoholhaltigen Webseite wird man nur
durchgelassen, wenn man mindestens 16 Jahre alt ist!
). Hier werden die Impfzertifikate
sehr genau kontrolliert
und der Kellner fragt urplötzlich auch nach einem Geburtsdatum zur Kontrolle.
Natürlich wird nur der Herr gefragt, vermutlich weil der natürlich
Jahrzehnte jünger aussieht als es sein Geburtsdatum behauptet - so
alt kann der doch wohl wirklich nicht sein, oder?
).
Damen nach so etwas zu fragen, verbietet allerdings offenbar die Höflichkeit, hier werden eben noch Umgangsformen beachtet!
In diesem Brauhaus hat der bekannte Fernsehkoch Johann Lafer einst seine Lehre absolviert, weshalb sein Bild eine Wand ziert: Schwer vorstellbar allerdings, denn wer hier einen Schnitzelteller bestellt, dem werden zwei riesige panierte Schnitzel serviert, die vermutlich kein "normaler" Mensch aufessen kann oder will. Um uns herum verteilt der Kellner auf Nachfrage deshalb auch Alufolie, damit man die Überbleibsel oder gleich das zweite Schnitzel mitnehmen kann und er berät, wie man die Reste am nächsten Tag als Schnitzelbrot gut verwerten kann.
Zwar sind die Schnitzel schmackhaft, aber
irgendwie entsteht schon der Eindruck gewisser Verschwendung bei
derart riesigen Fleischportionen ... Einen weiteren Besuch bei
unserem Aufenthalt hier wird es wohl eher nicht geben ...
Und wie ging es weiter ..?
Zunächst einmal noch in Graz ...
... und dann natürlich mit der Weinreise!
© 2022 Sixta Zerlauth