Rundgang durch die Altstadt ...
Heute ist eine genauere Besichtigung der Altstadt geplant: Mitten durch die Stadt fließt die Mur, die nicht wie ein träger Fluss wirkt, sondern mit ihren kleinen Schwällen sehr natürlich ausschaut. Zahlreiche Brücken verbinden die beiden Ufer, die mit schönen Bäumen umsäumt sind. Direkt am Ufer kann man im Schatten entlang der Mur flanieren, dabei den Anglern und Paddlern zuschauen.
Anlässlich des Kulturhauptstadtjahres in 2003 wurden am Ufer der Mur zwei eindrucksvolle Gebäudekonstruktionen errichtet.
Zum einen die Murinsel, die Architektur, Kunst und Wasser verbinden soll. Muschelförmig, 50 Meter lang und 20 Meter breit wurde die künstliche Insel in die Mur hinein gebaut, verbunden mit zwei Stegen zu jeder Seite der Ufer. Beide Stege sind beheizbar, damit man auch im Winter sicher auf die Insel gelangen kann. Ein wenig erinnert die Konstruktion auch an ein Gelenk. Entworfen wurde sie von Vito Acconci, einem New Yorker Künstler und Designer.
Der Verbleib soll nach heutigem Stand nur befristet sein: Zwar wurde die Genehmigung mittlerweile bis 2023 verlängert, aber was danach passiert, ist derzeit ungewiss: Vielleicht retten ja die hohen Abbruchskosten die Insel. Jedem Hochwasser trotzt das Stahlskelett bisher und hält es auch aus, wenn es von riesigen Bäumen gerammt wird. Die Murinsel beherbergt ein Café und eine Freilichtbühne. Heute ist aber Ruhetag, trotzdem läuft der Werbebildschirm und passend zu unserer Weinreise in den nächsten Tagen wird steirischer Wein angeboten.
Das andere eindrucksvolle architektonische Gebilde am Ufer der Mur ist das Grazer Kunsthaus, konzipiert von den Architekten Peter Cook und Colin Fournier. Der "Friendly Alien", wie es die Architekten bezeichneten, beherbergt moderne Kunst. Aus über 1.000 glänzenden dunklen Acrylglasplatten wurde die runde Form gestaltet. Die "Warzen" im Dach fungieren als Lichtschächte. Obwohl das Kunsthaus dunkelgrau ist, kann es bei gutem Wetter seine Farbe in einen Blauton ändern, wenn der Himmel sich darin spiegelt. Nachts kann die Fassade unterschiedlich leuchten, denn es handelt sich um eine BIX-Medienfassade.
Auf der einen Seite wirkt das UFO geradezu angedockt an das Eiserne Haus, einem Warenhaus aus dem 19. Jhdt., das als damals innovatives Gusseisenskelett mit großen Glasfenstern errichtet wurde. Es konnte beim Bau des Kunsthauses nicht abgerissen werden, da es unter Denkmalschutz steht. Daraufhin wurde es integriert und ist innerlich mit dem Kunsthaus verbunden.
Seit diesem Sommer gibt es vor dem Eisernen Haus auch einen regenbogenfarbenen Zebrastreifen als Zeichen der Toleranz. Viele deutsche Städte, die das auch gerne hätten, können da nur neidisch hinblicken, denn in Deutschland lehnen Verkehrsexperten mit Verweis auf die Straßenverkehrsordnung und die bedrohte Verkehrssicherheit bunte Zebrastreifen ab ...
Neben all der Moderne befinden sich im Altstadtkern auch zahlreiche historische Gebäude, nicht umsonst ist die Altstadt seit 1999 UNESCO Weltkulturerbe.
Am bronzenen Taubenbrunnen aus den 1940er Jahren befindet sich das älteste Haus von Graz: Der Reinerhof, das bereits aus dem 12. Jhdt. bekannt ist. Von dort kann man zum Hauptplatz durch die Sackstraße gehen, der ältesten Straße der Stadt.
Hier kommt man am Palais Herberstein vorbei mit seinen zwei Innenhöfen, in dem sich das Museum für Geschichte befindet. Gegenüber, ein kurzes Stück weiter, befindet sich das Kaufhaus Kastner & Öhler, das aus dem 19. Jhdt. stammt. Der Bau mit der großen Halle wurde kurz vor dem Ersten Weltkrieg errichtet. Das Kaufhaus ist ein Tipp unserer Appartement-Vermieter, denn es verfügt über eine Cafeteria mit Dachterrasse und schönem Ausblick auf Graz. Als wir das Kaufhaus betreten, sind wir verwirrt: Kaum jemand trägt eine Maske. Oben in der Cafeteria angelangt, fragen wir die Kellnerin. Die Erklärung: Da das Kaufhaus keine Lebensmittel verkauft, entfällt die Maskenpflicht für Geimpfte, Genesene und Getestete. Es werden aber Stichproben gemacht und es kann bis zu 2.000 Euro kosten, wenn man hier unberechtigter Weise ohne Maske unterwegs ist ...
Munteres Treiben herrscht auf der Dachterrasse, rings um uns werden Schampus und Weißwein serviert, hübsche Salatbowls und kleine Gerichte. Wir entscheiden uns unter anderem für Kaffee und eine Schaumrolle bzw. für ein Achtele Blaufränkischen. Das erweist sich als Fehler! Die Schaumrolle hat die Konsistenz und das Aroma eines Pappdeckels, das kann die frisch reingespritzte Sahne nicht überdecken. Der Rotwein hat ein deutlich korkiges Aroma: Wir reklamieren den Wein. Der Kellner kommt zurück und meint, das korkige Aroma könnte nicht sein, denn der Rotwein hätte einen Drehverschluss und seine Chefin würde sich auskennen, sie wäre ja schließlich "Barista"!
Nun, uns ist neu, dass Kaffeeköchinnen - heute Barista genannt - über besonderes Weinfachwissen verfügen. In der Diskussion gibt der Kellner dann aber zu, dass ihm wiederum neu ist, dass korkiges Aroma entstehen kann, wenn Wein lange einfach offen rumsteht oder Kork als Fehlnote im Wein auch ohne Korken entstehen kann. Es wird ein anderes Glas Wein serviert - aber leider ist auch der nicht trinkbar, es scheint vielmehr genau der gleiche wie vorher zu sein. Schampus und Salat wären wohl tatsächlich die bessere Wahl gewesen ...
Auch die Damentoilette überrascht: Drei Spülkästen ohne Toilettenbecken stehen im Vorraum zusammen mit einem Hinweis, wo sich weitere Toiletten befinden - zum Glück verfügen die über Klobecken und sogar Kabinen. Dass die Anrede in der Damentoilette "Liebe Kundinnen und Kunden" lautet, zeigt, auch hier wird bereits sehr zukunftsorientiert gegendert ...
Es geht weiter zum Hauptplatz (er heißt wirklich so), der vom großen Rathaus aus dem 19. Jhdt. beherrscht wird. Es wurde immer wieder erweitert und umgestaltet. Rings um den Platz stehen Häuser aus dem Mittelalter, mit Verzierungen aus dem Barock, allen voran die beiden Luegg Häuser und das Gemalte Haus. Man könnte hier den ganzen Tag in den verwinkelten Gassen zubringen und immer wieder etwas Neues entdecken ...
Wer keine Lust mehr hat zu laufen, kann in der Innenstadt kostenlos mit den bunten Trambahnen fahren - das nennt sich Altstadt BIM. Die Staffelung ist dicht, an manchen Haltestellen hat man geradezu den Eindruck, es kommt zum Straßenbahnstau.
Am Abend ist unser Ziel der Der Steirer, ein gemütliches Lokal, das neben traditioneller lokaler Küche auch steirische Tapas anbietet, kleine Leckerbissen zu den Weinen. Zum Glück haben wir reserviert, denn das Lokal ist fast immer ausgebucht. Neben markigen Sprüchen und vorzüglichen Speisen findet sich hier ein umfassendes Weinangebot, und da zahlreiche Weine offen ausgeschenkt werden, kann man sich auf die Weinreise schon gut vorbereiten und dabei allerlei verkosten ...
Am nächsten Tag geht es in den Süden der Stadt zum "Österreichischen Skulpturenpark" am Schwarzlsee, für den man sich einen ganzen Tag Zeit nehmen sollte. Mit dem Bus fahren wir nahe unseres Appartements los und kommen nach ca. 30 Minuten am Ziel an.
Die Rückfahrt ist nicht ganz so problemlos. Als wir auf den Bus warten, sehen wir, dass nicht jeder Busfahrer gewillt ist, die etwas abgelegene Haltestelle anzufahren: Man kann sich zwar direkt bei den Verkehrsbetrieben beschweren - das Handy macht es möglich, aber außer einem Bedauern und der Anmerkung, man würde die Angelegenheit klären, bekommt man nichts zu hören. Ein Taxi wird einem allerdings nicht geschickt ...
Aber das mindert nicht die Begeisterung am Parkbesuch und wie unser Fotobeitrag dazu zeigt, empfiehlt es sich mit leeren Speicherkarten und vollen Akkus in den Kameras anzureisen. Ein würdiger Abschluss für unser Vorprogramm, nun sind wir bereit für die Weinreise ..!
© 2022 Sixta Zerlauth