Unwetteralarm  Unwetteralarm ...

Wenn der Himmel rotiert ...


Nachrichten von NINA ...Im Juni 2021 werden wir im Süden der Republik von Unwettern gebeutelt: Jeden Tag piepst die Katastrophen-App des Bundes NINA auf dem Handy mit Warnungen vor "Markantem Wetter", "Unwetter" oder "Extremem Unwetter".

Meist steigert sich die Warnstufe über den Tag hinweg und damit auch die Höhe der Schäden. Rosen ohne Blüten, zermuste Tomatenpflanzen, Wasser im Keller, abrasierte Maisfelder ringsherum und als Höhepunkt: Ein zertrümmertes Pergola-Dach und Dachrinnen, die durch das ganze herumfliegende Laub und Geäst verstopfen. Immerhin nicht so übel, wie z.B. die beschädigten Dachziegel auf den alten Bauernhäusern in den benachbarten Dörfern ...

Und das alles natürlich überhaupt nicht so schlimm, wie die Katastrophe, die wenige Tage später Nordrhein-Westfalen,  Rheinland-Pfalz und Südost-Bayern treffen wird ...

Die aktuelle Wetterlage - eine sogenannte Trogwetterlage - mit dem schwächelnden Jetstream fordert Beobachtung: Man ist den ganzen Tag beschäftigt mit Lesen der Nachrichten von NINA, Abrufen der Prognosen der diversen Internet-Wetterdienste, Blicke auf die Webseite der Unwetterzentrale (im Jahr 2003 von Kachelmanns  Meteogroup GmbH in Betrieb gesetzt) und neuerdings mit dem Verfolgen der Wetterentwicklung auf Meteopool. Diese Organisation wurde 2004 gegründet und versteht sich als Stormchaser Community, die auf ihrer Webseite u.a. live Wettermeldungen bzw. Informationen von den Wetterradars veröffentlicht. Die Seite ist spenden- und werbefinanziert.

Doch wo kommen all die Daten her? Was bedeuten die Farben innerhalb der Wetterfronten, die über die Karte ziehen? Und was hat es mit den Mesozyklonen auf sich, die bei Meteopool eingeblendet werden?

Viele Fragen, mit denen man sich in den Pausen zwischen den Unwettern beschäftigen kann!

Doch beginnen wir bei den Ursprüngen: Früher kündigten sich Unwetter an, wenn Opa über ein Ziehen im Bein jammerte, Oma das plötzliche Stocken der Milch beklagte, die Katze sich verkroch oder die Fliegen auf dem Plumpsklo besonders aggressiv wirkten ...

Heutzutage bedient man sich der Wetterradare: Im Jahr 1941 wurde in den USA das Echo von Regenwolken entdeckt, was aber als störend eingestuft wurde, denn im Zweiten Weltkrieg wollte man das Radar militärtechnisch zum Aufspüren von Flugzeugen und Schiffen einsetzen. Mit sehr geringer Priorität wurde zum Radareinsatz in der Meteorologie weiter geforscht. Da Radar zu den Geheimprojekten der Alliierten gehörte, wurden Forschungsergebnisse auch erst nach Kriegsende veröffentlicht und ermöglichten erst dann einen weltweiten Einsatz.

Bei den klassischen rotierenden Regenradaranlagen werden gebündelte elektromagnetische Wellen gegen den Himmel ausgestrahlt. Ihr Verlauf ist geradlinig und mit konstanter Geschwindigkeit (Lichtgeschwindigkeit). Treffen die Wellen auf die kondensierten Wassertropfen in den Wolken, werden sie reflektiert und kehren mit geringerer Intensität - gedämpft - zurück. Aus der geringeren Intensität und der Dauer bis zur Rückkehr kann man Rückschlüsse ziehen auf Richtung, Entfernung und Größe der Wassertröpfchen, die auch als "Hydrometeore" bezeichnet werden.

Schematische Funktionsweise eines Wetterradars ...

In den 1950er Jahren begann der intensivere Einsatz von Radar in der Meteorologie: Man begann die Dopplereffekte auszuwerten. Diese Effekte entstehen durch die Bewegung der Wolken und der Wassertröpfen in den Wolken. Dabei wird die reflektierte Frequenzverschiebung gemessen. Bei einer Bewegung zum Wetterradar hin erhöht sich die Frequenz, bei einer Bewegung vom Wetterradar weg wird sie niedriger. Daraus lassen sich dann Strömungen in den Wolken berechnen, wie wir sie u.a. typischerweise in Gewitterwolken vorfinden.

Waagerecht und senkrecht polarisierte Wellen ...Man hat dann angefangen, mit der Polarisation der Wellen zu arbeiten: Dabei werden die Wellen im Wechsel senkrecht und waagerecht ausgestrahlt sowie die Echos empfangen. Dadurch wurde es möglich, die Art der Hydrometeore genauer zu unterscheiden: Regen, Hagel, Graupel und Schnee.

In der weiteren Entwicklung wurden mit unterschiedlichen Ausgangsfrequenzen neben dem Niederschlagsradar auch Wolkenradare und Windradare entwickelt.

Wetterradare wurden in den 1980er Jahren systematisch ausgebaut und die Forschung in der Meteorologie erhielt einen gigantischen Schub, denn durch die Muster in den Radarbildern stellten sich zunächst zahlreiche Fragen, aber es wurden auch Erklärungen gefunden für Wetterphänomene.

In Deutschland befinden sich 17 Wetterradarstationen mit einer Reichweite von jeweils 150 km sowie eine zusätzliche Station am Hohenpeißenberg für die Qualitätssicherung und den Test neuer Verfahren.

Die Wetterradarstationen zeichnen die Daten auf und übermitteln diese nach Offenbach zur Zentrale des Deutschen Wetterdiensts (DWD). Dort werden die Daten alle 5 Minuten konsolidiert und zu einem gesamtdeutschen Radarbild  zusammengefügt, das der DWD als "Komposit" bezeichnet.

Die Radarbilder entstehen aus 10 Radarumläufen (Sweeps), wobei der Höhenwinkel pro Umlauf variiert. Man beginnt mit 0,5° und endet bei 25°.

Die Intensität der Echosignale - angegeben in dBZ - wird bei der Bilderstellung farblich codiert, so dass man anhand der Farbe erkennen kann, wie intensiv die Hydrometeore in den Wolken sind, woraus sich wiederum Art und Menge des möglichen Niederschlags ableiten lässt.

Leider wird die Farbcodierung von den Radarbildanbietern unterschiedlich definiert. Wer also ein Radarbild verstehen will, muss erst in Erfahrung bringen, welche Farbcodierung benutzt wird. Als Beispiel hier ein Radarbild vom DWD und die gleiche Situation bei Kachelmannwetter.

Radarbild beim DWD Radarbild bei Kachelmannwetter
DWD Farbcodierung ... Kachelmann Farbcodierung

Unweit der Redaktion steht das Wetterradar Isen auf einem Hügel im Wald - was gibt es da besseres als eine Exkursion dorthin? Immer wieder fällt allerdings genau dieses Wetterradar in unseren Fritzbox-Protokollen auf mit Sperrmeldungen für einzelne Kanäle des WLANs im Bereich 5.6 GHz, da das Wetterradar bevorrechtigt ist ....

Der beeindruckende Turm ist schon von weitem zu sehen und der Zugang ist durch einen Zaun geschützt. 45 Meter hoch erstreckt sich die Radarstation mit der weiß ummantelten Antenne auf dem Dach. Sie hat den Betrieb im Jahr 2013 aufgenommen und rund 2,8 Mio. Euro gekostet.

Im Fuß des Turms befindet sich der Technikraum u.a. für die Stromversorgung, und mit einem Fahrstuhl oder über 255 Treppenstufen kann man nach oben in den Betriebsraum mit den Computern unterhalb der Radarantenne gelangen - wenn man dazu die Berechtigung hat.  

Die Radarantenne strahlt mit hoher Intensität - allerdings gegen den Himmel und nicht zum Boden. Aufgrund der starken elektromagnetischen Emission müssen Wetterradare von der Bundesnetzagentur genehmigt werden und sind dort in der EMF-Datenbank aufgeführt (EMF = elektromagnetische Felder).

Da Wetterradare "freie" Sicht benötigen, dürfen in einem Umkreis von 15 km keine hohen Windkraftanlagen oder andere hohe Gebäude errichtet werden. Sollte jemand in einem Umkreis von ca. 300 Metern in einer Höhe von 45 Metern oder mehr arbeiten müssen (z.B. in einem Kran oder Helikopter), muss das Radar abgeschaltet werden ...

Das Wetterradar Isen bei der Bundesnetzagentur ...
Eingang zum Wetterradar ... ... beeindruckender Turm im Wald ...

Nach dem kurzen Überblick, wie und wo die Daten entstehen, befassen wir uns nun mit Unwettersituationen und ihrer Auswirkung auf die Radarbilder.


© 2021 Sixta Zerlauth