Weitere Höhepunkte im Sauseschritt
Wir haben noch einige Tage Zeit bis zu meinem Rückflug und müssen auf dem Weg zum Flughafen sowieso noch die ganze Insel queren. Und wir sind beide ausdauernde Fahrer bzw. Reisende, die nicht ständig einen Ruhetag brauchen. Es kommen also noch einige Höhepunkte dazu, deren kurze Aufzählung hier jedoch reichen soll.
Am Staudamm vorbei fahren wir danach die F923 nach Norden, wo wir bei Adalböl den Fluss Hrafnkela über eine sehr weite und tiefe Furt mit erheblicher Strömung queren müssen. Der Wasserstand ist diesmal besonders hoch, teilweise bis 80 cm, und in diesem wilden Zustand wäre die Furt für Fahrzeuge wie meinen Bremach unpassierbar. Für normale Landrover Defender sowieso. Da spielt unser Unimog in einer ganz anderen Liga, er plagt sich nicht einmal. Über die Brücke bei Bru kommen wir auf die F907 und nach Saenautasel, einem idyllischen kleinen Moosbauernhof mit Campingplatz und schönem kleinen Museum, ganz nahe der Ringstraße, wo wir übernachten.
Anschließend bestaunen wir den größten und mächtigsten Wasserfall Europas, den Dettifoss ganz im Norden Islands, über den der von den neuen Lavafeldern verdrängte Fluss Jokulsa a Fjöllum 45 Meter in die Tiefe stürzt. Wenn unter dem Vatnajökull ein Vulkan ausbricht und die Eismassen schmelzen, kann dieser Fluss innerhalb von Stunden unglaublich gewaltig anschwellen und die Felswände am Canyon unterhalb des Dettifosses wegreissen wie Holzhäuschen. Bisher ist so etwas in der Geschichte des Flusses seit der letzten Eiszeit drei- oder viermal passiert, ungefähr alle 2.000 Jahre einmal.
Zwischen Husavik und Akureyri kommen wir auf der F85 am Automuseum in Ystafell vorbei, dessen Besuch jedem Benzinvirusinfizierten wärmstens empfohlen sei. Eine wirklich umfangreiche Sammlung sehr alter und neuerer Fahrzeuge aus isländischer Verkehrstradition ist zu bestaunen, teilweise schön restauriert oder erhalten. Unimog gibt es keinen hier, die waren den Isländern schon immer zu teuer (Martins Korrektur: ein weißer, in Einzelteile zerlegter, sehr alter Unimog sei doch da gewesen ... )
Von Akureyri aus fahren wir die Ringstaße nach Süden, am bekanntesten Grassodenbauernhof Islands, Glaumbaer, vorbei und nutzen die beiden letzten Tage noch für einen Hochlandschlenker über die Arnarvatnsheidi zum Langjökull. Die Heidi ist eine riesige, moos- und flechtenbewachsene Lava- bzw Steinhalde und bei weitem nicht so idyllisch, wie man sich eine Heidi vorstellt. Kaum ein Vogel, nicht einmal Mücken in erkennbarer Anzahl finden wir dort. Interessant wird dieser Abschnitt erst ab den beiden Lavahöhlen Stefanshellir und Surtshellir und durch den kleinen Abstecher zum Gletschersockel des Langjökull.
Dort trifft unser Unimog auf seinen großen Bruder, einen MAN KAT 8x8 mit riesigen Breitreifen, der für Touristenausflüge auf die Eisflächen des Langjökull abgestellt ist. Er hat auch eine Reifendruckregelanlage, aber nicht so elegant von innen durch die Achse wie der Unimog, sondern nachgerüstet von außen mit Luftschläuchen. Aber er fährt ja nicht auf normalen Straßen mit Hindernissen am Rand, die den Schlauch abreißen würden.
Die letzten Pistenkilometer auf der F337 und vor allem die sehr steile Abfahrt aus 700 Metern Höhe in die Ebene des Golden Circle beim Laugavatn sind noch einmal richtig spannend. Danach haben wir uns nur noch einen Punkt vorgenommen, die letzte heiße Quelle vor meinem Abflug, die berühmte Blaue Lagune in der Nähe von Keflavik, dem Flughafen.
Dort wollen wir an meinem letzten Nachmittag ein wenig relaxen und Wellness üben. Doch am riesigen und gut gefüllten Parkplatz kommen uns schon erste Zweifel: In der Eingangshalle und vor allem an den beiden Kassen stehen lange Schlangen von Urlaubern, die alle da noch rein wollen. Ein Blick durch die Trennscheiben zeigt uns, dass die meisten Becken mit dem blaugrünen Heilwasser schon gut gefüllt sind mit Menschen aller Nationalitäten.
Und dann kommt Reisebus nach Reisebus gefüllt mit Gruppen von Pauschaltouristen, die ihre Eintrittskarten schon haben und rasch an den Schlangen vor den Kassen vorbeimarschieren. Die wollen alle da noch rein! Jetzt verstehen wir auch das Schild am Eingang, das um Verständnis wirbt, dass der Erweiterungsbau noch nicht fertig sei. Um Gottes Willen! Da ist ja Schloss Neuschwanstein eine Einöde dagegen ...
Schon klar, dass wir fluchtartig die Halle verlassen. Nicht wegen des Eintrittspreises von 45 EUR pro Person, das wäre die Wunderheilung schon wert, sondern wegen der Menschenmassen, die diesen kleinen Obulus schon entrichtet haben. Wir nutzen die gewonnene Zeit, um noch einmal gut Essen zu gehen, wofür man bei vernünftigem Budget eigentlich nur den Chinesen oder Thailänder empfehlen kann.
Am nächsten Tag in der Früh ziehe ich zwei Kleidungsschichten weniger an, stürze mich in das Getümmel am Flughafen und fliege zurück in die fast unerträgliche Hitze in Süddeutschland ...
Zum Abschluss eine kleine Energiebilanz: Wie auf der Übersichtskarte am Berichtsanfang mit all unseren tracks zu erkennen ist, sind es viel zu viele Kilometer geworden und wir haben eine Menge CO2 erzeugt. Aber zu Hause fährt Martin einen Renaud Twizy mit Elektroantrieb und ich gehe zu Fuß in die Arbeit. Damit dauert es ein ganzes Jahr, bis wir unsere Klimasünden wieder abgetragen haben ...
© 2015 Sepp Reithmeier
Anm. der Red.: Mittlerweile gibt es von unserem Autor Sepp Reithmeier bereits eine ganze Reihe weiterer Artikel in unserem Magazin, sowohl Reiseberichte als auch andere Beiträge:
- Vogelbeobachten: Plädoyer für ein Reisehobby
- Spanien 2008: Birdwatching in der Doñana
- Finnland 2016: "Weiße Flecken" auf der Landkarte ..?
- Türkei-Georgien 2014: Die lange Reise ...
- Sardinien 2012: Viel Landschaft und ein T-Rex
- Beskiden 2012: Erinnerungsprotokoll einer "Kulinarischen Reise"
- Die "Streetcamera": Mal was anderes ...
- Ein Klappbackofen für die Reise: Luxus passt in die kleinste (> 4 Tonnen- ) Hütte ...
- Reiseberichte im Internet: Warum man manchmal gern auch im Explorer Magazin schreibt ...