Spanien  Spanien 2008

Birdwatching in der Doñana


Vorbemerkung: In diesem Reisebericht möchte ich vorwiegend Informationen zu Organisation und Reiseverlauf zusammenfassen und auch einige persönliche Gedanken festhalten. Die Liste der beobachteten Vögel ist für mich drittrangig. Als Einzelreisendem ohne Führer entgeht einem zwangsläufig manche Rarität. Wer z.B. den Spanischen Kaiseradler unbedingt sehen will, kann ihn bei einem spezialisierten Unternehmen wie seinerzeit etwa "Discovering Doñana", regelrecht "buchen" ...


Die Tour war als Vorbereitung für eine Ende Januar geplante Studiosus-Reise in die Doñana geplant und sollte die aktuellen Gegebenheiten und lohnende Ziele für eine größere Reisegruppe erforschen. Wir hatten dazu 4 reine Reisetage geplant und wollten diese Erkundung zu dritt durchführen. Flüge und Mietwagen waren gebucht, die Urlaube organisiert und die innere Einstellung auf Vogeltour programmiert, als die wichtigste Person einen Unfall erlitt und die Unternehmung um ein Jahr verschoben werden musste.

Ich konnte und wollte nicht umdisponieren und habe nach anderen Reisepartnern gesucht. Aber durch weitere Missgeschicke klappte auch dies nicht ...

So kam es, dass ich im relativ uninteressanten Januar alleine fahren musste. Dann würde ich aber wenigstens unabhängig reisen und die Zeit ohne Rücksicht auf andere intensiv zum Erkunden des Terrains nutzen können, stellte ich mir vor.

Lagune in El Rocio mit Hotel TorunoZum Trost wollte ich mir noch ein Zuckerchen leisten und den einfachen Mietwagen umbuchen zu einem Landrover: Leider jedoch vergebens, ausgebucht - nichts gönnt man einem!

Also dann: Flug München - Sevilla mit Air Berlin, den Kleinwagen abgeholt und ab nach Hinojos ins Hostal Pino Doñana, ein Hoteltipp aus einem Reisebericht im Internet.

Das ist ein einfaches, recht preisgünstiges Hotel, es kostete das einzeln belegte Doppelzimmer ohne Frühstück 30 Euro. Mitten im Ort gelegen, dadurch abends etwas laut. Dafür aber echtes Andalusien ohne Touristenaufmachung, die typische Bar direkt um die Ecke, wo ich morgens für 3 Euro das Frühstück und abends für etwa 10 Euro zwei Bier und ein ordentliches Abendessen bekam ...

Gratis dazu reges Barleben mit Fußball im ständig laufenden Fernseher, gelegentlich ein taubstummer Losverkäufer, der von den anderen Besuchern immer ein wenig veralbert wurde, und alles, was halt dazugehört - life pur.

Für mich war das diesmal genau das Richtige, für Doñana-Neulinge oder für eine Gruppe würde ich eher das fast dreimal so teure Hotel Toruno in El Rocio empfehlen.

Erstens weil es für gemütliches Beisammensein, auch mit anderen anwesenden Birdern aller Nationen mehr Ambiente bietet, zweitens und hauptsächlich, weil die Lagune direkt hinter dem Hotel immer noch die allererste Adresse zum Vogelbeobachten ist.

Von zwei früheren Reisen kannte ich die wichtigsten Besucherzentren, also El Rocio und daneben den La Rocina Fluss, Schloss Acebron und die Lagune bei Acebuche und war bereits mit dem Unimogbus von Acebuche und mit dem Schiff von Sanlucar aus ins Kerngebiet des Nationalparks gefahren. Das ist alles sehr schön und insbesondere landschaftlich reizvoll.

Knüppelpfadkreuzung mit Beobachtungshaus in AcebucheAber vom Konzept her sind diese Stellen für Massentourismus angelegt, mit langen, zum Teil sich sogar kreuzenden Knüppelpfaden, vielen Beobachtungshäuschen, Ausstellungen, Museen, Shops, Aufsichtspersonal etc. So sehr auf Massenbedürfnisse eingestellt, dass ich nirgendwo eine topographische Detailkarte von der Gegend kaufen konnte. Haben sie nicht, wird nicht nachgefragt.

Dieses Mal wollte ich eben nicht auf den Spuren der Massen wandeln, sondern das Gebiet eingehender mit dem Auto erkunden.

Dazu sei vermerkt, dass der Nationalpark selbst nur auf den wenigen speziell freigegebenen Pfaden, den Massenpfaden eben, betreten werden darf. Der NP grenzt, etwas vereinfacht gesagt, im Süden an das Meer, im Osten an den großen Fluss Guadalquivir und im Westen an die A483, die Durchgangsstraße durch El Rocio. Lediglich dem Norden und Nordosten des Parks sind frei zugängliche naturnahe Gebiete vorgelagert, die so genannten Northern Marches, wie die englischen Berichterstatter schreiben. Diese Gebiete wollte ich in erster Linie erkunden. Vor Jahren hatte ich mich in diesen ausgedehnten, landwirtschaftlich genutzten und ehemals feuchten Feldern schon einmal hoffnungslos verfahren, nichts Interessantes gefunden und weiß bis heute nicht, wo genau ich damals eigentlich war ...

Unterwegs im Nationalpark ...Deshalb hatte ich mich gut vorbereitet, Reiseberichte im Internet und ältere Feldführer studiert, eine einigermaßen detaillierte elektronische Karte, etwa Maßstab 1:150.000 besorgt und über Gebiete von speziellem Interesse Ausdrucke von Satellitenbildern bei Google-Earth angefertigt. Mit einem GPS-Empfänger und mit Hilfe des Programms OZIExplorer wusste ich nun tatsächlich immer genau, wo ich mich in dem weiträumigen Gebiet gerade befand.

Die für mich wichtigste Internetadresse zeigte eine "Bird list" der Region. Eine sehr informative Übersichtskarte mit der Namensliste der Birding Spots war mein tägliches Brevier. Alle genannten 45 Plätze habe ich natürlich noch nicht besucht, es soll ja auch nicht meine letzte Reise in die Doñana gewesen sein ...

Eine andere hervorragende Webseite war die von dem bekannten Doñanaführer John Butler, der aber inzwischen mit Führungen aufhörte.

Was mir leider keine Vorbereitung und kein Satellit sagen konnte, war der Zustand der zu befahrenden Straßen, und genau das war immer wieder der Knackpunkt. Mein nagelneuer gemieteter Kleinwagen hatte leider nur sehr wenig Bodenfreiheit, dafür aber 105 PS und vielleicht 200 km/h Maximalgeschwindigkeit. Wären wir wie geplant zu dritt in diesem Wagen unterwegs gewesen und mit dieser Beladung noch tiefer in die Federn gesunken - viele Strecken wären schlicht nicht mehr möglich gewesen. Im nächsten Jahr also tatsächlich und unbedingt einen Geländewagen mieten, auch wenn er dreimal so viel kostet - oder auf manche Ziele verzichten.

Chronologie der Reise -  1. Reisetag, Donnerstag, 24.01.08

Wecker auf 6:40 Uhr Ortszeit gestellt und die Zeitverschiebung vergessen. Es ist noch tiefste Nacht in Spanien. Also morgen eine Stunde länger schlafen.

In Schlangenlinien durch die Sandhügel ...Mein erster Weg führt mich natürlich an die Lagune in El Rocio. Kurz nach Sonnenaufgang herrscht eine romantische Stimmung, tiiief einatmen und nur genießen! Aber die Luftfeuchtigkeit erschwert die freie Sicht auf die Wasservögel. Danach das dringende Bedürfnis - endlich ans Meer.

In Matalascanas gibt es einen empfohlenen Dünenweg, den ich noch nicht kenne. Ganz unten am Strand geht er los über - was sonst - Knüppelpfade in Schlangenlinien auf und ab durch die Sandhügel. Interessanter ist es, den Muschelsammlern unten am Wasser zuzuschauen und auf die aus der Kernzone zurückkehrenden Unimogbusse zu warten. Vögel hier fast keine ...

Kurzer Stopp in Acebuche, keine topographische Karte zu kaufen, nur ein Ansichtsexemplar davon an der Wand des Besucherzentrums.

Die Knüppeldämme und Beobachtungshäuschen dort sind nett angelegt, die Lagune ist aber von Vögeln wenig bevölkert. Also zurück nach El Rocio, eine gute Stunde dort an der Brücke über den El Rocina Fluss gesessen und Fernsehen durch das Spektiv ...

Es läuft eine Wasservogelsendung mit vielen Löffelentenpaaren, Spießenten, Bläss-, Teich- und Purpurhühnern, einigen Kolbenenten, Sichlern (den braunen Ibissen), vielen Flamingos weit im Hintergrund, zahlreichen Stelzenläufern, natürlich auch Stockenten und zwei Weißstörchen etc. und darüber immer wieder Rohrweihen.

Ein falkenähnlicher Greif, der plötzlich große Unruhe in das arbeitende Volk im Wasser bringt, wird wohl ein Habicht sein. Einem normalen Turmfalken wäre nicht diese Anerkennung widerfahren.

Fernsehen durch das Spektiv ...Der Kerl ist so schnell wieder weg, dass ich keine genaueren Merkmale erhaschen kann. Jedenfalls ein spannender Film, der da abläuft!

Zum Mittagessen kurz aufgestanden aus dem Beobachtungstuhl und zur Bar nebenan: Dort treffe ich ein englisches Rentnerpaar, das in seinem Wohnmobil in Andalusien überwintert. Jetzt weiß ich, dass man ihren Hymer in Spanien "himer", in Deutschland "hümer" und in England "haimer" ausspricht ...

Für den Nachmittag habe ich mir einen ersten Trip in die Northern Marches vorgenommen. Aber schon mal in El Rocio will ich nur kurz zur Ajoli-Brücke hinter der Stadt, eine Stelle, die ich früher nie beachtet habe. Dort wandere ich "bloß mal schnell" einige hundert Meter die Sandstraße in Richtung Matasgordas hinein - und bin überwältigt von der Ruhe und den vielen Greifvögeln, die über den südlich angrenzenden Waldheideregionen kreisen. Bussarde, beide Milanarten, Turmfalken und eine Rohrweihe sind fast ständig zu sehen, Adler leider keine. Dafür sonnt sich ein Steinkauz auf einem Pfahl, zwei Dohlen untersuchen intensiv einen morschen Baumstumpf und viele Kleinvögel beleben die Szene: überwinternde Feld- und Haubenlerchen, die ich fast überall antreffe, Schwarzkehlchen, viele Laubsänger und andere.

Besonders auffällig sind die uralten Korkeichen, skurrile Gestalten, welche meine Phantasie anregen. Lediglich die Mittagssonne und das kontrastarme Licht stören etwas und ich nehme mir vor, morgen ganz früh die gesamte Strecke abzulaufen.

Dann gegen 15:00 Uhr soll endlich die erste Exkursion in den Norden beginnen mit dem Ziel, das viel gelobte Antonio Valverde Besucherzentrum anzusteuern, die Nr. 5 auf dem oben erwähnten Übersichtsplan. Noch etwas ungeübt mit dem Straßenwirrwar südlich von Villamanrique dauert es seine Zeit und kostet einige kleinere Umwege, bis das erste Hinweisschild auf das Zentrum kommt und ich auf dem wirklich langen Anfahrtsweg bin, vorbei an den drei Birdingspots Nr. 12, 11 und 10.

Blick von der Brücke: Am Caño Guadiamar ...

Diese drei Stellen bieten heute nicht viel, einige Grau- und Seidenreiher wohl, die man hier aber überall sieht. Auch bin ich zu sehr mit der Orientierung beschäftigt, um genau und geduldig Ausschau halten zu können.

Das Zentrum selbst enttäuscht mich wieder: Ein relativ großes Gebäude, offenbar früher eine Finca mit riesiger Eingangshalle, die auf ihrer der Lagune zugewandten Seite voll verglast ist und einen Blick auf die Wassertümpel erlaubt. Heute ist hier aber nichts zu sehen. Außerdem wirkt diese Halle mit den riesigen verdreckten Scheiben wie der Wartesaal eines großen Bahnhofs. Irgendwie stehe ich mit den Besucherzentren auf Kriegsfuß.

Nach Westen führt die Straße vom Besucherzentrum durch den gesperrten NP in Richtung Matasgordas und El Rocio, die Straße, die ich heute Mittag vom anderen Ende her kurz inspiziert habe. Die Brücke über den Altarm Caño Guadiamar, Nr. 9 in der Übersichtskarte, ist für mein Auto aufgrund der Schlaglöcher unüberwindbar, der Flussarm bietet aber eine weite, von Flamingos und anderen Watern und Gründlern gut besetzte Fläche. Auch einen Schwarzstorch kann ich entdecken. Zu Fuß könnte man von hier aus eine schöne Exkursion beginnen.

Nach Osten verläuft diese Straße über mehrere Kilometer am Nordrand des NP bis zum heutigen Verlauf des Guadiamar, von wo aus man nach Norden abbiegend über das schon erwähnte Gewirr der Straßen wieder nach Villamanrique gelangt. Abgesehen von einer Serie tiefer und tiefer werdender Schlaglöcher bietet dieser Weg herrliche Einblicke in den derzeit stark vernässten Nationalpark mit zum Teil großen Flachwasserregionen (Lucio del Lobo, Nr. 6) und vielen interessanten Wasservögeln. Unter anderem sehe ich auch einen Eisvogel wie einen bunten Edelstein vorbeihuschen. Fast am Ende dieser Straße, kurz vor dem Rio Guadiamar, höre ich dann von Weitem schon die lauten Rufe der Kraniche, meiner besonderen Lieblinge. Ein Trupp mit etwa 75 Vögel steht in Grüppchen verteilt in den Sümpfen. Würde man am Guadiamar nach rechts, also nach Süden abbiegen, käme man an Nr. 7, den Lucio del Cangrejo, aber nur zu Fuß oder mit Geländewagen.

2. Reisetag, Freitag, 25.01.08

Der kurze Spaziergang gestern Mittag in die Stille hinein hinter der Ajoli-Brücke in El Rocio hat mir so gefallen, dass ich heute ganz in der Früh diesen Weg noch einmal und bis zum Ende wandern will. Mit voller Ausrüstung, Spektiv, Ferngläsern, Fotoapparat, einer kleinen Brotzeit und Wasser marschiere ich Richtung Osten und habe wieder die noch tief stehende Sonne direkt im Blick. Auch stören deutlich mehr Fahrzeuge, die sich durch den Sandweg plagen, und Reiter, die auf einen Fußgänger immer etwas arrogant wirken, wenn sie von oben herabblicken. Nach etwa 5 Kilometern stehe ich am Tor zum Nationalpark und darf selbst als Wanderer nicht ohne Sondergenehmigung weiter.

Sichler an der Dehesa de Abajo ...

Ob man eine solche Genehmigung für eine Durchfahrt mit dem Privat-PKW im Zentrum Acebuche erhalten kann, will ich bis zur nächsten Reise noch in Erfahrung bringen. Jedenfalls wäre das eine ideale Rundstrecke für einen Geländewagen von El Rocio über Matasgordas zum Besucherzentrum Antonio Valverde. Vorher noch ein Halt für eine Exkursion am Caño Guadiamar, dann weiter an den oben beschriebenen Lucio´s vorbei bis zum jetztigen Verlauf des Rio Guadiamar, wo ich gestern die Kraniche sah.

Als Fußgänger muss ich nun leider wieder zurück nach El Rocio und 5 km Sandweg mit relativ schwerem Rucksack strengt an. Auch die Aufmerksamkeit für Vögel lässt nach und so komme ich gegen Mittag müde und ohne wesentliche Ausbeute an Beobachtungen zu meinem Auto zurück.

Nun mache ich einen Fehler, den ich erst nach der Reise rückblickend verstehen werde: Ich kümmere mich zu wenig um mein leibliches Wohl. In einer Reisegruppe ist das anders. Da gibt es immer einen Schwächeren, der Hunger oder Durst hat und der zu einer Pause in einer gemütlichen Bar zwingt. Das geschieht heute und die nächsten Tage leider nicht, ich stopfe mir nur schnell ein selbst gemachtes trockenes Sandwich rein und trinke zu wenig, weil mir das Wasser dort nicht schmeckt und ich morgens vergessen habe, Tee mitzunehmen. Da ich aber immer wieder einen Apfel esse, merke ich das anfangs nicht. Durch den Flüssigkeitsmangel entwickelt sich langsam eine Bronchitis, die mich nach der Heimreise noch über mehr als eine Woche lang plagen wird.

Heute jedenfalls breche ich ohne Mittagspause auf und will eine kleine Lagune suchen, die ich im Satellitenbild etwas südöstlich von Villamanrique ausgemacht habe. Die Lagune selbst bietet außer zwei Haubentauchern wenig, aber die Gegend und die einsamen Sandstraßen verführen zum Weiterfahren und ich komme durch das wie ein Erholungspark wirkende Valle Verde, der Nr. 13 in der Übersichtskarte, zu einer Brücke über den schmalen Guadiamar und in eine weiter östliche Region. Die kleine Teerstraße führt an alten Eukalyptushainen vorbei über den Loma alta collina, einen 45 Meter hohen Dünenkamm zum Centro visitantes Dehesa de Abajo, der Nr. 17 in meinem Brevier.

Und noch einmal: Dehesa de Abajo ... Storchennest im Baumgipfel ...

Meine anfängliche Skepsis weicht der Begeisterung: Die Lagune dort ist fast größer als die von El Rocio und genau so interessant. Die jeweils größten Gruppen von Sichlern und Sichelschnäblern der ganzen Reise, daneben die bekannten Gründelenten Stock-, Spieß-, Krick- und Löffelenten in z.T. großer Zahl, natürlich Bläss- und Teichhühner, Graureiher, Flamingos etc. etc. Der besondere Reiz dieser Lagune besteht allerdings im landschaftlich beeindruckenden Umfeld, welches vielen Arten von Kleinvögeln ideale Lebensräume bietet und natürlich verschiedene Rabenvögel, z.B. die neugierigen Blauelstern, beherbergt.

In der Brutzeit dürfte es hier geradezu von Vögeln wimmeln. Die Dehesa de Abajo gilt als die größte Weißstorchkolonie weit und breit und die vielen weit verteilten Storchennester sind in natürlicher Weise in die Gipfel der Bäume gebaut. Wenn auch wieder Knüppeldämme für die Besucherlenkung auf den größeren Andrang in der Saison hinweisen, so glaube ich doch, dass wegen der langen Anfahrtswege deutlich weniger Menschen hier verkehren als in den bekannteren Besucherzentren.

Fest steht: Hier bin ich nicht das letzte Mal!

3. Reisetag, Samstag, 26.01.08

Heute schlafe ich länger, nachdem ich gestern relativ früh unterwegs war, gefroren habe und nichts davon hatte. Kalt ist es aber nur früh morgens. Der wolkenlose Himmel und der fehlende Wind sorgen für angenehm warme Mittags- und Nachmittagsstunden, bis über 20°C. Das Frühstück in der Bar ist immer unterhaltsam, wenn auch nonverbal. Der Barmann kennt mich nun schon und manche Gäste nicken vertraut - aah, der schon wieder! Es ist ein Kommen und Gehen, die meisten Spanier trinken nur einen "leche", womit sie einen cafe con leche meinen und weg sind sie ...

Odiel-Landzunge mit Huelva im Hintergrund ...Heute will ich nach Huelva, einer größeren Industriestadt 50 km westlich, gelegen an der Mündung der Flüsse Rio Odiel und Rio Tinto in den Atlantik. In einem Reisebericht wird die lange Uferstraße am Westrand der Stadt als Beobachtungsplatz empfohlen und ich fahre hin.

 Mit einem Auto und einem Straßennavi ist das kein Problem. Aber die Stelle bietet heute nichts. Wenn jemand auf seinem Weg zur Arbeit täglich hier vorbei kommt, wird er sicher dann und wann auch seltene Vögel dort antreffen. Für einen Touristen mit wenig Zeit lohnen solche Insiderstellen nicht.

Deshalb konzentriere ich mich nun voll auf das Kerngebiet, die Odiel Marches (Nr. 41 im Plan), eine lange schmale Landzunge zwischen den Mündungen der beiden Flüsse und zwischen den Städten Huelva im Osten und Punta Umbria im Westen. Hier war ich jedes Mal auf meinen Reisen in die Doñana und jedes Mal hat es sich gelohnt.

Gleich bei der Einfahrt beim Überqueren des ersten Wasserlaufes sehe ich einige Rotschenkel und einen Grünschenkel darin waten. Das Beobachtungshäuschen wenige Meter weiter mit dem netten Zipfelmützendach aus Schilf birgt ein technisches Risiko. Von innen könnte man den Türriegel, wenn er von außen geschlossen wird, nicht öffnen. Ein richtiges Gefängnis, die Fensterluken sind zu klein zum Ausbrechen und Schreien würde hier auch niemand hören. Für eine größere Reisegruppe bietet das die einmalige Möglichkeit, lästige Mitreisende für kurze Zeit los zu werden ...

Raubseeschwalbe, rechts; daneben MittelmeermöweIm Moment herrscht offenbar Ebbe. Bei dem Häuschen und auch während der nächsten 10 km neben der Straße sind kaum Wasserstellen und Vögel zu sehen (bei der Rückfahrt mehrere Stunden später wird das ganz anders sein). Erst nach Überfahren der hohen Brücke komme ich an die Lagunen und wie jedes Mal bietet sich ein herrliches Bild: Zahlreiche Limikolen von den großen Brachvögeln bis zu den kleinen Zwergstrandläufern und den Sandregenpfeifern.

Dem eigenartigen Jagdverhalten der Goldregenpfeifer kann ich lange zuschauen: Regungslos stehen sie da und schauen mit ihren Glotzaugen, dann plötzlich drei schnelle Schritte, ein rasches Zupacken und ein Wurm zappelt im Schnabel. Wattwürmer können sich ja blitzschnell zurückziehen, deshalb diese Jagdtechnik.

Beim Absuchen einer größeren Kolonie von Mittelmeer- und Heringsmöwen fällt mir ein Vogel auf, der wohl eine dicke Möhre im Schnabel hat. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich die Möhre als sein leuchtend roter, prächtiger Schnabel und der Vogel als Raubseeschwalbe. Für mich die erste Beobachtung dieser Art. Es sollte die einzige Rarität auf dieser Reise bleiben. Marmelenten z.B. suchte ich dagegen vergebens ...Minas de Rio Tinto ...

Nach der wieder zu kurzen Mittagspause am Leuchtturm will ich schnell zurückfahren, werde aber von der Flut überrascht. Positiv überrascht, denn einige auf der Hinfahrt trockene Schlickbereiche haben sich bezüglich Wasserstand und Watvögeln verändert und zwingen mich zum Anhalten und Schauen.

Gegen 15:30 Uhr komme ich endlich von diesem Gebiet los. Ich will doch noch zu den Minen am Rio Tinto fahren. Dort erwarten mich zwar keine Vögel, aber starke landschaftliche Eindrücke. Die Größe der Grube und die intensiven Erzfarben hatte ich nicht erwartet.

Auf der Heimfahrt liegt eine derart farbige, warme Stimmung in der Abendsonne, dass ich anhalten und aussteigen muss. Ein Spaziergang in den Olivenhainen im Irgendwo ist Labsal für meine Seele. Schade, dass es bald dunkel wird. Aber für einen kurzen Besuch der nahe gelegenen Stadt Niebla schadet die Dämmerung nicht. Die berühmte alte Stadtmauer wirkt durch die Beleuchtung noch romantischer. Innerhalb der Stadtmauern ist Niebla aber eine nüchterne, reizlose Siedlung ohne alte Bausubstanz. Das Leben, die Bars und wohl auch der Tourismus spielen sich vor den Mauern der Stadt ab ...

4. und letzter Reisetag, Sonntag, 27.01.08

Heute muss ich früh aufstehen und erst mal 150 km Autobahn überspringen. Mein Ausgangspunkt ist Sanlucar de Barrameda, die Stadt an der Mündung des breiten Stromes Guadalquivir. Die Restaurants an der Uferpromenade rüsten sich gerade für den Ansturm der spanischen Sonntagstouristen. Auch geschäftige afrikanische Händler sind schon mit ihrem Angebot an billigem Goldschmuck und Ledergürteln da. Hier wurde der Tourismus in den letzten Jahren deutlich intensiviert, so viel Trubel habe ich nicht in Erinnerung. Schnellstens weg von hier!

Die Straße nach Norden ist mit Parque Natural de Doñana beschildert und führt durch einen Vorort namens Bonanza in den Naturpark. Kurz nach Bonanza müsste ich nach links abbiegen in die Salinengegend namens La Algaida. Die einzige Zufahrt nach links, die ich sehe, endet aber an einem Bauernhof, sehr privat. Ich fahre also doch in den Naturpark: Eine breite Sandstraße mit tiefen Löchern führt zwischen pittoresken Kiefern nach Norden. Alle 300 m steht ein PKW, eine spanische Familie macht Picknick.

Einige Kilometer hinter dem Naturpark macht die Straße an einem Bauernhof einen scharfen Rechtsknick Richtung Osten und führt über eine Brücke. Dort will ich dem Wasserlauf geradeaus folgen und die 200 Meter zum Fluss erwandern, verliere mich aber im Morast und muss umkehren. Die Sandstraße, die kurz vor der Brücke erst einige Meter nach Norden führt und dann nach Westen abbiegt, hätte ich fahren können. Spätere Analysen von Satellitenbildern sollten zeigen, dass dies ein möglicher, vielleicht sogar der beste Zugang zu den Salinen ist.

Purpurhuhn ...Einige hundert Meter nach der Rechtskurve beginnt eine Serie von kleinen Lagunen, die dem näher rückenden Ufer des Guadalquivir vorgelagert sind. Ein jagender Fischadler nötigt mich zu einem Stopp am Straßenrand und zum Aufbau des Spektivs. Ich kann dem Adler längere Zeit zusehen und werde Zeuge einer erfolgreichen Jagd. Am Horizont verschwindet er mit seiner dicken Beute kurzzeitig hinter einigen Sandhügeln und kommt ohne Fisch und von Möwen verfolgt wieder hervor.

Seine Frustration ist am Flugstil deutlich zu erkennen, meine ich ...

Die kleinen Lagunen zwischen Straße und Fluss, in der Übersichtskarte als Nr. 27 ausgewiesen, bergen noch weitere Überraschungen: Ein Trupp von Bekassinen rastet verstohlen unter dem Ufergestrüpp und einige Teichhühner laufen geschäftig auf und ab. Dazwischen ein Exemplar des deutlich größeren Purpurhuhnes, an dem mir die riesigen Füße besonders auffallen. Es sucht nach Schilfsprösslingen und ich kann genau beobachten, wie die essbaren Teile aus den strohhalmartigen Hüllen herausgefummelt und gefressen werden.

In den Lagunen tummeln sich natürlich auch die üblichen Gesellen, meistens Rotschenkel und Stelzenläufer - die gibt es hier überall.

Nur schwer kann ich mich von dieser hervorragenden Beobachtungsstelle trennen.

Der Einstieg in den Brazo del Este, Nr. 24 der Karte, scheint schwierig, ist aber mit GPS und den vorbereiteten Satellitenbildern leicht zu erkennen. Ich folge dem Tipp in einem alten Feldführer, die erste Schleife des Altarmes (nichts anderes bedeutet Brazo) nicht auf der dickeren Sandstraße gerade zu durchstechen, sondern auf dem kleineren Weg außen auf östlicher Seite zu umfahren. Hier sollten bessere Einblicke in die Feuchtgebiete möglich sein. Dies bringt mich fahrtechnisch in äußerste Schwierigkeiten.

Endlich raus aus dem Schilftunnel ...Die anfänglich passable Straße wird ganz langsam zu einem immer engeren Feldweg ohne Wendemöglichkeit, dann werden plötzlich die Spurrillen immer tiefer. Sowohl unter dem Wagen als auch auf beiden Seiten schleife ich am Bewuchs entlang. Freude macht das nicht und ich darf mir nicht vorstellen, wie mühsam es erst wird, wenn ich alleine auf weiter Flur steckenbleibe.

Mit meinem VW-Bus zu Hause wäre das kein Problem, mit einem Landrover erst recht nicht. Aber dieser nagelneue Flitzer, den die mir da gegeben haben, ist hier eindeutig nicht am richtigen Ort. Auf dem Bild links habe ich alles schon überwunden und genug Platz zum Aussteigen und Fotografieren. Deshalb sieht das auf dem Foto so harmlos aus. Apropos Vögel - die zwei Graureiher waren den Umweg nicht wert. Vielleicht kann man im Frühling oder Sommer dort mehr sehen ...

Ich fahre noch ein wenig in der Gegend bei Isla Menor herum, bringe aber nichts Richtiges mehr zustande. Der Feldweg hat mir den Schwung genommen, auch wenn es gut ausgegangen ist. Ich mache mich also auf den Heimweg und muss dazu erst mal den Guadalquivir überqueren. Brücken gibt es hier keine, erst in Sevilla wieder. Aber die kleine Fähre bei Coria del Rio ist in Betrieb, spart mindestens 50 km Umweg und ist viel romantischer - sehr empfehlenswert. Es passen nur 6-8 Fahrzeuge auf die Laderampe und heute noch weniger, da zahlreiche Pickups mit Anhänger übergesetzt werden wollen. Sie sind auf dem Heimweg von dem Reiterfest in El Rocio, das inzwischen zu Ende gegangen ist und haben traditionelle Pferdewagen geladen.

Vor Sonnenuntergang an einem der vielen Reisfelder ...Genau wie die schlanken rassigen Pferde sind auch die Wagen in Andalusien leicht und elegant gebaut, ganz anders als die Fuhrwerke und Rösser bei unserem bayerischen Leonhardiritt Anfang November.

Nach einer kurzen Rast in Coria suche ich den Heimweg über Isla Major und über die kleine Guadiamarbrücke Richtung Villamanrique. Dabei fahre ich noch in das eine oder andere Reisfeld und schaue mich dort ein wenig um. Diese Art der Vogelbiotope habe ich bisher zu wenig beachtet, ich hatte auch keine Zeit dazu. Die zahlreichen riesigen Flächen müsste man mühsam absuchen und könnte dann sicher noch interessante Vögel entdecken. Für einen einzelnen Beobachter ist das aber kaum zu schaffen.

Nach Rückkehr in Hinojos beende ich den Tag wieder mit dem obligatorischen Besuch in der Bar, bestelle Bier und Fischplatte und genieße noch einmal die Atmosphäre hier. Ich schreibe wieder einige Stichworte über den Verlauf des heutigen Tages, die später als Gedächtnisstütze für diesen Bericht dienen sollen.

Morgen ist der Tag der Rückreise, zu Hause erwartet mich der tägliche Wahnsinn ...

Das letzte Bild im Kasten: Sonnenuntergang über Reisfeldern ...


Nachtrag ...

Wenn man nur auf die Zahl der beobachteten Vögel blickt oder die Ausbeute an Raritäten als Richtschnur zur Beurteilung heranzieht, war diese Reise sicher nicht besonders erfolgreich. Aber im Januar kann man nicht viel mehr erwarten. Die Zugvögel sind alle durch, die besonderen Brutvögel verweilen noch in ihren afrikanischen Winterquartieren, und von der immer noch stattlichen Artenvielfalt vor Ort konnte ich einen Teil aus nachvollziehbaren Gründen nicht entdecken.

Die ziemlich standorttreuen Großtrappen z.B., aber auch die begehrten Kaiseradler, findet man nur mit Ortskenntnis, die ein Führer bietet - oder mit viel Zeit und Geduld. Auch ist ein einzeln Reisender gegenüber einer Gruppe sehr benachteiligt: Vier Beobachter schauen in vier verschiedene Richtungen, wenn einer etwas findet, erfahren es sofort auch die anderen. Und der Autofahrer sieht immer als letzter, wenn sich in der Umgebung ein Vogel gerade verstecken will, denn die Bewältigung der teils schwierigen Straßenbeläge lenkt den Chauffeur sehr stark ab. Sicher bin an manchen Highlights vorbei gefahren, die mein Freund Franz als Beifahrer entdeckt hätte ...

Diese Handicaps berücksichtigend kann ich wirklich zufrieden sein mit der ideellen Ausbeute, zumal ich mir die Erkundung abgelegener Beobachtungsplätze zur Hauptaufgabe gemacht hatte. Ich habe wichtige Erfahrungen gesammelt bezüglich mancher Einzelheiten vor Ort, aber auch zur Optimierung meines persönlichen Reisestils. Diese Erfahrungen will ich durch den vorliegenden Bericht weitergeben ...

ÜbersichtskarteAnhang

Die im Bericht mehrmals erwähnte Übersichtskarte von der ehemaligen Webseite "discoveringDoñana.com"
(Copyright given by Jose A. Sanchez
)


© 2008 Sepp Reithmeier


Anm. der Red.: Und weitere Beiträge von Sepp Reithmeier im Explorer Magazin:

Die Einführung zum obigen Thema und ein weiterer "Birding"-Reisebericht:

und Reiseberichte und sonstiges: