Die englische Zicke
Was man so erleben kann mit "Partnerinnen" ...
Diese Geschichte basiert auf einer wahren Begebenheit. Erlebt vom Verfasser selbst.
Mit der Adoption dieser englischen Zicke, dieser Ländrowa Diskaweri-Eins (Doppelnamen haben immer was Besonderes), geboren 1996 in Salisbury/England, habe ich mir was angetan ...
(Anm. der Red.: Das Fahrzeug ist in Fachkreisen auch bekannt unter der Bezeichnung Landrover Discovery Series I )
Im August 2014 adoptiert, da mein Nissan Terrano einen Schaden am Hinterraddifferenzial hatte. Zu teuer um das zu reparieren: Also habe ich mich im Internet umgesehen. Und siehe da, da stand sie und gefiel mir sofort. Also hingefahren, angeschaut und den Kauf perfekt gemacht.
Schon beim Abholen wollte die Zicke nicht in die selbe Richtung fahren wie ich. Immer wieder musste ich sie überzeugen. Naja, dachte ich, die Zicke bringe ich schon in die Spur.
Aber die Ernüchterung kam einige Tage später: Nach dem genauen Hinschauen stellte ich fest, dass einiges an Arbeit reingesteckt werden muss. Also zunächst den Teppichboden raus, der war feucht und stank. Dann die vorderen Kotflügel abgebaut und einige Löcher gestopft. Bremsen, Sättel, Beläge und Scheiben erneuert. Vorn rechts bremste die Lady schon auf Metall ...
Die vorherigen Adoptionseltern hatten sie nicht gut behandelt. Bremsleitungen ersetzt durch Stahlflex. Die Achsen verloren am Differenzial Öl: Also die Simmeringe erneuert. Dann die Dachfenster abgedichtet. Hier lief Wasser die Wand runter und hinterließ Pfützen am Boden. Aber nicht nur da kam Wasser in den Innenraum: Auch die Hecktür war nicht richtig eingepasst. Und während der Fahrt schaufelte das rechte Hinterrad Wasser durch die Innenraumentlüftung hinten herein.
Das Kennzeichen hatte sich aufgrund der Vibrationen durch den Lack gefressen. Das Alu darunter war korrodiert: Also grundieren und lackieren. Die Spritzwand hatte einige Löcher, so dass ich nach Regenfahrten immer nasse Füße bekam. Diese Löcher wurden auch abgedichtet. Alle Gelenke vorn am Lenkgestänge wurden erneuert. Hört sich einfach an. Aber jede Verschraubung war festgerostet und musste mit Gewalt gelöst werden. Nach dem Wechseln der Gelenke wurde dann auch die Spur neu eingestellt. Jetzt endlich fuhr die Zicke auch dahin, wo ich hin wollte ...
Auf einer Fahrt von Süddeutschland nach Hause brüllte sie mich auf einmal an: Der Auspuff war direkt am Flammrohr abgerissen. Über drei Stunden musste ich mir das Gebrüll anhören. Ich habe sie doch so nett und freundlich behandelt und weiß nicht, womit ich das verdient habe!
Hab ihr sogar manikürte Füße gegeben: Die Felgen wurden erst gesandstrahlt, dann grundiert und schließlich schwarz lackiert.
Ab und zu hat sie eine Macke und will nicht anspringen: Steht auf dem Parkplatz eines Supermarktes und muckt sich nicht. Beleidigt, eingeschnappt? Keine Ahnung. Sie sagt einfach keinen Ton. Hab einige Zeit damit verbracht, den Fehler zu finden. Nach dem Tausch der Batterie war der Fehler erst mal erledigt. Aber jetzt taucht er wieder auf: Vielleicht liegt es auch am Zündschloss. Mal schauen, wer mir da eine vernünftige Lösung bieten kann ...
Dann verlor der Motor Öl: Wo, konnte ich erst nicht erkennen. Nach langer Suche dann endlich gefunden: Die Vakuumpumpe war inkontinent. Also wechseln. Dann war die Dichtung des Ventildeckels undicht, auch gewechselt und die Schrauben fest angezogen. Die Dichtung der Ölwanne ließ Öl durchsickern: Ölwanne abgeschraubt und abgedichtet. Dabei habe ich ein kleines Metallstück gefunden: Keine Ahnung, wo es herkommt. Also ignorieren. Nach dem Einsetzen einer Papierdichtung und Dichtmasse ist das Problem jetzt auch gelöst.
Öl ist von oben in das Kupplungsgehäuse eingetreten: Deshalb wurde die Kupplung auch erneuert, da sie sich mit Öl vollgesaugt hatte.
Aber den Supergau hatte ich schließlich 2015: Zuerst brannte auf der Fahrt in die Türkei in der Nähe von Budapest die Zylinderkopfdichtung durch. Einfach so. Wasserpumpe und Thermostat gleich mit repariert und weitergefahren. Aber einige Wochen später platzte der Zulauf zum Wärmetauscher der Heizung: Der Schlauch hatte sich am Ventildeckel durchgescheuert. Wieder die Zylinderkopfdichtung.
Aber diese Reparatur wurde im Zuge der Wartung mit dem Tausch des Zahnriemens gemacht. Und dabei wurde auch ein Simmering an der Kurbelwelle getauscht. Jetzt ist der Motor dicht und markiert sein Revier nicht mehr. Doch anschließend beim Probelauf platzte der Kühler: Auch der wurde erneuert. Den Motor habe ich jetzt dicht ...
Der erste Schaden an der Zylinderkopfdichtung lässt sich wahrscheinlich auf einen nicht mehr ganz intakten Kühler zurückführen: Die Lamellen waren zum Teil angefressen und kühlten das Wasser nicht mehr weit genug herunter.
Nach 1.300 km Autobahnfahrt wurde die Lady dann abgestellt. Danach sprang sie kurz wieder an. Aber sie bekam Fieber. Dann schließlich der verzogene Zylinderkopf bzw. die durchgebrannte Dichtung. Der Schaden am Kühler rührt vom Druck im Kühlsystem her: Durch die defekte Dichtung wurde von den Kolben Druck aufgebaut, dem der alte Kühler nicht mehr standhielt ...
Ich war jetzt wieder in Alanya und versuchte das Getriebe abdichten zu lassen: Es fing auf der Hinfahrt an undicht zu werden. Wo und warum musste ich bei meinem Schrauber ergründen lassen. Er stellte fest, dass ein Schalter oben auf dem Getriebe undicht war. Also abgedichtet und wieder eingesetzt. Aber auf der Rückfahrt ließ der Schalter wieder Getriebeöl durch. Zu Hause muss der Schalter vermutlich ersetzt werden ...
Warum diese Zicke so mit mir umgeht, kann ich mir nur damit erklären, dass sie immer noch Heimweh hat. Aber erst einmal bleibt sie bei mir. Ich werde sie noch überreden, da sie es doch bei mir gut hat und in der Welt rumkommt.
Einige kariöse Stellen muss ich noch bearbeiten. Dann bekommt sie noch eine Winde samt neuer Stoßstange montiert. Ein Dachgepäckträger ist auch oben auf und sieht schick aus. Dann habe ich die hinteren Fenster abdunkeln lassen. In Alanya habe ich einen Monteur gefunden, der das für 100 TL macht, umgerechnet 32 EUR für vier Fenster. Und er hat es gut gemacht!
Ich habe doch schon soviel für sie gemacht und nun soll sie endlich zufrieden und nett sein. Sonst überlege ich mir noch, sie wieder zur Adoption frei zu geben und mir einen Verwandten zuzulegen. Ab einem bestimmten Alter muss man sich aber mit einigen Gebrechen abgeben. So ist das nun einmal ...
Ich habe ihr auch noch einen schönen Innenausbau geschenkt, damit sie auf Reisen nicht allein irgendwo auf einem Parkplatz rumsteht, sondern ich immer bei ihr bin und auf sie aufpassen kann.
Was ich an ihr schätze, sie springt - ob warm oder kalt - sofort an und verbraucht kaum Öl. Was ich bei der Reparatur in Budapest gesehen habe, ist auch erfreulich: In den Zylindern sind die Hohnspuren noch zu sehen. Also so gut wie kein Verschleiß ...
Aber stolz ist sie auch: In Alanya hatte uns der Off Road Club zu einer Ausfahrt eingeladen. Das war wirklich Hardcore. Aber diese Zicke meisterte alle Disziplinen, als gäbe es für sie nichts anderes. Erst in einem trockenem Flussbett ein wenig crossen. Dann eine steile Böschung runter in ein Flussbett. Hier fuhren wir durch den seichten Fluss, aber über Steine, Medizinball groß. Das Wasser war an einigen Stellen sehr tief. Für einen Teilnehmer zu tief: Er versenkte seinen Defender bis an die Fenster. Mit der Winde wurde er wieder geborgen. Meine Zicke rutschte an einer Stelle nach rechts ins Wasser ab und stand auch bis ans rechte Türschloss im Wasser. Links bis zum Radkasten. Wadentief stand das Wasser nach der Bergung im Innenraum. Türen alle auf und das Wasser ablaufen lassen. Das ließ sich die Zicke ohne Murren gefallen: Wollte sich wohl keine Blöße geben gegenüber den türkischen Männern ...
Anschließend über trockene, staubige Wege wieder zurück: Am nächsten Tag durfte ich sie dann trocken legen und Staub wischen.
Zwei der türkischen Offroader wollten mir die Zicke abschwatzen. Sie suchten vergebens einen Discovery 1. Der einzige vernünftige Offroader für sie, robust, ohne Elektronik, einfach zu reparieren, gute Sitzposition, usw.
Ich kann nur bestätigen, dass diese Zicke auf Reisen nun eine ganz gute Figur macht: Der Motor läuft rund und ruhig, ok, nagelt natürlich laut vor sich hin. Morgens sind alle Nachbarn wach, wenn ich zur Frühschicht fahre. Der Verbrauch hält sich auch in Grenzen, zwischen 9,5 und 12 Liter, je nach Fahrweise, Beladung und ob der Dachträger montiert ist oder nicht. Schalten lässt sie sich gut, die Lenkung ist auch direkt und der Kontakt zur Straße ist da. Die Sitzposition ist auch ok. Ich muss aber in nächster Zeit die Polster erneuern ...
Die meisten Reparaturen und Wartungen kann ich selber machen, was die Kosten auch niedrig hält. Aber jetzt mal abwarten, welche Überraschungen sie noch auf Lager hat und was der TÜV so sagt ...
© 2015 Ludwig Hauhoff (Hauy)
Anm. der Red.: Weitere Beiträge von Hauy in unserem Magazin gibt es zum Ausbau seines ehemaligen Terranos samt Zubehör und etliche Reiseberichte, darunter ganz spezielle in unserer Punktesammlung mit besonderen Punkten Europas:
- Reise zum "Nordpunkt" 2005
- Punktsuche 2004: West-, Südwest- und Südpunkt
- Russland 2003: Auf der Suche nach dem Ostpunkt
1. Nachtrag, April ´16: Offroad-Freunde unterwegs ...
Inzwischen hat sich Hauy wieder gemeldet: Mittlerweile plant er seine Übersiedlung in die Türkei und auch die Beziehungen zum örtlichen Off Road Club in Alanya haben sich weiter verfestigt.
Wie es dort ihm, der "Zicke" und den Offroad-Freunden "unterwegs" so geht, veranschaulicht sehr schön ein Video, das Hauy zum Thema "Offroad" nun fertiggestellt hat: Wie man sieht, haben alle sehr, sehr viel Spaß ..!
2. Nachtrag, Juli ´16: Es wird umgesiedelt
Irgendwie hat man es fast schon geahnt: Da Hauy viel Gefallen an der Türkei gefunden hat und er sich dort bereits recht heimisch fühlt, wundert der nächste Schritt nicht wirklich: