Europa-"History" 2004
"Punktsuche": Zum West-, Südwest- und Südpunkt ...
Vorbemerkung der Red.: In unserer Reihe "Eckpunkte Europas" konnten wir Autor Ludwig "Hauy" Hauhoff bereits bei seiner Suche nach dem "Ostpunkt" begleiten, die er im Jahr 2003 durchführte.
Ein Jahr später ist "Hauy" bei seiner Sammelaktion wieder unterwegs - diesmal geht es um gleich drei neue Punkte in seiner Eckpunktesammlung Europas. Im April 2004 startet er gemeinsam mit seiner Ehefrau eine Motorradreise Richtung Südwesten, die die beiden zu diesen Zielen bringen soll.
Außer den Visiten bei den bereits angekündigten West- und Südpunkten war bei dieser einmonatigen Reise von 8.000 km sogar auch noch ein Abstecher zum Südwestpunkt Festlandeuropas möglich, womit unsere neue Sammlung wieder erweitert wurde - hier Hauys Bericht!
Anreise: Durch Frankreich und Spanien ...
Abfahrt ist am Samstag, der 24. April 2004 um 07:50 Uhr: Das Wetter ist gut, kühl, aber trocken ...
Auf der A3 geht's in Richtung Köln, anschließend weiter auf der A1 bis Ausbauende in Blankenheim. Die Fahrt durch die Eifel verläuft problemlos. Die Sonne hat aber noch nicht die Kraft, uns während der Fahrt zu wärmen. In Luxemburg wird getankt.
Dann weiter Richtung Frankreich: Die Beschilderung irritiert mich ein wenig und prompt verfahre ich mich. Aber wieder auf dem rechten Weg sind wir beide - meine Frau und ich - schnell in Frankreich. Wir fahren in Richtung Verdun und machen an der Gedenkstätte halt. Hier fanden die großen Schlachten der beiden Weltkriege statt: Überall Soldatenfriedhöfe und Hinweise auf Gedenkstätten. Wir machen an einer dieser Schlachtfelder eine kurze Rast. In der Kapelle gibt es einen Raum voll mit Menschenknochen. Wie können Menschen anderen Menschen so ein Leid antun? Unbegreiflich! Gegen 17:00 Uhr finden wir in der Nähe von St.Dizier, am Lac du Der Chantecoq einen kleinen gemütlichen Campingplatz. Zelt aufbauen, Duschen, Essen und ein Spaziergang, dann ab in den Schlafsack ...
Nächster Morgen: Abfahrt gegen 08:50 h: Die Straßen sind leer. Wir machen auf gut zu fahrenden Nationalstraßen einige Kilometer. Unterwegs geht uns der Sprit aus. Tankstellen sind rar und weil Sonntag ist, sind sie auch noch geschlossen. Überall gibt es aber Tankautomaten, die meine Kreditkarten nicht akzeptieren. Ein freundlicher französischer Autofahrer hilft uns weiter, mit seiner Kreditkarte kann ich den Tank füllen. Vor Riom können wir schon den Park Regional des Volcans D'Auvergne sehen, der Höhenzug erhebt sich wie eine Mauer vor uns. Als wir die Serpentinenstraße hochfahren, kommen uns Gruppen von Motorradfahrern entgegen. Bis auf fast 900 m klettern wir in kürzester Zeit. Hier einen Campingplatz finden ist nicht einfach: Ein freundlicher Motorradfahrer gibt uns einen Tipp. In Pontgibaud kommen wir auf dem Camping de Munizipal unter.
Als wir morgens aus dem Zelt kriechen, traue ich meinen Augen nicht, ein Eispanzer befindet sich auf dem Zelt und dem Motorrad. In der Nacht ist die Temperatur unter 0°C gefallen. Es dauert eine Weile bis wir uns aufgewärmt und dann wieder auf den Weg machen. Unfreiwillig schlagen wir eine andere Route ein, aber wir sind nicht böse drum. An der Dordogne entlang fahren wir eine schmale Landstraße. Es geht rauf und runter, eine Landschaft und kleine Dörfer wie im Bilderbuch. Dieser Umweg hat sich gelohnt. Das Kurvenfahren wird hier zum Genuss ...
Spät am Nachmittag kaufen wir für den Abend ein: In Agen suchen wir uns einen Supermarkt und kaufen natürlich Wein, Baguette, Käse und etwas Salat. Jetzt fehlt nur noch noch ein netter Campingplatz: In der Nähe von Condom finden wir auf einem Weingut ein Plätzchen zwischen den Weinreben. Hier lassen wir den Tag ausklingen: Ein Sonnenuntergang wie im Bilderbuch, die Luft ist angenehm warm und lässt uns glücklich und zufrieden einschlafen ...
Wir fahren weiter nach Südwesten: So langsam kommen wir in das Gebiet der "Pyrenees Occident". Von weitem kann man diese schon erkennen, die Luft ist klar und wir haben einen herrlichen Ausblick auf die Erhebungen vor uns. Noch fahren wir durchs Vorland der Pyrenäen, plötzlich sind wir in Spanien. Ohne Ankündigung betreten wir spanisches Hoheitsgebiet. Oben auf der Passhöhe steht eine Pilgergruppe aus Duisburg: Sie sind auf dem Weg nach Santiago de Compostela - vielleicht treffen wir sie ja dort wieder.
In der Nähe von Pamplona finden wir einen Campingplatz: Es ist 17:00 Uhr und wir haben keine Lust, noch weiter nach einem Platz zu suchen. Ich versuche einen Supermarkt zu finden, keine Chance. Entweder bin ich blind, oder es gibt wirklich keinen. Das einzige was ich sehe, sind Autohäuser. Unverrichteter Dinge fahre ich zum Platz zurück. Jetzt wird das warm gemacht, was wir noch im Koffer finden. Nach einer gemütlichen Tasse Tee schließen wir unser Zelt ...
Die ganze Nacht regnet es mal mehr, mal weniger stark. Morgens erwischen wir einen trockenen Augenblick, um das Zelt abzubauen und es unter einem Vordach zum trocknen aufzuhängen. Nach dem Frühstück brechen wir wieder auf: Als ob der Regen auf uns gewartet hätte, schüttet es ganz plötzlich wieder wie aus Kübeln. Aber das reicht noch nicht, es wird auch noch nebelig und kalt.
Die erste Etappe geht über Nebenstrecken bis auf die Hauptverbindung nach Santander. Das Fahren auf den bestimmt schöneren Nebenstrecken ist mir zu gefährlich. Als wir hinter Santander in Richtung Küste fahren, hört der Regen endlich auf und es wird es trocken. An einer Tankstelle müssen wir unseren Benzinvorrat auffüllen. Ich greife zur Zapfpistole und tanke: Nach einigen Litern bemerke ich, dass ich Diesel tanke ...
Nach 15 Minuten ist der Diesel abgelassen und Benzin wird getankt: Mein Motorrad kommt zwar mit 75 Oktan zurecht, aber mit Diesel? Ich möchte es nicht ausprobieren. Gegen 16:00 Uhr suchen wir uns einen Campingplatz an der Atlantikküste. Dort trocknen wir erst einmal unsere Klamotten und das Zelt. Anschließend essen wir im Restaurant und schlafen zufrieden ein.
Morgens sieht es so aus, als würden wir den Tag ohne Regen durchfahren. Wir haben uns vorgenommen, den Nationalpark Pico de Europa zu besuchen. Herrliche Straßen mit wenig Verkehr erwarten uns. Von Pechon an der Küste entlang fahren wir nach Süden auf der N621: Kurven ohne Ende, ein Pass jagt den anderen. In Potes übersehen wir einen Abzweig und landen auf einem Aussichtspunkt Fuente De. in einer Sackgasse. Leider ist die Aussicht nicht besonders. Also wieder herunter nach Potes. Jetzt finden wir den richtigen Abzweig, er war nur von einer Seite beschildert ...
Von Potes geht's weiter auf der N 621 Richtung Südwesten: Als wir dann auf etwa 1.600 m klettern, fängt es an zu regnen und Nebel zieht auf. Trotz alledem erkennen wir die grandiose Natur. Bis Rano müssen wir noch. Dort machen wir eine größere Pause. Wir müssen uns aufwärmen, denn es ist kalt. Von Rano aus wollen wir dann auf der 635 Richtung Oviedo fahren. Auf der Karte ist nicht zu erkennen, wie hoch wir noch kommen. Wieder steigt die Straße auf über 1.600 m an.
Am höchsten Punkt steht ein Schild "Vorsicht Schnee auf 2.5 km". Als wir um die erste Kurve kommen, traue ich meinen Augen nicht: Die Straße ist tatsächlich verschneit - rund 10 cm Neuschnee auf der Fahrbahn! Vorsichtig taste ich mich weiter. Nach ca. 2.5 km ist der Spuk vorbei. Aber jetzt regnet es mal wieder wie aus Kübeln und es ist kalt. Nach zwei Stunden und durchnässt erreichen wir endlich Oviedo. Wir kaufen noch etwas ein und suchen uns dann einen Campingplatz an der Küste. Hier können wir heiß duschen und unsere Klamotten trocknen ...
Die ganze Nacht prasselt der Regen auf unser Zelt. Morgens schneit es dann zu allem Überfluss noch. Wir haben den 30. April und ich habe das Gefühl, wir kommen in eine Eiszeit. Warum fahre ich denn in den Süden? Wegen Regen und Schnee bestimmt nicht! Gegen 09:00 Uhr klart es schließlich auf. Wir machen uns auf den Weg. Unterwegs erwischt es uns immer wieder nass von oben, mehrmals werden wir geduscht. In Santiago de Compostela suchen wir verzweifelt einen Campingplatz. Es gibt zwei auf der Karte, aber wir finden keinen einzigen. Schließlich checken wir in einem Motel ein: Es gibt sogar eine Garage für das Motorrad. In dieser können wir auch das Zelt und unsere Klamotten trocknen. Endlich warm, nicht mehr frieren. Dann stelle ich fest, dass wir in einem Stundenhotel abgestiegen sind ...
Gestöhne rechts und links von uns: Aber das ist mir jetzt auch egal, Hauptsache warm, trocken und sauber. Und teuer ist es auch nicht. Früh gegen 07:45 Uhr verlassen wir das Motel. Wir fahren nach Santiago de Compostela. Um diese Zeit ist in der Stadt noch nichts los. In einer Tiefgarage erklärt sich ein Parkwächter freundlicherweise bereit, ein Auge auf unser Motorrad zu werfen. Wir machen uns auf, die Innenstadt zu erkunden. In kurzer Zeit hat man einen Überblick bekommen und nach einigen Besichtigungen und Fotos bummeln wir langsam zurück.
Gegen Mittag geht es weiter Richtung Süden: Wir wollen heute Nachmittag in Portugal auf einem Campingplatz unser Zelt aufschlagen. Durch Dörfer und Städte fahren wir auf der N 550 bis zur portugiesischen Grenze. Von dort wollen wir dann bis zum Atlantik weiter. Sehenswert sind eigentlich nur die Gegensätze von arm und reich, schön und verkommen. Die Landschaft ist hügelig, die Straßen sind oft in einem miserablen Zustand. In Apulia suchen wir einen Campingplatz auf, zwar nicht gerade die Klasse, die wir suchen, aber für eine Nacht geht es (habe schon schlechteres gehabt). Jetzt sitzen wir also vor dem Zelt und genießen die Abendsonne.
Durch Portugal zum Westpunkt ...
Morgens ist der Platz still, gegen 09:00 Uhr kommen die ersten Camper aus ihren Höhlen. Wir haben schon aufgerödelt und machen uns auf den Weg. Heute wollen wir ins Landesinnere fahren: In Höhe der Stadt Porto wollen wir dem Fluss Douro folgen. Es ist gar nicht so einfach, den richtigen Weg in das Dourotal zu finden. Noch im Einzugsgebiet von Porto ist das Fahren stressig. Die Portugiesen fahren, als wären sie auf der Flucht. Aggressiv, nahes Auffahren, knappes Überholen, usw.. Das Fahren fordert meine ganze Konzentration und dabei übersehe ich so manches Fotomotiv. Erst gegen Nachmittag, als der Verkehr nachlässt, beruhigt sich die Lage und ich kann die schöne Aussicht genießen. Wir fahren erst am südlichen Ufer des Flusses entlang, nach einigen Kilometern können wir schließlich die Seite wechseln und auf der nördlichen und bestimmt auch schöneren Seite weiterfahren.
Unterwegs halten wir an einem Obststand und kaufen frische Orangen, lecker und saftig. Weiter geht's auf Serpentinen Richtung Osten: Wir haben mehrere Male eine schöne Aussicht auf das Dourotal: Dieser Fluss hat sich einige hundert Meter tief in die Landschaft eingegraben. Rechts und links an den Hängen wird Weinanbau betrieben (Anm. der Red.: Sie hierzu auch den Bericht des Explorer Teams!).
Als wir in Cinfaes wieder die Flussseite wechseln, entschließen wir uns in Richtung Castro Dave zu fahren. Immer höher klettern wir in dem Bergmassiv Serra de Montemuro. Mein Höhenmesser auf dem GPS zeigt 950 m und immer noch steigt die Straße an. Erst machen wir ein paar Bilder, dann nehmen wir die restlichen Höhenmeter in Angriff. Bis 1.200 m klettern wir noch. Hier oben weht ein frischer Wind. Durch kleine Dörfer mit Weinanbau geht es schließlich wieder bergab, während wir immer wieder nach einem Campingplatz Ausschau halten. Aber im Landesinnere sind diese Mangelware ...
Also 90 km weiter zur Küste nach Aveira: Dort sollen mehrere Campingplätze sein. Am Ende der Schnellstraße in Praia da Barra kommen wir schließlich unter. Was mir heute die größten Probleme bereitete, war der aggressive Fahrstil der Portugiesen: Sie nehmen keinerlei Rücksicht auf Touristen, die man unschwer am Kennzeichen erkennen kann. In einer Kurve kam mir ein Pkw fast auf zwei Rädern entgegen, wir können nur von Glück reden, dass er nicht aus der Kurve flog und uns erwischte ...
Nach einem ausgedehntem Frühstück fahren wir an der Küste entlang nach Süden: Wir wollen in Figueraz de Foz frühzeitig einen Campingplatz aufsuchen, um uns auszuruhen. Gegen 13:00 Uhr, nach nur 90 km, erreichen wir schließlich einen: Wir waschen einige Sachen durch und gehen anschließend einkaufen. Der Wind frischt vom Atlantik kommend auf, so dass wir wieder unsere Pullover anziehen müssen. Jeden Sonnenstrahl ausnutzend, sitzen wir faul in unseren Sitzkissen herum. Frühzeitig verkriechen wir uns in die Schlaftüten ...
Die ganze Nacht über ist es stürmisch, das Zelt ist ständig in Bewegung. Morgens werden wir von Hundegebell geweckt: In der Nähe des Campingplatzes hat einer seinen Hund ausgesperrt. Dieser tut nun seinen Unmut lautstark kund. Um halb sieben ist schließlich die Nacht endgültig vorbei: Wir kriechen langsam aus dem Zelt und frühstücken in aller Ruhe. Gegen 09:00 Uhr sind wir unterwegs, um eine Rundfahrt durch Figueras de Foz zu machen. Chaotisch die Verkehrssituation: Ich versuche so schnell wie möglich diese Stadt zu verlassen. Der Reiseführer lobt den Ort wegen seiner Altstadt und seinem Ambiente, ich habe nichts davon gesehen. Wer dieses geschrieben hat, war vermutlich nicht mit einem Motorrad da ...
Wir finden den "Ausgang" aus dieser Stadt und fahren Richtung Coimbra. Dort erwartet uns das gleiche Chaos: Auch hier suchen wir das Weite und fahren am Rio Ceira Richtung Semide. Von dort will ich weiter nach Süden. Wir fahren durch ein wunderschönes Tal, die Straße schlängelt sich entlang des Flusses, um dann Richtung Ansiao abzubiegen. Hier geht es wieder bergauf: Von oben haben wir einen wunderschönen Ausblick auf die umliegenden Berge. Hinter Ansiao schwenken wir ein auf eine Nebenstrecke. Die Straße wird eng, kaum Platz für zwei Pkw.
In Ourem sind es schließlich noch 10 km bis zum Wallfahrtsort Fatima. Hier soll die Muttergottes im Jahr 1917 drei Kindern erschienen sein. Als wir gegen 14:00 Uhr in Fatima eintreffen, ist nicht viel los. Nach diesem Stopp fahren wir noch bis kurz vor Nazaré wieder an die Küste und finden einen ruhigen Campingplatz.
Es fängt erneut an zu nieseln. Wir haben das Zelt noch nicht zusammengefaltet, jetzt aber hurtig. In wenigen Minuten haben wir alles verstaut. Die Sonne ist ab und zu durch die Wolkendecke zu sehen. Wir machen einen Abstecher nach Nazaré. Hier befindet sich auch der berühmte "Aufzug von Nazaré", eine mehr als 300 Meter lange Bahnstrecke mit einer Steigung von rund 40%, die den zwischen zwei Ortsteilen bestehenden Höhenunterschied von 110 Metern überwindet.
Der Besuch hier lohnt sich, aber nach ein paar Aufnahmen fahren wir weiter über Nebenstrecken gen Süden. Heute wollen wir endlich eines unserer eigentlichen Ziele erreichen, den westlichsten Punkt Europas. Der Wind ist in Küstennähe stürmisch, für das Fahren brauche ich meine ganze Konzentration ...
Die Windböen lassen mich auf meiner Fahrspur hin und her tanzen. Von Sintra aus ist das Cabo da Roca ausgeschildert. In unendlichen Kurven fahren wir dem ersehnten Punkt entgegen. Plötzlich ist es da, dass Cabo da Roca: Am 05. Mai 2004 gegen 15:00 Uhr MEZ oder 14:00 Uhr Ortszeit erreichen wir endlich diesen Punkt. Eine Säule kann man schon von weitem erkennen: Dort ist der westlichste Punkt unseres Kontinents Europa, N 38°47´ E 009°30´. Schnell noch einige Fotos gemacht und schon verlassen wir diesen stürmischen Ort wieder. Der Wind bläst derart heftig von der Seeseite, dass mein Motorrad heftig schwankt ...
© 2013 Ludwig Hauhoff