Wieder auf Kurs: Portugal 2024Es geht weiter mit LERRY und seinen Abenteuern ... |
Vorbemerkung der Redaktion
Wir haben Jürgen Sattler, den ehemaligen Kapitän des Tierschutzschiffes "pacifico", seit seinen danach begonnenen "Landausflügen" mit dem "Mini-Womo" und dem späteren WoMo "LERRY" verfolgt. Der vorläufige Abschluss der Berichte über seine Erlebnisse unterwegs bildete dann noch einmal der Rückblick auf die Etappen gegen Ende 2023 mit seinem Bekenntnis Wie ich lernte (und liebte) im Womo zu leben und den ersten 10.000 Kilometern an Bord von "LERRY". Der Rückblick erfolgte seinerzeit auf Fahrten durch mehrere europäische Länder, darunter Deutschland, Frankreich, Spanien und vor allem Portugal.
Auch seine aktuelle Reise mit LERRY führt ihn schon wieder nach Portugal, das sich wohl aus verschiedenen Gründen zu einem seiner Lieblingsziele entwickelt hat. Wir wollen auch von diesem Trip in loser Folge wieder berichten und beginnen deshalb erneut in Portugal. Nach Entdeckung eines nie fertiggewordenen Kloster-Schlosses dort folgt ein "Suppenabenteuer", das uns natürlich irgendwie direkt an das slowenische Bograc-Fest erinnert hat, das wir im Jahr 2023 besuchten und mit dem wir uns auch in 2024 noch einmal - jetzt aber etwas intensiver - beschäftigen werden ().
Aber nun zurück zu Jürgen und den LERRY-Abenteuern ..!
Halb fertig? Nie fertig. Amen!
Auf dem Rückweg zum uns bereits gut bekannten Ort Praia de Vieira erhalte ich einen Hinweis über ein Gebäude, das seit Hunderten von Jahren nicht fertig geworden ist.
Schnell finde ich heraus, dass ich mich dazu ins Jahr 1385 "begeben" muss. Genau genommen ist es der 14. August jenen Jahres. An dem Tag gab es eine Schlacht: Spanien, genauer gesagt der König von Kastilien, verspürte offenbar die Lust, Portugal seinem Land hinzuzufügen. Verständlicherweise hatten die Portugiesen etwas dagegen ...
Es gab eine große Entscheidungsschlacht im Gebiet zwischen den Städten Leiria und Alcobaca, genauer gesagt in Sao Jorge. Die Spanier wurden seitens Frankreich und Italien, die Portugiesen von der englischen Krone unterstützt.
So mache ich mich mit dem LERRY am 20. Februar 2024 auf den Weg zum Ort dieser Schlacht. Hier finde ich die Stadt Batalha. Ihr Name heißt übrigens übersetzt "Schlacht". An diesem 14. August 1385 leistete der damalige portugiesische König D. Jao I. der Mutter Maria einen Schwur: Sollte er siegen, wolle er ihr zu Ehren ein Kloster errichten. Das Kloster Batalha.
Die Kleinstadt Batalha liegt in Zentralportugal und nicht weit entfernt von der Atlantikküste. Nördlich davon befindet sich die uns ebenfalls bereits bestens bekannte Stadt Leiria, im Westen die Stadt Fatima und auch Nazaré liegt dicht westsüdwestlich von Batalha. Letztere hat knapp 9.000 Einwohner und ihre große Bekanntheit kommt eben von dieser Schlacht, der "Schlacht von Aljubarrota", und dem Kloster, das meist zusammen mit dem Namen der Stadt genannt wird. Eigentlich heißt es aber "Kloster von Santa Maria aus Vitoria" (Mosteiro de Santa Maria da Vitória).
Mit dem LERRY komme ich kurz vor Einbruch der Dunkelheit an: Hier finde ich auch einen Platz für mein Fahrzeug, wobei sich der Service allerdings hier auf die Entsorgung beschränkt. Alles andere ist leider wie so oft defekt. Ein gemütlicher Abend ist jetzt jedoch wichtiger: Die Temperaturen gehen nämlich nachts runter auf 7°C bis 9°C ...
Gleich am Morgen des 21. Februar geht´s los: Gut ausgeschlafen nehme ich mir sofort das Kloster Batalha vor, also ab hinter die Klostermauern!
Durch den geleisteten Schwur vom König D. Joao I. und den damit verbundenen Sieg gilt dieses Bauwerk von Beginn an als ein Symbol der Unabhängigkeit Portugals. Das Kloster ist eines der größten im Land und gehört zum Weltkulturerbe.
Das liegt hauptsächlich daran, dass hier die besten und bekanntesten Handwerker aus ganz Europa tätig waren und das tatsächlich auch heutzutage noch sind. Da mich Religion eher vom Wissen als vom Glauben her interessiert, freue ich mich auf die vielseitige handwerkliche Kunst, die im Gebäude zu erwarten ist.
Das Kloster tatsächlich aus einer Schlacht geboren? Schon aus größerer Entfernung kann man erkennen, dass es mit vielen Details versehen ist. Ich muss also auf jeden Fall ganz nahe an die Mauern heran und auch innen wird das sicher genauso sein. Auf den folgenden Bildern ist unter anderem das Hauptportal zu sehen. Es befindet sich an der Westseite der Kirche und durch dieses Portal komme ich auch in das Kirchenschiff. Es hat die beachtliche Höhe von 32 Metern, der Baumeister Alfonso Domingues wollte dadurch dem Göttlichen möglichst nahe sein. Irgendwie erinnert mich diese Denkweise an den Turmbau zu Babel: Der aber scheiterte dadurch völlig! Manchmal ist etwas weniger Emotion und dafür mehr Verstand eben doch besser ...
Das Hauptportal zeigt sage und schreibe 91 Figuren und keine gleicht der anderen. Es finden sich in Stein gemeißelte Bischöfe und Päpste, dazu kommen 12 Apostel, verteilt an den Seiten des Tores. Die steinernen Bögen über dem Tor sollen den Übergang des Menschen ins Himmelreich symbolisieren. Da hat jemand seiner Fantasie offenbar freien Lauf gelassen. Ich hätte das allerdings ohne Erläuterung nie erkannt ...
Besonders nachdenklich machen mich jedoch die beiden steinernen Figuren eines bestimmten Bildes: Was sollen sie darstellen? Die Zwangsrekrutierung von Gläubigen? Wer wird dort und warum scheinbar einfach mitgenommen? Sie passen nicht zu den anderen Figuren, die keine körperliche Gewalt zeigen.
Das große Kirchenschiff wirkt mit seiner gewaltigen Höhe schon beeindruckend. Ich erfreue mich an der Handwerkskunst, denke dabei aber gleichzeitig auch an die Heizkosten, die vermutlich anfallen, um diesen Raum für stillsitzende Gläubige einigermaßen angenehm zu machen - denkt man heutzutage eigentlich so ganz automatisch ..? Hier finden sich verschiedenste Baustile, die je nach Zeit und Herrscher zur Anwendung kamen. Durch die ewige Bauzeit sind natürlich die Interessen unterschiedlicher Machthaber mit eingeflossen.
Hier kann ich auch noch einige Buntglasfenster aus dem 16. Jahrhundert bewundern: Sie zeigen Teile der biblischen Geschichte sowie Figuren aus dem Herrscherhaus des Klostergründers König D. Joao I. Der größte Teil dieser Buntglasfenster wurde allerdings durch ein Erdbeben im Jahre 1755 zerstört. Willkommen in der Wirklichkeit ..!
Im letzten Teil dieser drei Kirchenschiffe erreiche ich schließlich die Ruhestätte des Königspaares und von deren Nachfahren.
Das Königspaar des Jahres 1386 hat einen berühmten Sohn hervorgebracht: Heinrich der Seefahrer. Mich als (Ebenfalls-)Seefahrer () interessiert diese Geschichte natürlich sehr: Doch Heinrich ist tatsächlich niemals selbst auf Reisen gewesen! Seinen Namenszusatz verdankt er nur seiner besonderen Förderung der portugiesischen Seefahrt. Er hatte weitreichende Kenntnisse in diesem Bereich und die Seefahrt von ganzem Herzen gefördert. Er veranlasste zahlreiche Entdeckungsfahrten und brachte die Kapitäne dazu, ein Logbuch zu führen und Erfahrungen für später niederzuschreiben. Sowohl schriftlich als auch in Form von Seekarten.
Ein Jahr nach seinem Tod im Jahr 1460 wurde er hierher ins Kloster überführt. Die Statuen sind einst lebenden Personen nachempfunden. Jede hat einen Wahlspruch, nach denen sie gelebt und regiert haben soll. Der Wahlspruch Heinrich des Seefahrers lautet: "Talent de bien fere" (Die Gabe, es gut zu machen). Man findet ihn an seinem Sarkophag ...
Auch am und im Gebäude selbst finden sich Spuren Heinrichs: Einige Verzierungen an Fenstern und Durchgängen zeigen deutliche Spuren der Seefahrt, wie etwa nachgebildete Schiffsleinen und Ankerketten.
Ein Blick in den großen Innenhof des Klosters mit seinem Kreuzgang, den sogenannten Königlichen Kreuzgang: Derartige Gänge dienten natürlich auch dazu, den Mönchen kürzere Wege zwischen den Gebäuden zu ermöglichen.
Im Bereich, wo sich Nord- und Westteil dieses Kreuzganges berühren, findet sich ein Brunnen. Der ist noch heute in Betrieb und sein Wasser ist genießbar: Zeit für eine kurze Pause und eine kleine Erfrischung! Ursprünglich diente dieser schöne Brunnen den Mönchen für rituelle Waschungen während des Tages. Jetzt will ich natürlich aber noch wissen, weshalb ein Teil dieses Klosters bis heute nicht fertig wurde!
Gleich am Haupteingang war der Ruheort eines bekannten Baumeisters dieses Klosters im Boden zu finden, was mich zur Fantasie anregte, dass das Kloster vielleicht deshalb nicht fertig wurde. Doch es gab natürlich sehr viel mehr Baumeister im Laufe der Jahrhunderte.
Um den unvollendeten Teil des Klosters zu betreten, muss ich das Hauptgebäude erst wieder verlassen. Ein zweites Mal ist ein Eintritt zu bezahlen, vielleicht wird ja doch noch Geld zum Bauen gesammelt ..?
Bei diesem Anbau handelt es sich um ein achteckiges Gebäude ohne Dach: Darin finden sich acht Kapellen. Die Zugänge ins Zentrum mit der fehlenden Decke sind wieder reich verziert und ich kann erneut ganz nah an das Handwerk heran, um es zu bewundern.
Eigentlich sollte dieser Teil des Klosters eine Begräbnisstätte werden, doch König Duarte, der Sohn des Klostergründers, verstarb sehr früh. Das gleiche Schicksal erreilte auch seinen Baumeister. So erfolgte der erste Baustopp bereits im Jahre 1438. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es hier nur sieben Kapellen. Die achte Kapelle entstand dann erst unter König Manuel I., in einem Stil, der ihm persönlich sehr gefiel. Es macht richtig Spaß, die reichhaltigen Verzierungen dieser Zeit an dem großen Portal zu bewundern! Doch dann kam, noch unter demselben König, der bisher endgültige Baustopp. Irgendwie verspürte er wohl kein Bedürfnis mehr, sich später hier in seine Ahnen einzureihen. Er wollte Eigenes und so entschloss er sich zu einem eigenen Kloster in Lissabon. Und nahm natürlich dorthin auch alle Architekten, Baumeister und Handwerker dieses Klosters mit ...
Ich habe dafür volles Verständnis: Da ist eine junge Familie, die gern ihr eigenes Häuschen haben möchte. Vielleicht sogar mit etwas Grün für die Kinder drum herum? Sie möchte nicht länger im Haus der Vorfahren leben und sich darin am Ende dann auch noch selbst wiederfinden. So ein eigenes Häuschen mit der eigenen Familie zu verwirklichen – davon träumen viele Familien. Auch heute noch. So blieb das Haus seiner Ahnen also unvollendet ...
Entsprechend sieht es innerhalb des Bereiches ohne Dach aus: Schimmel und Moose geben sich richtig Mühe, Herr dieses handwerklichen Kunstwerkes zu werden! An den 600 Jahre alten Mauern nagt der Zahn der Zeit. Schon mit der Instandhaltung kommt man nicht mehr hinterher. Bis heute hat sich niemand gefunden, der diesen Teil des Klosters noch fertigstellen will. Auch die Finanzierung eines solchen Projektes ist heutzutage erheblich komplizierter geworden. Es gibt nur noch die Steuerzahler. Allerdings, die Handwerker, die HIER lernen und arbeiten, sind Weltklasse. Sie werden auch schon mal von anderen Ländern angefordert, wie etwa bei der Wiederherstellung der angebrannten französischen Notre Dame.
Draußen vor dem Südportal steht ein Reiterstandbild: Es ist Nuno Álvares Pereira. Das war der Mann, der einst die Schlacht gegen die Spanier für seinen König D. Joao I. gewonnen hatte. Es stammt aus dem Jahre 1961. Erst entstand das Kloster, dann bildete sich die Stadt Batalha um das Kloster herum. Und es gab schon wilde Familienverhältnisse. Das finde ich immer wieder auf meinen Reisen ...
© 2024 Jürgen Sattler