Wrackbesuch: Zwischen Rost und Gefahren (2)
Der "Wächter" wartet schon ...
Wir hatten es schon beim ersten Teil dieses Beitrages geschrieben: Das Wrack der American Star zu besuchen, also "richtig" an Bord zu gehen, ist nicht nur verboten, sondern auch gefährlich - lebensgefährlich. Und in der aktuellen Lage des Schiffs, so wie es sich im Sommer 2006 präsentierte, wäre es geradezu ein Wahnsinn gewesen, das Wrack erneut zu besteigen.
Und deshalb war es diesmal auch ganz anders, selbst wenn er wieder da war - "unser Mann" vor Ort, Dirk Evers, dessen Besuchsbericht wir bereits im ersten Teil dieses Beitrags brachten ...
Zwar war er diesmal nicht an Bord wie vor genau 3 Jahren im Juli 2003, aber doch in wieder beängstigender Nähe der alten Lady - und wie beim letzten Mal war es auch diesmal wieder ein recht unheimlicher Besuch. Denn diesmal traf er sogar auf einen äußerst unangenehmen "Wächter" des Schiffes ...
Und noch etwas stellte Dirk bei seinem jüngsten Besuch fest: Die American Star beginnt erneut damit, sich auf die letzten Tage noch einmal umzubenennen: Wieder zurück in AUSTRALIS ...
Hier sein wieder spannender Bericht und die sensationellen Fotos dazu:
"Nach meinem ersten Besuch im Jahr 2003 war ich nun mal wieder direkt vor Ort am Wrack der AMERICAN STAR. Der erste Anblick war erschreckend für mich, da durch die jetzige Schräglage und den Verlust einiger Aufbauten doch etwas an Faszination verloren gegangen ist.
Eigentlich hatte ich mir 2003 nach der Enterung und der mehrstündigen Besichtigung des Schiffwracks ja damals vorgenommen, dieses in 2 oder 3 Jahren noch einmal zu wiederholen. Der regelmäßige Besuch auf eurer Seite mit aktuellen Infos und Fotos haben mir aber schon vorab gezeigt, dass dieses wohl kaum noch möglich ist.
Von den nun wieder fälligen zwei Wochen auf Fuerteventura Ende Juli bis Anfang August 2006 waren wir insgesamt 5 Tage am Strand Garcey.
Und gleich am ersten Tag bin ich dann doch noch einmal rüber geschnorchelt, um wenigstens noch mal möglichst dicht dran zu sein. Es waren kaum Wellen vorhanden und es war Flut, was wichtig ist, um möglichst unbeschadet an das Wrack zu gelangen (siehe Unterwasserfotos von den Wrackteilen, die bei Ebbe und Wellen sehr gefährlich werden können).
Ich bin dann am Wrack entlang geschnorchelt und um den Bug herum. Hier war mir dann aber die Sicht zu gering, da kaum noch Sonneneinstrahlung vorhanden war und damit insgesamt zu dunkel für weitere Aktionen. Außerdem gab es auf der Seeseite große Wellen und eine noch gefährlichere Strömung als auf der Landseite (wie schon 2003 erwähnt: die Strömung ist mörderisch!!).
Ich bin noch einmal zur mittlerweile komplett zerrissenen Leiter geschwommen (die man durch die Schräglage auch bei Flut nicht mehr greifen kann, siehe Fotos). An der Bordwand hatte ich mir 2003 bei der Enterung ein paar Kratzer geholt. Diesmal bin ich beim Festhalten an der Bordwand zwar kratzerfrei geblieben, dafür gab es eine andere unangenehme Überraschung, die zu anderen Schmerzen und Wunden führte: Einen plötzlichen Schlag wie aus der Steckdose am rechten Unterarm! Ein elektrischer Schlag, aber woher sollte der kommen? Mein Arm war kurzzeitig bis zur Schulter gelähmt und alles brannte wie Feuer. Ein Blick mit der Taucherbrille an der Bordwand herunter folgte und ich sah eine sehr unschöne Qualle neben mir schwimmen!
Mein Arm schmerzte bis zur Schulter (Die Verbrennungen sind nach nun 3 Wochen immer noch da). Das war nun das Ende von meinem letzten Besuch "direkt am Schiff"! Sollte ich ein weiteres Mal Fuerte besuchen und dann natürlich auch die "Amstar", werde ich bestimmt nur noch vom Strand aus Fotos knipsen.
Ein drittes Mal wird wahrscheinlich auch mein Schutzengel keinen Bock mehr auf mich haben: Die aktuelle Anzahl an Menschen, die ihr Leben am oder auf dem Schiff verloren haben, beträgt zur Zeit 30! Auch das habe ich erst später erfahren und ist für mich Grund genug, es nie wieder zu riskieren. Es lohnt sich meiner Meinung auch nicht mehr: Eine Begehung ist nicht mehr machbar ...
Die restlichen Tage am Strand Garcey wurden immer windiger: Am letzten Tag waren die Wellen meterhoch. Das Deck der American Star wurde bis zur Hälfte überschwemmt. Wie schlimm muss es da erst bei den berüchtigten Herbst-Winterstürmen aussehen ..?
Wrackteile wurden am Strand immer wieder angeschwemmt. Meistens natürlich Holz, was jeden Morgen von den wieder anwesenden wilden Campern (alles Canarios) aufgesammelt wurde. Wenn es dann trocken ist, wird es für Lagerfeuer oder auch zum Grillen verwendet. Macht einen irgendwie traurig, aber was soll man sonst mit den ganzen Holzresten machen? Wer ein Stück Holzplanke oder Geländer als Andenken mitnehmen will, kann sein Glück versuchen (mit festem Schuhwerk - ich bin natürlich mit meinen tollen Sandalen direkt bei einer Steigung abgeschmiert. So habe ich dann wenigstens auch wieder ein paar Kratzer gehabt! ). Da liegt reichlich Holz herum, das eindeutig nicht von alten Euro-Holzpaletten stammt. Und auch eine Klobrille, vielleicht ja sogar "die Klobrille" lag da herum ...
Aktuell noch dieses: Von der Küste aus kann man bei Ebbe eine Leiter im Inneren des Wracks an der unten offenen Seite erkennen. Sieht so aus, als ob diese tatsächlich nachträglich angebracht wurde. Sie führt von der Wasseroberfläche nach oben in das Schiff. Sie ist bei Sonneneinstrahlung und mit einem guten Fernglas zu erkennen. Ebenfalls mit Fernglas zu erkennen sind jetzt auch die Buchstaben "AUS" von einem der damaligen Namen, der AUSTRALIS. Diese befinden sich vor dem Namen AMERICAN STAR. Die alte Lady wird sich vielleicht ja noch mal umbenennen? (Anm. der Red.: siehe dazu Nachtrag unten!).
Gruß an alle AMERICAN STAR Fans und besonders an Jürgen aus dem Explorer-Team, Dirk"
Lieber Dirk, vielen Dank für deinen wieder spannenden Bericht. Und noch etwas als Anmerkung dazu, das wir mit ihm geklärt haben:
Dirk hatte bei seinen Schnorchelaktionen auch die beiden Schrauben nicht vergessen, die einst auf dem Vordeck des Schiffs gelagert waren und über die wir berichteten. Während er allerdings die erst im April ´06 über Bord gegangene Schraube auf der Seeseite nicht besichtigen konnte aufgrund der Dunkelheit und der gefährlichen Brandung dort, war auch die andere Schraube, die bereits Mitte der neunziger Jahre bei einem vergeblichem Bergungsversuch von Einheimischen auf der Landseite verloren ging, nicht mehr zu finden.
Dies ist allerdings auch kein Wunder, da wir zum einen den genauen Absturzort dieses Teils nicht kennen, und sich zum anderen nicht nur der Meeresgrund an dieser Stelle aufgrund der Strömungsverhältnisse sehr geändert haben dürfte. Auch wird sich das Schiff mittlerweile auf diese Stelle geschoben haben, sofern die Schraube direkt neben der Bordwand ins Meer gefallen sein sollte.
Nun, wie dem auch sei, der Zahn der Zeit hat´s gerichtet ...
Nachtrag, November ´06: Rückkehr der AUSTRALIS ..?
Wie uns Bildausschnitte von Fotos von Rolf Weigert ebenfalls aus dem August ´06 zeigen, hat Dirk Recht: Es sind allerdings bereits 4 Buchstaben der alten SS AUSTRALIS, die mittlerweile schemenhaft sichtbar sind vor dem später aufgepinselten Namen American Star. Schauen wir mal, wie diese Entwicklung weiter geht - allerdings wird vermutlich der weitere Zusammenbruch des Wracks und die zunehmende Korrosion in der Schräglage verhindern, dass sich die gute alte Australis eines Tages in voller Länge wieder zeigt ...
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und Besuchsgeschichte: Dirk Evers †; Bild Schraube:
NDR-Filmbericht 1999