Wrackbesuch: Zwischen Rost und Gefahren (1)

Besucher an Bord der American Star ...


Wir wissen es: Das Wrack der American Star zu besuchen, also "richtig" an Bord zu gehen, ist nicht nur verboten, sondern auch gefährlich. Wie berichtet haben schon mehrere dieser Besucher den Versuch, das so nah scheinende und doch so ferne Wrack zu entern, mit ihrem Leben bezahlt.

Kein Kapitän auf der Brücke ..?Klar, dass so mancher Besucher - ganz genau wie der Verfasser dieses Beitrags - gern einmal an Bord sein würde: Die Faszination des Wracks und seiner teilweise grotesk verdrehten Stahl- und Rostgebilde an Bord ist ungebrochen.

Insofern wollen wir also niemanden ermutigen, auch wenn wir an dieser Stelle nun diejenigen berichten lassen, die bereits "richtig" da waren: An Deck und tiefer - inmitten all dieser Ansammlung von Rost und Gefahren ...


In unserem 15. Nachtrag vom November ´05 zum ersten Teil unseres Berichtes kam bereits schon einmal ein Besucher des Wracks zu Wort: Ingo Turtenwald aus Berlin schilderte seinerzeit, was er im Jahr 2002/2003 an Bord der American Star vorfand.

Hier nochmals sein damaliger Kurzbericht: 

"... Ich glaube, ich habe (die Bilder) im Sommer 2002 gemacht (vielleicht auch 2003, aber nicht später). Bin damals mit einem Surfboard rübergepaddelt. Die Leiter an der Bugwand war gut zu erreichen und soweit intakt. Der Weg hoch ist sehr schön. Der abblätternde Lack, der Rost, ... habe das noch gut in Erinnerung. Auch den Ausblick. 

Auf Deck muss man sich gut festhalten. Durch den Salzfilm ist es glatt wie Schmierseife und das Schiff steht schräg genug, dass man leicht backbord abrutschen kann. In den Gängen liegt allerlei Gelumpe; musste ein wenig rum steigen. Vorn im Bug ist eine Luke oder etwas in der Art. Man sieht von ihr den Ozean in den Rumpf spülen.

Das Surfboard habe ich mit seiner Leash am unteren Ende der Leiter festgebunden. Es hing dann halb, halb schwamm es. Die Leiter war auch damals nur mit Hilfe eines zusätzlichen Seils zu erreichen. Es fehlten wohl 1 bis 1,5 Meter. Man konnte sich dann aber problemlos hochziehen ...

Am Bug -  weiter geht´s nicht mehr ... Blick auf´s Deck und Bazooka-Loch im Schornstein ...

Zurück ging es auch ohne Zwischenfälle. Ich habe nur sehr darauf achtgegeben, rasch Abstand vom Schiff zu gewinnen. Schien mir teilweise eine starke Längsströmung zu herrschen dort und man kriegt einigermaßen Respekt. Überhaupt ist doch alles leichter geschrieben als getan und ich möchte das natürlich nicht als Anleitung missverstanden wissen. Man begibt sich schon in Lebensgefahr und vielleicht neigt mancher auch dazu, von der Ferne des Strandes die enorme Größe des Wracks zu unterschätzen ..."

Freundliche Grüße, 
Ingo Turtenwald


Ein weiterer, sehr viel ausführlicherer Bericht erreichte uns mittlerweile auch von Dirk Evers, der das Wrack im Jahr 2003 enterte und das nach eigenem Bekunden gern noch einmal wiederholen würde: Zu sehr hat ihn das Schiff in seinen Bann gezogen, als dass er sich ernsthaft von einem weiteren Versuch selbst in der heutigen Lage abhalten lassen würde ...   

Auch seinen spannenden Bericht und die beeindruckenden Bilder wollen wir unseren Lesern nicht vorenthalten:

"Juli 2003, Urlaub auf Fuerte. Und dann dort: Zwei Tage die American Star bewundert ...

1. Tag:

Nun kein Weg mehr zurück: Vor der Leiter ...Mit dem Kleinwagen die holprige Piste zur Westküste und beim ersten Blick auf das Wrack war ich sofort fasziniert vom Anblick der American Star: Nach einigen Minuten Staunen war mir klar: DA MUSST DU RAUF! 

Meine Freundin hat mich für bekloppt erklärt und auch gleich erzählt, dass das schon einige versucht und nicht überlebt haben (8 Tote - keine Ahnung, ob das wirklich stimmt ..?).

Egal ... Es war gerade Flut und die angeschweißte Leiter war erreichbar (sah zumindest so aus vom Strand). Also Taucherflossen an und rüber an das Schiff: Die Strömung war mörderisch, ich musste mehrfach die Richtung wechseln. Endlich war ich in der Nähe der Leiter, doch das Ding war normal nicht greifbar. Eine hohe Welle hat mich dann angehoben, so das ich die Leiter fassen konnte. Das war es dann aber auch! Die Wellen wurden immer stärker, die Flossen konnte ich nicht verstauen, aber auch nicht anbehalten zum Klettern und ohne Schutz an den Füßen war nicht wirklich was machbar ... 

Verletzungen am ersten Tag: Diverse Schürfwunden an den Armen, verursacht durch die Leiter und Bordwand ...

2. Tag:

Ich traf einen Gleichgesinnten am Strand, der genauso "bekloppt" war wie ich: Er hatte mich schon beim ersten Versuch beobachtet mit einem Fernglas. Wir waren uns schnell einig: DA MÜSSEN WIR RAUF!

Er war ein sehr guter Schwimmer. Ich war wieder mit meinen Flossen unterwegs und diesmal auch mit Schuhen und Fotoapparat im Rucksack. Am Wrack fast wieder die gleiche Aktion: Warten auf die richtig große Welle und nach der Leiter greifen. Wieder trug ich diverse Schürfwunden davon und eine Schnittwunde am linken Arm. Viel Blut, sieht aber in Verbindung mit Wasser oft noch dramatischer aus als es ist. Egal ... ich war auf der Leiter! 

Die Flossen waren schnell ausgezogen, in den Rucksack gepackt und die Sandalen angezogen. Mit dem Kollegen ging es dann besser, weil ich ihn durch eine hohe Welle packen und auch gleich auf die Leiter ziehen konnte ...

Ich kann ganz klar behaupten: An die Leiter zu kommen war das schwierigste an der ganzen Sache. Die Leiter war im Jahr 2003 noch in einem gutem Zustand: Zwar stark verrostet, aber massive Stahlträger. Dass die Leiter hoch ist, war soweit kein Problem gewesen, aber Höhenangst darf man auf keinen Fall haben!

Im Speisesaal der Ersten Klasse ...Auf der American Star waren wir dann ca. 3 Stunden und haben uns so ziemlich alles angesehen, was man noch erreichen konnte: Die Holzplanken waren zur Küstenseite soweit noch in Ordnung. Auf der Seeseite wurde es allerdings manchmal schon sehr unheimlich und man musste genau hinschauen, wo man hin trat. Überall morsches Holz und alles war stark verrostet. Das "Heck" war in einem erschreckenden Zustand: Dicke gerissene Stahlplatten und große gebrochene Stahlträger - ein unglaublicher Anblick ...

Überall befand sich Schrott auf dem Deck: Viele Sachen waren bereits demontiert worden. Haufenweise lagen Kupferkabel da noch herum. Im Inneren des Schiffes war es auch nicht anders: Alles voller Schrott. Am Tresen an der Bar habe ich vergeblich auf einen Drink gewartet und auch am noch vorhandenen Klavier (leider zerstört) hat keiner mehr gespielt (Anm. der Red.: Zu den Bildern des Speisesaals der Ersten Klasse - links - und des Ballsaals - unten - siehe im Vergleich auch die Bilder in unserem Historien-Beitrag SS AMERICA von Bill Lee!).

Die teilweise noch vorhandenen Toiletten wurden vermutlich auch nach der Strandung des Schiffes noch gelegentlich benutzt ... (würg ). 

Ich habe aber trotzdem kein noch betretbares Zimmer ausgelassen: Ich wollte alles sehen. In den unteren Decks wurde es dann immer dunkler und viele Geräusche waren unheimlich - Wind, Wellen und Tauben haben dafür gesorgt. Ohne Taschenlampe war dann ganz unten nichts mehr möglich.

Nach vielen Fotos und zwei gefundenen Kabinenschlüsseln war dann Schluss mit der Besichtigungstour: Es ging wieder die Leiter runter und zurück an den Strand - glücklicherweise kein Problem.

Am Strand angekommen war für mich aber sofort wieder klar: DA MUSST DU IN 3 ODER 4 JAHREN NOCH MAL RAUF! Schade, aber das ist wohl jetzt kaum noch möglich (oder vielleicht doch?). Ich hoffe, Sie wird noch sehr lange wenigstens ein bisschen als großes Schiff erkennbar bleiben. 

Nach dieser Erfahrung möchte ich noch sagen: Ein für mich unvergessliches kleines Abenteuer, aber das alles war wirklich nicht ganz ungefährlich und hätte in einigen Situationen auch sehr böse ausgehen können ..."

Hurra - Geschafft ..! Ein erster Blick zum Strand ... Noch ein Weg zum Heck ..? Oder doch lieber hier lang ..?
Überall Schrott: Vor dem demontierten vorderen "Dummy"-Schornstein (siehe Bericht von Bill Lee) Im Jahr 2003 noch intakt: Brückendeck zur Seeseite ... Auch noch Seeseite: Rost extrem ... Ein Blick zum Bug ...
... und noch einer ... Kapitän von Bord: Niemand auf der Brücke ... Starker Wind: Besucher unwillkommen ..? Werden am Strand schon die ersten aufmerksam?
Bullaugen unter der Brücke ... Sam ist nicht mehr da - sein Klavier schon noch ... Ein letzter Tanz im Ballsaal ..? Kreuzfahrtfeeling auf dem Luxusliner ...

Auf Nachfrage gab uns Dirk noch einige weitere Erläuterungen: 

"... Die Kameras habe ich erst am 2. Tag dabei gehabt, als klar war das ich da rauf muss (egal wie!). Die Dinger habe ich mir noch schnell in einem Fotoladen gekauft. Es handelte sich dabei um billige wasserdichte Einwegkameras. Da sieht man ja leider auch an der Qualität der Bilder. Ich habe noch diverse Fotos von den Innenräumen, die aber durch den bescheidenen Blitz sehr dunkel sind. ...

Kabinenschlüssel: Ein Andenken für´s Leben ...Beobachtet haben uns am Strand auf jeden Fall unsere Freundinnen. Die hatten glaube ich mehr Angst als wir. Als ich vorne am Bug stand (in Titanic-Pose), habe ich noch eine Gruppe von Leuten gesehen, die auf mich mit dem Finger zeigten. Ich gehe mal davon aus, dass einige Leute uns beobachtet haben (fast 4 Stunden auf und in der Amstar bleiben wohl nicht unbemerkt). 

Als wir später wieder am Strand waren, kam auch noch die Polizei an den Strand gefahren und schaute zum Schiff (?). Gut möglich, dass uns da einer bei der Polente gemeldet hat. Wir haben uns dann lieber etwas entfernt vom Strand.

Die gleichförmigen Gebilde am Strand sind Wohnwagen und Vorzelte von  "wilden" Campern gewesen. Der Kollege, mit dem ich auf dem Schiff war, hatte ein Gespräch mit einem. Der hat dann erzählt, dass das Campen hier eigentlich nicht erlaubt wäre, aber da alle von den Kanaren stammten, ist das wohl kein Problem ...

Ach ja, eins noch: Ich habe meinen Namen auf den Mast zur Seeseite eingeritzt. Wenn die American Star wirklich irgend wann mal verschwinden sollte, dann geht auch etwas von mir mit unter. Das will ich aber nicht. Und deshalb bleibt Sie uns bestimmt noch viele Jahre erhalten.

Also, macht´s gut. Und bleibt am Ball bzw. an der Amstar mit vielen neuen Infos und Bildern."

Viele Grüße, Dirk


1. Nachtrag, April ´06: Geisterhaftes an Bord ..?

Mittlerweile haben wir ja auch eine echte "Gespenstergeschichte" rund um die American Star in unserer Sammlung - dank Bill Lee eine weitere willkommene Bereicherung der Legenden rund um das berühmte Wrack!

Doch wie haben das Besucher an Bord tatsächlich erlebt? Konfrontiert mit Bill´s Geistergeschichte teilte uns Dirk Evers, der Autor des obigen Besuchsberichts auch noch seine diesbezüglichen Erlebnisse mit ...

Geisterhaftes an Bord ..?Ja, ist sehr mystisch geschrieben die Story von Bill. Die Geräusche an Bord der AmStar konnte ich gut nachempfinden. Wie auch schon beschrieben, waren besonders in den dunkleren Ecken des Wracks die unterschiedlichen Geräusche sehr unheimlich. Wellen, Wind und lose Gegenstände haben für diesen "Kick" gesorgt. Möwen oder sonstige Meeresvogelarten habe ich allerdings keine gesehen. Da waren nur kackende Tauben an Bord. Aber Möwen hört sich natürlich in einer "Gespenstergeschichte" auf einem Schiffswrack besser an. 

Einen "Geist" habe ich kurzfristig übrigens auch gesehen! Der Kollege, mit dem ich an Bord war, hatte sich kurz von mir entfernt (obwohl wir eigentlich immer dicht zusammen geblieben sind). Ich bin dann ein Stück zurück gegangen, um zu schauen wo er ist, als er plötzlich hinter mir stand und kurz und bündig "hier bin ich" sagte. Ich habe mich total erschrocken und hätte mit fast in die Hose ge ......  


2. Nachtrag, August ´06: Und wieder vor Ort ...

Und wieder war er da, "unser Mann" vor Ort, Dirk Evers.

Zwar war er diesmal nicht an Bord wie vor genau 3 Jahren, aber doch in wieder beängstigender Nähe der alten Lady - und auch diesmal war es wieder ein recht unheimlicher Besuch. Mehr dazu unter


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© Bilder von Bord und Stories: Ingo Turtenwald, Dirk Evers †