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American Star
Dies ist die Geschichte eines berühmten Ozeandampfers - eines klassischen "Dampfschiffs", das drei verschiedene, sehr unterschiedliche und in hohem Maße bemerkenswerte Karrieren absolvieren konnte, die insgesamt fast vier Jahrzehnte überdauerten. Entworfen und gebaut noch vor Mitte des 20. Jahrhunderts für das Passagiergeschäft auf dem Nordatlantik, war ihr ursprünglicher Name SS AMERICA. Während des Zweiten Weltkriegs diente sie ihrer Nation und ihrem Namensvetter als USS WEST POINT. Als das Flugzeug schließlich die Ozeanriesen als wichtigstes Verkehrsmittel im Transatlantikverkehr verdrängte, trat sie ihre zweite Karriere unter neuem Namen an - als SS AUSTRALIS.
Gegen Ende ihrer produktiven Jahre war sie weniger erfolgreich und verkümmerte später schließlich jahrelang vor Anker in Griechenland unter einer Reihe neuer Namen, die man heute vergessen kann.
Zuletzt wieder optimistisch umbenannt in SS AMERICAN STAR, sollte sie nochmals eine neue und damit ihre dritte Karriere antreten als Hotelschiff in Thailand - doch bevor es dazu kommen konnte, lief sie im Jahre 1994 auf Grund vor den Kanarischen Inseln ...
Als sie zum ersten Mal in Dienst gestellt wurde, war die AMERICA wie eine Art Auferstehungsfeier: Nämlich das Wiederauftauchen ihrer namensgebenden Nation aus den Tiefen der Großen Depression.
Dieses Schiff war Amerikas erster Vorstoß in den Bereich der großen Ozeandampfer. Es war zwar weder der größte noch der schnellste Dampfer, auch war es nicht ausgestattet im europäisch beeinflussten großartigen Stil dieser Zeit. Stattdessen repräsentierte es aber mit seiner Innenausstattung ein modernes zeitgenössisches amerikanisches Design, das sich in Anmut, Charme und Wärme darstellte und das die Passagiere immer und immer wieder zurückkommen ließ.
Entworfen und mit großem Aufwand auch widerstandsfähig genug gebaut für das Wetter im Nordatlantik, verzögerte sich ihr Eintritt in das Geschäft der Seefahrt um einige Jahre.
Ihr festlicher Stapellauf am 31. August 1939 (siehe Bild rechts; für ausführliche zusätzliche Infos auf die Bilder klicken) - mit Taufe durch die First Lady Eleanor Roosevelt im Beisein von über 30.000 Zuschauern - wurde schließlich erheblich dadurch überschattet, dass direkt am folgenden Tag der Zweite Weltkrieg begann.
Aber die AMERICA war bereits für einen solchen Einsatz vorbereitet, da die "United States Maritime Commission" ihren Bau unterstützt hatte und bei ihrem Entwurf bereits ganz bestimmte militärische Aspekte unauffällig berücksichtigt worden waren.
Diese wurden im Vertrag als "Verteidigungsmerkmale" bezeichnet und bestanden vor allem aus Verstärkungen der Decks an den Stellen, an denen in Kriegszeiten Luftabwehrgeschütze installiert werden sollten. Etliche der auf Sicherheit ausgerichteten Eigenschaften (z.B. starke Unterteilung des Rumpfes, ausgefeilte Brandschutzsysteme, mehrfach vorhandene mechanische und elektrische Systeme) erwiesen sich später als vorteilhaft, als sie als Truppentransporter eingesetzt wurde.
Als es schließlich im Sommer 1940 fertig gestellt war, unternahm das mit Sternen übersäte Schiff eine Reihe von Kreuzfahrten durch die Karibik; es machte dabei tapfer auf seine Neutralität aufmerksam durch gewaltige amerikanische Flaggen und seinen Namen - und auch den Namen des Eigners auf beiden Seiten des glitzernden schwarzen Rumpfes ...
Oberhalb des Rumpfes schlossen sich mehrere Decks in leuchtendem Weiß an, überragt von zwei hohen, stromlinienförmigen und einzigartig gestreiften Schornsteinen in Rot, Weiß und Blau. Die Sampan-Schlote genannten Konstruktionen waren nach den Testfahrten auf See - ohne dass es irgendwo erwähnt worden wäre - als krönender Abschluss oben noch eilig um rund viereinhalb Meter erhöht worden, um die Probleme mit der Russablagerung auf den offenen Passagierdecks zu vermindern. Für viele verbesserte diese Änderung noch das Aussehen - ließ es damit doch auch ein leistungsfähiges und viel versprechendes Schiff erkennen.
Weniger leicht erkennbar war dagegen die Tatsache, dass der vordere Schornstein der AMERICA nur eine Imitation war. In der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts wurde die Vielzahl von Schornsteinen auch als Symbol für ein mächtiges Schiff angesehen. Andere Schiffe dieser Ära hatten ebenfalls Schornstein-Imitationen.
Die AMERICA war ursprünglich mit zwei Schornsteinen entworfen worden: Einem funktionsfähigen Schornstein sowie einem weiteren, der als Attrappe lediglich den Eindruck der Stärke zu vermitteln hatte und zu einer Ausgewogenheit in der Gesamterscheinung des Schiffes beitragen sollte. Da er nicht als echter Schornstein fungieren sollte, stellte die vordere Attrappe nutzbaren Platz zur Verfügung, um dort den Diesel-Notstromgenerator des Schiffes und die Akkumulatorbatterien unterzubringen.
"Entworfen von Amerikanern ... gebaut von erfahrenen Amerikanern mit Materialien aus praktisch jedem US-Bundesstaat ... gestaltet und ausgestattet durch führende amerikanische Künstler und Handwerker - die AMERICA könnte kaum ein mehr "amerikanischeres" Schiff sein oder besser ausgestattet, um für Sie auf See die gleichen hohen amerikanischen Standards luxuriösen Komforts und der Leistungsfähigkeit bereit zu stellen, die Sie an Land genießen. Und sobald Sie an Bord sind, wird Sie dieses großartige Schiff nicht enttäuschen, ungeachtet dessen, wie hoch Ihre Begeisterung auch angestiegen sein mag. Sie ist das beste Beispiel moderner Schiffsbaukunst." (Aus einer Broschüre der United States Lines, circa 1940).
Innerhalb von weniger als einem Jahr wurde die AMERICA zum Militärdienst eingezogen. Sie kehrte im Juni 1941in ihre Ursprungswerft zurück und gerade mal elf Tage später war sie bereits im Dienst als Schiff der US Marine. Zu Ehren der Militärakademie des Landes und in Anbetracht ihrer Bestimmung als Truppentransporter in USS WESTPOINT umbenannt, wurde sie schließlich dafür eingesetzt, mehr als 8.000 Soldaten pro Fahrt zu transportieren. Im Jahr 1942 erhielt sie einen Tarnanstrich, der ihre ursprüngliche graue Farbe ersetzte und ihre ursprüngliche Flugabwehrbewaffnung wurde erheblich erweitert.
Die Oberseite ihrer vorderen Schornstein-Imitation diente auf bewundernswerte Art und Weise - obwohl eigentlich von ihren Konstrukteuren unbeabsichtigt - zur Geschützsteuerung und als Ausguck. Im Wesentlichen wie ein stählerner Schützengraben gestaltet, war sie höher als das "Krähennest", stellte einen ausgezeichneten Platz dar für die Zielsteuerung der Geschütze und bot von dort aus einen uneingeschränkten Ausblick über das ganze Schiff.
Liebevoll von ihrer 785-köpfigen Navy-Besatzung als "The Grey Ghost" ("Der Graue Geist") bezeichnet, dampfte sie insgesamt 436.144 Seemeilen und beförderte über eine halbe Million Menschen zu und von den Schlachtfeldern rund um die Welt - und das ohne den Verlust auch nur eines einzigen Soldaten im Rahmen einer kriegerischen Handlung! Die WEST POINT machte ihre Überfahrten häufig ohne Begleitschutz und lief dabei so schnell auf ihrem Zickzack-Kurs, dass feindliche U-Boote sie nicht angreifen konnten und sich sogar ihre eigenen Begleitschiffe schwer taten, mitzuhalten ...
Sie wurde nur knapp verfehlt bei einem Bombenangriff bei Singapur Anfang 1942. Die WEST POINT verließ in aller Eile diesen Hafen mit über tausend britischen Zivilisten an Bord und kurz danach wurde die Geburt eines Jungen auf hoher See gefeiert - und das genau am Äquator.
Indem er sich zumeist nachts in und aus den Häfen rund um die Welt bewegte, transportierte "Der Graue Geist" Truppen vieler verbündeter Nationen, darüber hinaus Zivilpersonal der United Service Organization (USO) und des Roten Kreuzes, Armeekrankenschwester und Mitglieder des Women´s Army Corps (WACs).
Bei ihren Rückfahrten in die Vereinigten Staaten hatte das Schiff häufig sowohl verletzte alliierte als auch feindliche gefangene Soldaten auf seinen Passagierlisten. Und natürlich siegreiche Soldaten - wie auch eine ganze Reihe von Kriegbräuten - am Ende der Feindseligkeiten ...
Während des Krieges verkündete der Feind insgesamt sieben Mal, dass er sie versenkt hätte. Aber am dichtesten war sie daran, als ein Torpedo an ihrem Bug vorbei lief, während sie Rio de Janeiro verließ und dieser sie nur um einige Meter verfehlte (eine Entfernung, die bei jeder Erzählung anlässlich von Treffen der WEST POINT Mannschaft geringer wird ).
Während sie 15 Überfahrten auf dem Pazifik und 41 auf dem Atlantik absolvierte, hatte die Mannschaft häufig schwerwiegende Wartungsarbeiten und Reparaturen durchzuführen, Aufgaben also, die normalerweise nur im Hafen erledigt werden. Und - diese Anerkennung gilt der Mannschaft und ihren Erbauern - sie erlitt keinen einzigen Totalausfall während dieser gesamten Zeit, in der sie anstrengende Aufgaben zu erfüllen hatte.
Im Februar 1946 kehrte die WEST POINT an ihren "Geburtsort" zurück und wurde außer Dienst gestellt. Die Handwerker der Werft Newport News führten eine Multi-Millionen Dollar Restaurierung an ihr durch, die ihrer Doppelrolle in Friedenszeiten als "Königin der amerikanischen Handelsmarine" und gleichzeitig Flaggschiff der United States Lines gebührte.
Im November 1946 verließ sie die Werft. Einige Verbesserungen waren erfolgt - so hatte sie nun z.B. Radar im Rahmen ihrer Navigationsausrüstung erhalten oder eine Erweiterung der Kapazitäten bei der Wasserfilterung. Jedoch wäre jeder Vorkriegspassagier sehr in Bedrängnis geraten, wenn er irgend etwas hätte finden sollen, was in den allgemein zugänglichen Bereichen oder in den Kabinen vollkommen anders gewesen wäre.
Die United States Lines scheuten keinen Aufwand beim Austausch von Möbeln, Teppichen und Dekorationen, um die genaue Übereinstimmung mit den ursprünglichen Vorgaben sicher zu stellen. Die Werft Newport News stellte auf wunderbare Weise ihre Schönheit der Vorkriegszeit wieder her. Pierre Bourdelle restaurierte akribisch genau die Wandzeichnungen im Speisesaal der Ersten Klasse entsprechend dem ursprünglichen Zustand. Die 26 lackierten Linoleumverkleidungen, die diesen majestätischen Raum ausmachten, waren seine krönende Leistung als Künstler.
Der einzige nennenswerte äußerliche Unterschied von 1946 war zum einen die Entfernung ihrer "Neutralitäts-Kennzeichnungen", die zu Friedenszeiten nicht mehr benötigt wurden, und zum anderen die zusätzlichen zwei kleinen Radarantennen an ihrem Vormast. Nach einer ganzen Reihe von Tests auf See erklärte ihr Kapitän schließlich: "Sie wurde im Krieg geprüft und getestet, und sie ist besser denn je."
Nachdem sie Ende 1946 majestätisch in ihren Heimathafen in New York eingelaufen war, machte die AMERICA - endlich - ihre Jungfernfahrt nach Europa. Und von da an begannen ihre Ruhmesjahre.
Nachdem sich die Begeisterung über ihre Jungfernfahrt wieder gelegt hatte, nahm die AMERICA ein Programm von Transatlantik-Überfahrten auf, wobei sie 15-18 Rundfahrten pro Jahr durchführte. Ihre europäischen Hafenbesuche führten sie häufig nach Bremerhaven. Sie war der Liebling vieler Reisender, die das alte Sprichwort "Die Reise allein ist bereits das halbe Vergnügen" - besonders dem Komfort und dem Stil zuschrieben, die die SS AMERICA ausmachten.
Als sie ihren Dienst bei der United States Line schließlich 1964 beendete, hatte sie 288 Atlantiküberquerungen hinter sich, 2,8 Millionen Seemeilen zurückgelegt und über 500.000 Passagiere in Friedenszeiten zu ihren Bestimmungsorten transportiert. Sie war auch der Geburtsort von zwei weiteren Kindern: 1951 wurde ein Mädchen geboren und 1954 ein Junge, beide standesgemäß mitten auf hoher See.
Jedes Jahr war sie dabei an ihren "Geburtsort" zurückgekommen für laufende Wartungsarbeiten, die so genannten "voyage repairs". Jede Ankunft und Abfahrt von ihr erfolgte im Beisein von Hunderten von Zuschauern, die sich auf einer nahen Uferpassage versammelten, um sie ausfahren zu sehen - während sie große Dampfwolken ausstieß und man ihren Bariton hören konnte - aus den doppelten Dampfsirenen, die hoch oben und innerhalb ihrer rot-weiß-blauen Schlote montiert waren.
Zwischen 1946 und 1964 änderten sich die Dinge erheblich. Im Jahre 1952 erhielt das Schiff Verstärkung - durch die berühmte SS UNITED STATES. Eine Zeit lang florierte das Geschäft mit beiden Schiffen und es wurde ein wöchentlicher Verbindungsdienst zwischen den Vereinigten Staaten und Europa betrieben. Aber die späten Fünfzigern sowie der Anfang der sechziger Jahre brachten zwei beunruhigende Veränderungen mit sich: Auf der einen Seite zunehmende, Kosten treibende und Unterbrechungen bedingende Forderungen der maritimen Gewerkschaften, auf der anderen Seite die Aufnahme des Transatlantikverkehrs durch Passagierjets.
Die Reise über den Atlantik war nun schließlich nur noch zweckdienlich und die AMERICA wurde letztlich entbehrlich ...
Mittlerweile wurden ihre jährlichen Verluste auf Millionen von Dollars beziffert. Die Zahl der Passagiere sank und die United States Line nahm wieder Kreuzfahrten in die Karibik auf bei dem Versuch, sie wieder rentabel zu machen. Im Jahr 1960 wurden die drei Klassen im Passagierservice auf zwei verringert und die dritte Klasse vollständig abgeschafft.
Schließlich wurde sie im Jahre 1964 an die Chandris Lines verkauft, die Verträge mit der britischen Regierung hatte, um im Emigranten Service von England nach Australien und Neuseeland eingesetzt zu werden. Ironie der Geschichte: Als sie verkauft wurde, war die AMERICA an ihrem "Geburtsort" in Virginia vertäut - sie lag dort wieder einmal im Rahmen ihrer jährlichen Wartungsarbeiten. Sie teilte sich einen Pier mit einem fast fertigen, gigantischen Flugzeugträger - der USS AMERICA ...
An einem besonders trostlosen Tag im November 1964 wurde die Stars and Stripes-Flagge an ihrem Hauptmast eingeholt und ersetzt durch die griechische Nationalflagge. Der einzige Unterschied, der für die Schar der wenigen Getreuen sichtbar war, als sie die Werft von Newsport News verließ - was das letzte Mal gewesen sein sollte - war ein tatsächlich trauriger Anblick: Ihre berühmten und vertrauten rot-weiß-blauen Schornsteine waren in düsterer Art und Weise mit dunkelblauer Farbe und schwarzen Kappen bedeckt ...
Und auf diese Art und Weise lief sie aus, die soeben umbenannte SS AUSTRALIS - oder wie sie auch genannt wurde - "The Australian Maiden". (Anm. der Red.: In manchen Unterlagen wie z.B. der Bordzeitung wurde sie auch als The Australian Lady bezeichnet.) Nachdem sie von der Chandris Line gekauft worden war, stellte sie das größte Fahrgastschiff von deren Flotte dar - und tatsächlich auch in jeder anderen irgend wie als Griechisch gekennzeichneten Flotte.
Bevor sie wieder in Dienst gestellt wurde, nahm man an ihr erhebliche Veränderungen in der Chandris Werft von Piräus vor: Ihre Passagierkapazität wurde mehr als verdoppelt und auf 2.300 erhöht. Ihre Aufbauten wurden achtern erweitert und ein außen liegender Swimmingpool wurde weiter achtern angebracht, darüber hinaus wurde sie vollständig klimatisiert.
Ihre ursprüngliche '"all-american" Ausstattung blieb dagegen im Wesentlichen erhalten. Sie wurde das größte "Ein-Klassen" Fahrgastschiff der Welt. Treffend als "Australian Maiden" bezeichnet, machte sie sich auf eine Fahrt, die sich als die erste von insgesamt 62 Kreuzfahrten rund um die Welt zwischen 1965 und 1977 erweisen sollte; der Geist dieser durch Einwanderer gekennzeichneten Nation spiegelte sich wider in Tausenden von Menschen, die ein neues Leben in der neuen Welt "down under" suchten.
In der Regel lief die AUSTRALIS alle drei Monate von Southampton zu den Häfen Australiens und Neuseelands aus. Im Rahmen eines wertvollen und stark subventionierten Vertrags zum Transport von Migranten mussten ihre Passagiere zum Teil nur 10 Pfund pro Person für ihr Abenteuer zahlen - im Wesentlichen eine sorgenfreie Kreuzfahrt um mehr als die halbe Welt. Zu derart attraktiven Konditionen fuhr sie zumeist mit voller Kapazitätsauslastung, mit ganzen Familien, die sich 4- und 6-Bettkabinen auf den Unterdecks teilten.
In politisch ruhigen Zeiten waren bei Reisen Richtung Australien zahlreiche Stopps im Mittelmeerraum üblich, gekrönt von einer Passage durch den Suezkanal. In Zeiten internationaler Verwicklungen und ggf. geschlossenem Suezkanal pflegte die AUSTRALIS um das Kap der guten Hoffnung vom Atlantik in den indischen Ozean zu fahren, wobei sie häufig in exotischen Häfen entlang der Strecke festmachte ...
Nach einer gewissen Zeit wurde der Hauptmast der AUSTRALIS entfernt und ersetzt durch einen etwas linkisch wirkenden Stummelmast, der an ihrem hinteren Schornstein befestigt war. Später wurde schließlich noch eine "Ofenrohr"artige Verlängerung auf der Spitze des hinteren Schornsteins angebracht, um zu verhindern, dass sich ölige Partikel aus den Dampfkesselabgasen im Pool draußen ablagerten.
Ihr Rumpf, der zuerst weiß angestrichen war, wurde später mit einem Taubengrau versehen, um ihre ursprünglich schwarze Farbe abzudecken, die nach wie vor störrisch durchschlug.
Nachdem es seine erwartungsvollen Passagiere in den verschiedenen Häfen der "neuen Welt" hatte von Bord gehen lassen, nahm das Schiff gewöhnlich Gelegenheitspassagiere mit zurück über den Pazifik (darunter auch manchmal Leute, die das Heimweh nach England zurückkehren ließ) - dies alles auf den Spuren der einstigen Kriegsrouten. Die Rückfahrten beinhalteten aufregende Durchquerungen des Panamakanals und gelegentliche Besuche von Port Everglades, Florida. An dieser Stelle fand auch das bemerkenswerte Treffen der Kriegsbesatzung an Bord "ihres" Schiffes im Jahr 1975 statt, bei dem man den Angehörigen gerne zeigte, wo einst die eigene Koje war und wo man gegessen und Wache gestanden hatte.
Unter den Decks schien die Zeit still zu stehen - festgeschrieben durch etwas, das sich vermutlich dann als die weltgrößte Sammlung "amerikanischer Moderne" der Vorkriegszeit in Sachen Kunst und Ausstattung entwickelte.
Die Deckengestaltung der Cocktail Lounge blieb unberührt - verziert mit lebhaften Karikaturen, die direkt aus dem Magazin New Yorker zu stammen schienen - stellten sie das Leben auf See in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts dar.
Der ursprüngliche große Ballsaal des Schiffes wurde zwar vergrößert, behielt aber dennoch seine ursprüngliche Atmosphäre; er wurde in Werbeschriften der Vorkriegszeit beschrieben als die "dramatischste, prächtigste und funkelndste Räumlichkeit von allen" auf dem Schiff. Ein Wandgemälde mit einer prächtigen "Zirkusszene" beherrschte das vordere Schott des Raumes hinter der Showbühne und fügte genau die richtige Note von Festlichkeit und auch ein wenig Frivolität hinzu.
Im Jahr 1970 brach auf der AUSTRALIS ein größeres Feuer aus, das im Bereich der Passagierkombüse begann, während das Schiff auf der Überfahrt von Auckland nach Nuva war (siehe hierzu auch den Bericht einer damaligen Passagierin im 2. Nachtrag zur "Wracksuche"). Nachdem das Feuer gelöscht worden war, schlug sich das Schiff zu den Fidji-Inseln durch, wo provisorische Reparaturen erfolgten und Passagiere von Bord gehen konnten.
Obwohl wieder vollständig repariert, verlor die Australian Maiden dennoch ein paar Jahre später den begehrten Vertrag, als erneut der Luftverkehr über die Beförderung auf See triumphierte. Sie lief zum letzten Mal im November 1977 von Southampton nach Australien aus, dreizehn Jahre nach dem Zeitpunkt, an dem sie ihren Dienst bei Chandris aufgenommen hatte. Mit Hunderttausenden von weiteren Seemeilen in ihrem Logbuch und nach der Beförderung von 300.000 Passagieren wurde die AUSTRALIS schließlich in Neuseeland außer Dienst gestellt.
Gegen Anfang 1978 wurde sie von einer amerikanischen Wagniskapitalgruppe erworben, die von dem zu dieser Zeit boomenden Geschäft mit den in Mode gekommenen Kurzrundfahrten ("cruise to nowhere") profitieren wollte. Über den Panama Kanal nach New York zurückgekehrt, unterzog man sie in Bayonne einer Inspektion an Rumpf und Maschinen, wobei Marine Gutachter vom ausgezeichneten Zustand dieses 38 Jahre alten Schiffs überrascht waren.
Ihre neuen Eigner entschieden sich, sie wieder in AMERICA umzubenennen - in der Hoffnung, aus ihrem früheren Ruhm Kapital zu schlagen. Aber sie scheiterten kläglich an den Kreuzfahrtvorbereitungen und nach zwei erbärmlichen Versuchen derartiger Fahrten war ihr Renommee als Kreuzfahrtschiff stark beschädigt. Ihre Eigner erklärten schließlich den Bankrott und im August 1978 musste sie die Schmach über sich ergehen lassen, festgesetzt und an den höchsten Bieter versteigert zu werden ...
Unglaublicherweise wurde Chandris wieder ihr nächster Eigner, wobei sie für ihren Rückkauf mehrere Millionen Dollar weniger zahlen mussten, als sie gerade ein Jahr zuvor erhalten hatten.
Sie lief zurück nach Griechenland, wurde renoviert und in ITALIS umbenannt; ihr vorderer "Dummy"-Schlot wurde in Teilen entfernt. Seitens Chandris wurde behauptet, der Schlot sei verrostet und gefährlich, aber es wird vermutet, dass er entfernt wurde, um sie eher wie zeitgenössische Kreuzfahrtschiffe erscheinen zu lassen, die nur noch über einen Schornstein verfügten.
Da aber im Sockel des vorderen "Schornsteins" der Diesel-Notgenerator des Schiffes untergebracht war, wurde der dort belassen und und es entstand auf diese Weise ein merkwürdig aussehender und geformter Raum. Chandris verschlimmerte das Ganze noch dadurch, dass die Dampfsirene des vorderen Schornsteins, die früher ganz oben angebracht war, in exponierter Stellung auf der Oberseite des Stumpfes montiert wurde.
Als "The Italian Lady" machte sie einige Charterkreuzfahrten im Mittelmeer, war aber anscheinend nicht profitabel genug. Im Herbst 1979 ließ Chandris den Maschinentelegrafen ein letztes Mal "Maschine Stopp" durchgeben. 15 Jahre lang verkümmerte sie danach vor Anker im Hafen von Piräus, umgeben von anderen früheren Fahrgastschiffen, deren ertragreiche Jahre ebenfalls vorbei waren ...
Ihre Besitzer wechselten noch drei weitere Male, während sie vor Anker lag, was sich hinzog. Die ITALIS wurde zuerst in NOGA, dann in ALFERDOSS umbenannt. Aber sie fuhr niemals unter irgend einem dieser Namen. Über Jahre hinweg kursierende Gerüchte über neue Chancen für das Schiff oder aber zu seiner Verschrottung erfüllten sich nicht.
Dann plötzlich, Ende des Jahres 1992, schien sich die Zukunft des Schiffes noch einmal glänzend zu entwickeln: Es wurde von einer thailändischen Firma erworben, die ehrgeizige Pläne hatte, sie aufwändig zu renovieren und zum schwimmenden Fünfsterne-Hotel zu machen. Man bewunderte ihre ursprüngliche "all-american" Ausstattung und plante, diese beizubehalten. Nachdem sie in AMERICAN STAR umbenannt und in ein Trockendock verlegt worden war, ergab eine intensive Kontrolle des Rumpfes, dass sie noch in einem Zustand war, der es erlaubte, sie über die offene See nach Thailand zu bringen.
Am Weihnachtsabend des Jahres 1993 verließ sie Piräus für eine Mission, die als 100-tägiges Schleppmanöver geplant war.
Aber in Höhe der Kanarischen Inseln verschlechterte sich das Wetter erheblich und schließlich riss die Schleppleine: Nach verschiedenen erfolglosen Versuchen, die Kontrolle über den dahin treibenden, vom Wind gelenkten und steuerlosen Schiffsrumpf zurück zu gewinnen, endete ihre Existenz schließlich am 18. Januar 1994, als sie vor der Westküste von Fuerteventura hart auf Grund lief ...
Als sie auf dem abgelegenen, felsigen Ufer festsaß und dem Sturm sowie der tobenden See ausgesetzt war, brach ihr Heck innerhalb von 48 Stunden, fast genau mittschiffs. Während sie zum Totalverlust erklärt wurde, entfernten Einheimische willkürlich alle Einrichtungen von Wert - Geländer und Deckbeplankungen aus Teakholz, ihre unersetzlichen Kunstgegenstände und ihr Mobiliar. Schließlich brach ihr Heck, es rollte zur Seite und sank in tieferes Wasser.
Nach nun mehr als zwölf Jahren der Verwahrlosung und Zerstörung, während der sie den Naturgewalten ausgesetzt war, sind Anfang des Jahres 2006 immer noch erkennbare Teile dieser einst stolzen Königin der amerikanischen Handelsmarine vorhanden und trotzen nach wie vor den Elementen. Langsam aber sicher zerfällt sie weiter und das, was von ihr übrig blieb, wird schließlich von der erbarmungslosen See eingefordert. Die Königin ist tot ...
Noch lange, nachdem sich mit ihrer Erscheinung nur noch ein fernes und schwächer werdendes Bild verbindet, bleiben dagegen kostbare Erinnerungen bestehen. In Museen, in privaten Sammlungen, aber vor allem im Herzen Hunderter von Schiffsbauer, Tausender Mannschaftsangehöriger zu Kriegs- und Friedenszeiten und der gut über einer Million von Passagieren, die sie in ihren glücklicheren Tagen kannten ...
Sie waren es, die sie zum Leben erweckten und im Gegenzug war es die AMERICA - oder die WEST POINT - oder die AUSTRALIS, die auf so viele Weisen auch deren Leben für immer veränderte ...
In Sichtweite ihrer Werft in Newport News, North Carolina, und damit der "Wiege" der AMERICA geboren, war Bill Lee im Jahre 1939 im zarten Alter von drei Jahren bereits bei den Feierlichkeiten anlässlich ihres Stapellaufs zugegen. Dieser Einfluss - gemeinsam mit einer Kindheit, die mit vielen sicht- und hörbaren Erinnerungen an die AMERICA wie auch die WEST POINT verbunden ist - schufen die die Grundlage für seine praktisch lebenslange Zuneigung für dieses Schiff.
Bill begann eine Ausbildung bei ihrem Erbauer im Jahre 1954, gerade rechtzeitig, um ein Jahr später kurz auf der AMERICA zu arbeiten, als sie für Reparaturen in die Werft kam. Bei einer ganzen Anzahl von Gelegenheiten war er an einem Felsenkliff am Fluss dabei, als die AMERICA ein- oder auslief. Und er war dort auch 1964, als sie für immer auslief - um eine neue Karriere als AUSTRALIS zu beginnen.
Nach einer Laufbahn in der Schiffsbautechnik als Entwicklungs- und Testingenieur mit einem Spezialgebiet in Atomtechnik sowie später in anderen Industrieunternehmen zog sich Bill im Jahre 1998 zurück. Derzeit lebt er in Charlotte, North Carolina und mag es, sich allgemein mit Schiffen zu beschäftigen und über sie zu schreiben - und über die AMERICA natürlich insbesondere. Im Juni 2005 fand eine Aktion, die er über zwei Jahre initiiert und unterstützt hatte, mit der Widmung der Bibliothek der SS AMERICA an Bord des Kreuzfahrtschiffs PRIDE OF AMERICA ihren Höhepunkt.
Er steht heute mit einer zunehmenden Zahl von Menschen - weltweit - in Verbindung, die gleiche Interessen haben und ergänzt regelmäßig die weiter anwachsende Sammlung von Andenken an die AMERICA. Eine ganze Anzahl weiterer Enthusiasten, oder "Amerifans", wie Bill sie gerne nennt, betrachtet ihn als den "inoffiziellen Historiker" dieses einst stolzen und schönen Schiffs. Eine ganz besondere Gruppe ist ebenfalls dabei, und zwar die "USS WEST POINT Reunion Association", die aus Besatzungsmitgliedern des Schiffes aus dem Zweiten Weltkrieg besteht.
In Anerkennung seiner vielen Artikel, die Bill für deren Newsletter und in anderen Veröffentlichungen geschrieben hat, erhielt er im Jahr 2006 den Titel des "offiziellen Historikers" dieser Gemeinschaft. Bei ihrer jährlichen Versammlung in 2007 honorierten die Männer der WEST POINT darüber hinaus die Bemühungen von Bill, die Erinnerung an ihr Schiff lebendig zu halten, indem sie ihn zum Ehrenmitglied der WEST POINT Mannschaft ernannten. Es gibt keine größere Ehre für einen Amerifan ...
Unter Beteiligung von Bill Lee und anderen entstand in der Zwischenzeit eine Webseite zur USS WEST POINT. Sie enthält die Protokolle der Veteranentreffen, etliche Beiträge von Bill zum Schiff und mehr: www.usswestpoint.com.
Lange Jahre hatten wir regelmäßige Kontakte zu Bill Lee, dem Autor dieses Berichtes und vieler anderer in unserem Magazin. Zumeist spielten bei seinen Geschichten Schiffe und historische Ereignisse der Marine die Hauptrolle und sie waren immer wieder hochinteressant und informativ.
In den letzten Jahren plagten ihn altersbedingt häufiger gesundheitliche Rückschläge und in den Wirren der Corona-Inszenierung wurde es zunehmend schwierig, den Kontakt mit ihm zu halten. Im letzten Jahr hatten wir dann erstmalig keinen Kontakt mehr zu ihm und später wurden die Gerüchte sowie unsere Befürchtungen zur Gewissheit: William A. Lee, bei uns nur als Bill Lee bekannt, starb am 19. Juli 2022 in seinem Haus in Monroe, North Carolina.
Wir trauern um unseren langjährigen Autor und werden an ihn im Explorer Magazin auch weiterhin mit seinen packenden Geschichten erinnern!
© 2007-2023 Text/Fotos Bill Lee, Deutsche Übersetzung: Explorer Magazin