Tibet lässt grüßen ...

Es sind nur wenige Kilometer durch den Seewinkel bis zur ungarischen Grenze: Wir wählen den Grenzübergang Pamhagen, es gibt kaum Grenzformalitäten, dank der EU.

In Fertöd, dort wo ein großes barockes Esterhazyschloss mit schattigem Park zur Besichtigung einlädt, zeigt sich die Tücke der mitgebrachten ADAC-Straßenkarte: Bei der Vorbereitung mit Marco Polo war schon aufgefallen, dass Anleitungen für Ortdurchfahrten wie "rechts abbiegen, halb rechts auffahren, links abbiegen" - und das auf kürzesten Distanzen - recht verwirrend sind. In der Straßenkarte war in der Regel immer nur eine Straße gerade durch den Ort eingezeichnet. Im Falle Fertöd handelt es sich hierbei um eine sehr phantasievolle Kartografiedarstellung: Die Straße aus Pamhagen endet nämlich in einer T-Kreuzung, und die Beschilderung hilft nicht wirklich weiter. Wir lernen das Wohn- und auch das Industriegebiet von Fertöd kennen, bevor wir die stark befahrene Straße 85 kreuzen und unseren Kurs nach Celldömölk fortsetzen.

Auf dieser Strecke sind wir fast allein unterwegs. Felder und Wälder und hin und wieder ein verschlafenes Straßendorf wirken idyllisch. Bei Celldömölk fällt uns ein Berg auf, der mit nur 201 Metern Höhe dennoch recht beeindruckend wie ein Kegel in der Landschaft steht ...

Die Burg von Sümeg ... thront auf ihrem Berg ...

Wir gelangen zur Stadt Sümeg, über der eine imposante Burg aus dem 13. Jahrhundert thront. Bekannt ist uns dieser Ort bereits durch den Bericht von Jens Plackner: Ungarn, das unbekannte Reiseland ... Unser Endziel ist aber der Campingplatz in Zalaszanto, einem kleinen Ort zwischen Sümeg und Keszthely.

Der Campingplatz ist klein, aber sehr gemütlich. Bei der Frage, was die Übernachtung kostet, bekommen wir sofort eine Europreisliste - offensichtlich hat hier der Euro dem Forint den Rang schon abgelaufen ... Der Besitzer ist sehr gastfreundlich und gibt sich wirklich Mühe, uns alles in Deutsch zu erklären. Auch beim Rangieren bietet er Voll-Service an, indem er uns ausführlich seine Vorstellungen darlegt, wie der Stellplatz am Besten anzufahren ist ...

Es ist Mittag und wir wollen die nahe gelegene 30 Meter hohe Stupa besichtigen: Sie ist in Europa das größte buddhistische Grabmal. Die Stupa wurde 1993 vom Dalai Lama eingeweiht. Vom Campingplatz aus sind es ca. 3 km Fußweg, der uns durch teils sumpfigen Wald führt. Leichtsinnig haben wir uns auf den Weg gemacht ohne "Nordic Summer", ohne Autan, denn mit skandinavischen Verhältnissen haben wir hier wirklich nicht gerechnet. Doch schließlich von Mücken gejagt wie einst in skandinavischen Wäldern, schafft man heute die Strecke auf den 316 Meter hohen Berg in Rekordzeit.

Bei der Stupa, die in einer Waldlichtung steht,  kommt eine Andenkenverkäuferin aus dem Wohnwagen und ist nicht wirklich enttäuscht, dass wir uns ihr Warenangebot nicht ausführlich anschauen wollen: Wild um sich schlagend zieht sie sich gleich wieder in den Wohnwagen zurück und wir haben die Stupa für uns allein ...

Ganz verwunschen im Wald ...

die größte Stupa Europas

buddhistisches Flair weht durch Ungarns Wald Hauptsache Schatten!

Wir erklimmen die Stupa und sind fast alle Mücken los: Hier kann man es aushalten und man mag gar nicht mehr runter. Die goldene Skulptur von Siddharta Gautama kommt aus Südkorea, so wie auch viele Spenden für den Bau der Stupa aus Südkorea stammten. Mit den wehenden bunten Gebetsfahnen wirkt dieser Ort hier mitten im Wald wie ein verwunschener Ort.

Wir steigen ab in den Ort und sind bald im mückenfreien Weinberg. Beim anschließenden Rundgang durch den Ort stellen wir fest, dass die Pizzeria, die auf einigen Webseiten noch gepriesen wird, nun nicht mehr vorhanden ist. Nur noch ein Schild und ein verlassenes Ladenlokal erinnern daran. Also entscheiden wir uns, das Abendessen im Vendeglö (so heißen die Gaststätten hier) "Turul" einzunehmen, das nicht weit vom Campingplatz liegt.

Nun, das Essen ist überreichlich, billig und bis auf den Salat, der uns übrigens in Ungarn immer sehr gut schmeckt, kein wirklicher kulinarischer Genuss. Der Fisch ersoff traurig in einer weißlichen Mehlpampe mit Pilzstückchen: Die Wahl war wohl falsch, aber es war schon schwierig genug, etwas auf der deutschen Speisekarte zu finden, das nicht aus der Friteuse kam. Dazu gönnen wir uns einen halben Liter Kekoporto (Blauer Portugieser), das ist der einzige trockene Rotwein, den uns die Kellnerin anbieten kann. Und diesen Wein zu trinken erweist sich nicht wirklich als gute Idee, wenn man noch den Geschmack von Burgenländer Blaufränkischem auf der Zunge hat ...

Bei unserer Rückkehr haben sich die Mücken mittlerweile auch auf dem Campingplatz eingefunden: Der Besitzer erzählt uns, dass es morgen schon früh laut werden könnte, er hat ein Klassentreffen und demzufolge alle seine Mitschüler zu einem zünftigen Gulyasch eingeladen ...

Und tatsächlich schon früh am Morgen - eine Kaltfront hat uns mittlerweile angenehme 12°C beschert, die wir freudig begrüßen - wird ein großes Zelt mit einem Kessel aufgestellt, in dem mehrere Frauen und Männer mit der Zubereitung der Traditionssuppe beschäftigt sind. Und alle begrüßen uns auf Deutsch, wollen wissen woher man kommt, wohin man fährt, einfach sehr freundliche Leute ...

Aber wir müssen weiter ...


© 2006 Explorer Magazin