Entlang der argentinischen Anden, 29.10. - 10.11.2008

Nachdem wir in Salta unser Fahrzeug mal wieder gründlich innen entstaubt, unsere Wäsche gewaschen und Internetarbeiten erledigt haben, packen wir wieder alles auf und die Reise geht weiter.

Nicht jede Tankstelle hat Treibstoff, von weitem ist dies daran erkennbar, dass dann der Abfüllschlauch um die Zapfsäule gewickelt ist. Es ist eben Südamerika und das Zauberwort lautet hier "manana" (morgen). Nach einigem Suchen finden wir Diesel und starten mit zwei vollen Tanks (180 l) zurück in die Berge.

Nach Süden: Entlang der argentinischen Anden ... Kakteen werden hier bis zu 10 m hoch ...

Unser nächstes Ziel ist die Ruta 40, die durch ganz Argentinien vom Norden bis in den tiefen Süden entlang der Anden führt. Die Kilometersteine beginnen irgendwo mit 5xxx km im Norden und geben uns immer wieder das Maß vor, wie unermesslich weit dieses Land ist. Diese Ruta 40 bietet straßentechnisch so ziemlich alles; die Bandbreite reicht von der 4-spurigen Autobahn bei Mendoza oder der schnurgeraden, am fernen Horizont endenden Schotterstraße bis hin zur engen einspurigen Bergpiste auf über 4.950 m Höhe. Und genau dieser höchstgelegene Pass ist unser nächstes Ziel.

Beachtliches Höhenprofil ...Wir starten auf 1.000 m Höhe in Salta und haben am Nachmittag den Scheitel mit 4.950 m Höhe erricht (siehe Höhenprofil dieses Tages). Es bläst hier oben mit aller Kraft, ein aufrechtes Stehen ist kaum möglich. Der Blick auf Berge, die nochmals 1.500 m höher sind und die Weite der Landschaft sind beeindruckend.

Auf 3.200 m Höhe finden wir einen Stellplatz abseits der Piste zwischen Kakteen. Wir sind in dieser Landschaft weitgehend alleine: Ein einziges Auto kam uns heute auf diesem Abschnitt der Ruta 40 entgegen.

Der weitere Verlauf der Piste führt durch die "Valles Calchaquies" mit eindrucksvollen Canyons, die die zeitweiligen Wasserfluten der Anden in jahrtausendelanger Arbeit gegraben haben. Kakteen werden hier bis zu 10 m hoch, das Kakteenholz selbst ist hier übliches Baumaterial, leicht und porös in der Struktur und dennoch fest. Die Bauern fertigen daraus Türen, Fensterrahmen, Firstbalken etc. ...

Beeindruckende Ausblicke ...

... und beeindruckende Landschaft

Durch die "Valles Calchaquies" ...

Vor einer einfachen Hütte neben der Piste sehen wir zufällig eine alte Frau einen selbstgefertigten Tontopf putzen, der kurz zuvor aus dem Feldbrand gekommen ist.

Wir sprechen die Frau mit unserem geringen Wortschatz an und dürfen ein Bild vor ihr machen. Nach und nach tauchen weitere Köpfe auf und wir zählen letztlich 4 Generationen (vom Baby bis zur Uroma). Wir sollen ein Gruppenfoto von ihnen machen und sie möchten das Bild gleich behalten. Wir erklären, dass wir das Foto erst in 3 Monaten von Deutschland aus verschicken können. Wir erhalten die Postanschrift und hoffen, dass die hiesige Post es dann auch richtig zustellen wird.

Sonny ist nur mit Mühe davon zu überzeugen, nicht zu versuchen, diesen Topf käuflich zu erwerben. Ungeachtet der Transportherausforderung habe ich die Befürchtung, dass ein Zöllner dieses Stück als historisch eingestuft hätte, denn eine belastbare Rechnung hätten wir hier nie erhalten. Mit diesem Thema ist generell in Südamerika nicht zu spaßen ...

Selbstgefertigter Tontopf aus dem Feldbrand ... Vater mit geschäftstüchtigem Sohn ...

Um Cafayate herum sehen wir riesige Weinanbaugebiete am Fuße der Anden. Sonne pur und intensive Bewässerung lassen in der steppenartigen Landschaft den Wein wachsen. Riesige Bodegas zeugen von dem Profit, der damit erwirtschaftet wird.

Auf dem Markt von Cafayate erwirbt Sonny knapp 2 kg reine Lamawolle zum Preis von umgerechnet 25 EUR. Besonders bemerkenswert war der etwa zehnjährige Junge, der seinem Vater mehrmals beim Rechnen helfen musste und auch sonst sehr geschäftstüchtig erschien und uns die verschiedenen Wollsorten zeigte und erklärte.

Kondor: bis zu 3 Meter Flügelspannweite ...Im weiteren Streckenverlauf inmitten einer Hochebene sitzt ein Kondor mitten auf unserer Ruta 40: Vorsichtig verlassen wir die Straße und fahren abseits ins Gelände. Leise pirschen wir uns an den Vogel heran. Leider bemerkt er uns zu früh und mit einem weiteren Artgenossen steigt er gemeinsam hoch in den Himmel. Bei der Flügelspannweite von ca. drei Metern rauscht es vernehmlich beim Start und der Schatten beim Überflug lässt uns zusammenzucken.

Der Ort Belen mit ca. 10.000 Einwohnern wird in den Reiseführern und auf Landkarten mit einem archäologischen Museum beworben, dass über 6.000 keramische Exponate besitzen soll. Dies weckt natürlich die Begehrlichkeiten von Sonny und wir machen uns auf die Suche: Nach ungefähr 10 Befragungen und 3 Kreisfahrten haben wir das Museum wirklich gefunden und finden uns im ersten Stock eines unspektakulären Neubaus wieder.

Eintritt wird keiner verlangt und aus den 6.000 Exponaten werden bei wohlwollender Zählweise ca. 30 Objekte, die allerdings sehenswert sind ...

Dies ist übrigens eine Erfahrung, die wir öfter gemacht haben: Reiseführer schreiben hemmungslos voreinander ab, manche Informationen sind falsch und einige Straßenverläufe (nicht von Pisten) entstammen eher der Fantasie als dem realen Verlauf.

Wir folgen weiter den Anden südwärts: Im Abstand von 20-30 km fahren wir bei dunkelblauem Himmel an den schneebedeckten Himmelsriesen entlang. Wir können uns nicht satt sehen an diesem Anblick. Auf der einen Seite erstreckt sich die brettebene Pampa, auf der anderen Seite erheben sich nach Westen die schneebedeckten Fünf- und Sechstausender, einer nach dem anderen ...

Landschaft satt: brettebene Pampa und schneebedeckte Fünf- und Sechstausender

Am 04. November versuchen wir erneut, soweit wie möglich den Paso del Agua Negra (4.779 m) zu befahren; diesmal von der argentinischen Seite. Einige Leser werden sich erinnern: Dort verbrachten wir auf dem Hinweg die kälteste Nacht unserer Reise.

Zuerst einmal müssen wir die Sperre der argentinischen Polizei überwinden, denn der Pass ist offiziell noch gesperrt. Nach einigem guten Zureden können wir der fünfköpfigen Besetzung der Polizeistation klar machen, was wir wollen und dass wir ausreichend für eine solche Fahrt gerüstet sind. Sie inspizieren kurz unser Auto und lassen sich überzeugen, dass wir in den Höhen nicht erfrieren werden. Ich glaube, ganz konnten sie uns nicht verstehen, warum wir freiwillig in die Kälte wollen. Sie geben uns noch zu verstehen, dass sie sich trotzdem für uns verantwortlich fühlen und wir jederzeit in der Station unterkommen können, wenn es uns zu kalt werden würde ...

Wir bedanken uns aufrichtig und sichern zu, bis zum kommenden Mittag wieder zurückzukehren. Als Sicherheit behalten Sie unsere Pässe und das Zolldokument des Fahrzeuges; ich merke mir, wo sie es deponieren, sicher ist sicher.

Nach gut zwei Stunden haben wir die Schneegrenze auf 4.300 m erreicht; bizarre Schneeformationen begleiten uns bis auf 4.550 m, hier ist definitiv Schluss. Eine (!) Planierraupe gräbt sich mühsam den Weg zur Passhöhe, 230 Höhenmeter liegen noch vor ihr. In vier Wochen soll der Pass geöffnet werden. Dieser Pass zwischen Chile und Argentinien wird in den Sommermonaten pro Tag nur von einigen wenigen Fahrzeugen genutzt werden, denn vor den Fahrern liegen dann gut 380 km ohne jegliche Versorgungsmöglichkeit, die Hälfte davon ist ungeteerte Piste.

Bizarre Schneeformationen ... ... und eine einsame Planierraupe am Pass ...

Steine aus Lehm, Stroh und Wasser ...

Wir sind in Luftlinie von unserem chilenischen Umkehrpunkt nur einige km entfernt - schade, dass wir nicht über den Pass schauen können!

Die Übernachtung auf 3.500 m Höhe ist erträglich, da frostfrei, und am Folgetag holen wir uns wieder unsere Papiere bei der Polizeistation ab.

Per Zufall sehen wir am Straßenrand, wie das Baumaterial für ein neues Haus entsteht: Die Erde direkt am Grundstück liefert den Rohstoff Lehm, der dann nur noch mit Stroh und Wasser gemischt wird. Nach einem Tag Trocknungszeit sind die Steine fertig zum Hausbau.

Einmal mehr sind wir positiv angetan, wie offen die Menschen uns Fremden gegenüber sind: Wir sprechen kaum ihre Sprache und sie geben sich alle Mühe, uns etwas zu zeigen und zu erklären. In diesem Fall erhalten wir sogar noch eine Hausführung, wo alte Ausrüstungsteile aus der Minenarbeit gesammelt werden. Ein Steinklotz mit Gravuren soll aus der Inkazeit stammen. Stolz lässt der Besitzer Wasser darüber laufen, damit wir die Muster besser erkennen können.

In Barreal, einem kleineren Ort am Fuße der Anden, verbringen wir zwei Tage bei deutschen Freunden, die wir über das Internet kennen gelernt haben. Sie besitzen ein ähnliches Fahrzeug wie wir und haben sich nach einer zweijährigen Weltreise hier ein neues Domizil aufgebaut. Wir campieren auf Ihrem Grundstück, es gibt viel zu erzählen und wir saugen viele Informationen über Land und Leute auf. Wir lernen die Feinheiten des argentinischen Asados (Grillen) kennen und ich backe als Dank ein Brot mit Quinoa in unserem Gusstopf ...

Das Leben hier hat eine andere Taktrate als in Deutschland ...

Andental auf 2.500 m Höhe ... Der nächste Zaun 50 km entfernt ...

Das Leben hier hat eine andere Taktrate als in Deutschland; das Wetter in dieser Region ist angenehm trocken (die Regentage eines Jahres lassen sich an einer Hand abzählen), die Sommer sind heiß, die Nächte im Winter frisch. Die Anden sorgen in dieser ariden Gegend für ausreichend Wasser, so dass es hier reichlich Grün für das Auge gibt.

Neben dem Auto ist das Pferd hier ein etabliertes Fortbewegungsmittel und so wundert es nicht, dass auf dem Nachbargrundstück die Pferde frei weiden können. Die Lebenshaltungskosten sind wesentlich günstiger als in Deutschland, den großstädtischen Bedarf gibt es in Mendoza, 280 km oder eine Tagesreise entfernt.

Zügig reisen wir nach zwei Tagen weiter gen Süden. Mendoza ist die nächste größere Stadt auf unserer Route. Leider ist es Wochenende und bekanntermaßen nutzen dies die Argentinier zu hemmungsloser Feierfreude auf den Campingplätzen. Den Begriff der Nachtruhe gibt es hier weder im Wörterbuch noch in irgendeiner Campingplatzordnung. Es gibt Erzählungen, nachdem der Campingplatz nachts um 2:00 Uhr zu einer Disco mit entsprechender Beschallung wird.

Somit streichen wir Mendoza zugunsten der Nachtruhe und finden 150 km weiter südlich ein traumhaftes, weites Tal in den Anden auf 2.300 m Höhe und verbringen hier zwei Tage mit Wanderungen. Ein weites Flusstal durchzieht die noch schneebedeckten Berge, Pferde und Rinder weiden hier völlig frei, der nächste Zaun ist bestimmt 50 km entfernt. Und bald wird es nach Patagonien gehen ...


© 2009 Hans-Jörg Wiebe