Nach Patagonien, 11.11. - 20.11.2008
Zügig führen uns die kommenden Tage entlang der Anden in Richtung Patagonien. Die Ruta 40 ist unser Wegweiser nach Süden, mal ordentlich asphaltiert, mal staubig als Piste. Die sich immer wieder wandelnde Kulisse der schneebedeckten Anden vor meist blauem Himmel sowie die weiten Täler im Osten sind wie Kino für uns.
Unser nächster landschaftlicher Highlight ist die so genannte argentinische Schweiz, bereits 600 km weiter südlich gelegen. Da es auf der Strecke bis dahin nicht viel berichtswertes gibt, möchte ich dies mit einer kurzen Beschreibung füllen, wie eigentlich so ein Reisetag bei uns aussieht. Nach mittlerweile etlichen Reisewochen wird es nun doch mal Zeit, unser Heim auf Rädern vorzustellen!
Wir fahren mit einem Toyota, Modell HZJ 78, BJ 2004, inzwischen über 100.000 km, 96 KW, 4,2 l Hubraum. Unser Reisegewicht mit vollen Tanks (180 l Diesel, 110 l Wasser) liegt bei 3,6 to. Damit sind wir sicher an Steigungen nicht die schnellsten, die Reisegeschwindigkeit liegt bei 80 km/h, der Verbrauch zwischen 12 l und 15 l je nach Gelände.
Wir schlafen im Hubdach auf einer Fläche von 125 * 200 cm, bei starkem Wind können wir auch unten schlafen auf 90 * 200 cm. Zum Glück brauchten wir dies bisher noch nicht ausprobieren. Links in Fahrtrichtung befindet sich eine 2m lange Sitzbank mit Staufächern, einschließlich einer portablen Toilette, im Gang vorne steht eine kleine Kühlbox. Auf der rechten Seite befinden sich ein kleiner Kleiderschrank, Spülbecken und Gaskocher (von vorn nach hinten).
Zusätzlich besitzt das Fahrzeug eine Standheizung sowie eine Warmwasseranlage (Wärmetauscher über Motor), die uns nach ca. 20 km Fahrt mit bis zu 10 l heißem Wasser versorgt. Die Stromversorgung (12 V / 220 V) erfolgt über Zusatzbatterien sowie eine Solarzelle. Somit sind wir völlig autark und können dort übernachten, wo es uns gefällt. Campingplätze benutzen wir nur, wenn diese schön gelegen sind, bzw. nichts Besseres zu finden ist.
Unser Tagesablauf:
Sobald die Sonne ins Hubdach scheint, ist es Zeit zum Aufstehen. Da die vorherrschende Windrichtung Westen ist und das Auto gegen den Wind steht, scheint die Sonne ins Heck und es ist meine Aufgabe, das Frühstück zu bereiten. Da wir genug Lavazza für 4 Monate mitgenommen haben, gibt es einen guten Capuccino und meistens selbst gebackenes Brot. Brotbacken ist inzwischen Routine geworden und die Ergebnisse sind nicht schlechter als mit meiner deutschen High-Tech Ausrüstung.
Nach gut zwei Stunden ist alles reisefertig und wir können starten. Der Beifahrer hat die vornehme Aufgabe, während der Fahrt die Reiseführer zu studieren. Wir haben die Strecke nur grob im Vorhinein geplant, somit ergibt sich vieles aus der Situation heraus. Alle paar Tage steht ein größerer Einkauf an Lebensmitteln an. Die Geschäfte haben von 13:00 Uhr bis 17:00 Uhr Mittagspause, während unserer Hauptreisezeit.
Einmal in der Woche suchen wir ein Internetcafé, um unsere Post zu lesen sowie Berichte zu versenden. Da die Übertragungsraten oft sehr langsam sind, ist schnell eine Stunde damit verbracht (inzwischen bevorzugen wir leere Internetcafés zur Mittagszeit). Oftmals erfolgt hier der Internetzugang über Mobilfunkverbindungen und wenn dann noch mehrere Benutzer über eine Leitung gehen, dann dauert es halt ...
Ab und an steht die Wäsche an: Hierzu bedienen wir uns unserer "Waschmaschine", dem wasserdichten Ortliebsack. Gefüllt mit warmem Wasser, Waschpulver und Schmutzwäsche kommt er auf das Autodach. Nach einem Tag Piste und Sonnenschein ist alles gut geschüttelt und die Wäsche muss nur noch ausgewaschen und aufgehängt werden.
Zu Mittag gibt es Obst oder eine kleine Brotzeit. Ein solcher Tagesablauf eilt dahin und bald sind wir schon wieder auf der Suche nach einem schönen Nachtplatz. Die bisher kürzeste Tagesetappe war 10 km (wegen eines schönen Stellplatzes), die längste ca. 460 km.
Ist ein Stellplatz zur Zufriedenheit aller Reisenden gefunden, muss das Auto einigermaßen eben und nach Westen ausgerichtet werden. Wenn möglich, wird das warme Wasser zum Duschen genutzt und Sonny kümmert sich um das Abendessen. Oftmals gibt es Fleisch in bester Qualität zum Bruchteil des deutschen Preises zu kaufen, damit ist die Speisekarte oft vorgegeben. Vor einigen Tagen konnten wir von einem Angler zwei riesige Lachsforellen für 3 Euro erwerben, die er direkt neben uns im Fluss angelte.
Zum Glück haben die großen Supermärkte die erforderlichen Zutaten zum Brotbacken wie Vollkornmehl, Trockenhefe sowie Körner (Quinoa oder Sonnenblumenkerne). Das Brot wird in einem Gusstopf in der Glut eines Holzkohlenfeuers gebacken. Die Oberhitze wird dabei durch die Anzahl der Kohlen auf dem Deckel reguliert. Es ist alles sehr primitiv und etwas arbeitsaufwendiger, aber die Ergebnisse können sich sehen lassen und schmecken.
Neben diesen kulinarischen Dingen darf der abendliche Sundowner nicht fehlen: In Chile war dies der Pisco Sour, ein 20% iges Weingetränk (von dem Getränk müssen wir nach Deutschland einiges im Auto mitnehmen), den es leider in Argentinien nicht zu kaufen gibt. Die letzte Flasche Pisco aus Chile hat bis Mitte Argentinien gereicht.
Abends müssen dann noch die Bilder auf den Rechner geladen und begutachtet / gelöscht sowie die GPS-Daten auf den Laptop überspielt werden ...
Auch unser Auto will dann und wann unsere Zuwendung haben: Inzwischen habe ich es bereits einmal komplett selbst abgeschmiert, die Filter gewechselt sowie regelmäßig auf lockere Schrauben, Befestigungen etc. überprüft - der Bruch des Radbolzens war uns eine Lehre. Der Lack und der Unterboden lassen im Moment noch sehr zu wünschen übrig. So fahren wir sicherlich einige Kilo Lehm sowie jede Menge Staub und Dreck spazieren. Solange wir jedoch auf solchen Pisten unterwegs sind, wird sich daran nichts ändern.
Unser beider gemeinsames Resümee bisher ist, dass sich unsere Reiseausrüstung bewährt hat und uns diese Art des Reisens sehr gut gefällt. Wir können uns auch vorstellen, durchaus wesentlich länger so unterwegs zu sein, solange wir körperlich fit sind. Ich habe ja in einem der letzten Berichte erwähnt, dass wir bei einigen Fernreisenden mit unseren 4 Monaten schon fast bemitleidet werden ...
Nach diesem Ausflug in unseren Alltag sind wir inzwischen weiter südlich in den Naturparks des Seengebietes eingetroffen. Aus der Steppe sind Wälder und Wiesen geworden, aus ausgetrockneten Flussbetten glasklare Flüsse, die sich frei von jeder Flussbettsanierung ihren Weg ins Tal bahnen. Blockhäuser erinnern an Nordamerika und Kanada. Die Berge sind nur noch um die 2.000 m hoch, aber alle noch schneebedeckt. Wir haben die Qual der Wahl bei der Auswahl unser Stellplätze, es ist eine Gegend zum Verweilen und Entspannen. Es gibt keine Forstwege zum Abtransport von Holz, die Natur hier ist sich völlig selbst überlassen. Mit kleinen Wanderungen, Sonnenbaden an leider viel zu kalten Seen und träumerischen Gedanken verrinnt die Zeit hier viel zu schnell und unser Zeitplan mahnt uns einmal mehr zum Aufbruch.
Den Touristenort San Carlos de Bariloche umfahren wir und nächtigen in El Bolson auf einem Campingplatz, da wir erst bei einbrechender Dunkelheit ankommen. Die mehrfach in Reiseführern hier beworbenen einheimischen Handarbeitsprodukte erweisen sich leider mal wieder als Produkte minderer Qualität und Güte. Wir können es gut mit Produkten aus Bolivien und Nordargentinien vergleichen: Dort spielt der Tourismus noch keine tragende Rolle und die Handwerksprodukte waren von ungleich besserer Qualität.
180 km weiter südlich befindet sich der Ort Esquel, unser nächstes Ziel. Hier fährt noch ein originaler Dampfzug, Baujahr 1922; eine deutsche Henschel Lokomotive zieht die Uraltwagen, heute allerdings nur noch zu touristischen Zwecken. Über das Internet kennen wir den Fahrplan und so können wir uns abends noch zwei Tickets kaufen. Unseren Übernachtungsplatz finden wir auf einer Bergkuppe direkt oberhalb des Ortes an einem Sendemast auf einer Lichtung. Wir haben mal wieder eine grandiose Aussicht auf den Sonnenuntergang in den nahe gelegenen Bergen und die Stadt mit ihrer schachbrettartigen Straßenführung. Die Stadt wurde erst 1906 gegründet und hat heute 30.000 Einwohner. Die Hauptstraßen im Zentrum sind geteert, in den Außenbezirken sind viele der breiten Straßen nur geschottert und einmal mehr ist hier zu spüren, dass sich vieles noch im Aufbau befindet.
Am nächsten Morgen fährt um 10:00 Uhr der Zug und wir sind bereits frühzeitig am Bahnhof, um alles beobachten zu können. Die Lokomotive holt sich die betagten Wagen aus dem Depot und wird auf dem Abfahrtsgleis bereitgestellt. In Ruhe können wir fotografieren und auch den Führerstand betreten, wo bereits der Brennraum rot glühend den nötigen Dampf erzeugt.
Schnaufend setzt sich der Zug in Bewegung und fährt langsam aus der Talsohle zu dem 20 km entfernten Ort Nahuel Pan. Wir sitzen auf alten Lederpolstern und fühlen uns in die damalige Zeit zurückgesetzt. Mitten im Wagen steht ein alter Gussofen, der für etwas Wärme im Winter sorgen soll. Wir haben aber Sommer, lehnen uns aus den Fenstern und lassen die Berge und Pampa an uns vorüber ziehen ...
© 2009 Hans-Jörg Wiebe