Google Earth -
Navigationshilfe oder Spielerei?
Ein neues Bild des Globus ...
Im Juni 2005 war es soweit: Wohl zur Schonung der eigenen Server führte der Suchmaschinen-Primus Google fast still und heimlich einen sensationellen neuen Service ein - Google Earth. Von den einen als "digitaler Online-Fotoatlas" bezeichnet, von den anderen als schlichte Sensation empfunden, nämlich als luft- und satellitenbildgestützten, webbasierten und vollständig georeferenzierten Globus, den jeder ab sofort auf seinem PC für beliebige Regionen der Welt verfügbar hatte.
Beginnend im Weltraum lässt sich entweder durch Eingabe von Ländern, Orten, Koordinaten oder anderen Angaben jede gewünschte Stelle der Weltkugel heranzoomen - und wenn der Benutzer Glück hat, erblickt er dabei in seinem Zielgebiet sogar Pisten, auf denen parkende Fahrzeuge erkennbar sind ...
Die zusätzlichen Möglichkeiten dieses "Wundertools" sind gewaltig: Mittels unterschiedlicher "Datenlayer" kann man eine unendliche Menge an weiteren Informationen in das Bild der Erdoberfläche einspeisen: In New York kann man bereits Schulen oder Gaststätten finden oder sogar dreidimensional durch irgendwelche Canyons der Welt navigieren.
Sowohl statische Informationen (Gebäude, Straßen, Höhenprofile usw.), dynamische Ereignisse (z.B. Wettergeschehen) oder aber Datensammlungen aus öffentlichen und persönlichen Datenbeständen (Waypoints, Routen, Fotos, Notizen) können zusätzlich auf den Globus projiziert werden und so eine ganz neue Qualität an Gesamtinformation bieten.
Unmengen von Luft- und Satellitenaufnahmen wurden zu einem vollständigen Bild der Erdoberfläche zusammengesetzt, wie es davor nur Geheimdiensten und geheimdienstnahen Institutionen zugänglich war: Wer hat dabei nicht den Thriller vom "Staatsfeind Nr. 1" vor Augen, in dem die amerikanische NSA (National Security Agency) die gesuchte Hauptperson aus dem Weltraum heraus per Satellitenbild auf dem Dach eines Hochhauses heranzoomt ..?
Ganz klar, dass man sich fragt, ob hier solche Bilder verwendet werden "dürfen", bei denen man z.B. auf dem Münchner Messegelände einzelne Hallen erkennen kann. Aber keine Angst (oder doch umso mehr) - die Geheimdienste verfügen heute bereits über ganz andere Bilder. Dennoch aber wird sich manch einer fragen, ob es wirklich so schön ist, dass nun jeder offenbar bis in seinen Garten hereinzoomen kann. Vielleicht dann eher tröstlich in diesem Zusammenhang: Eine große Zahl dieser Bilder von Google Earth verfügt keineswegs über eine Auflösung, die jeden PC-Besitzer ab sofort zum Geheimdienstagenten machen ...
Mittlerweile sind auch schon andere kritische Stimmen laut geworden: Hochqualitative Bilder würden hauptsächlich für die USA existieren, selbst in größeren deutschen Städten würde man schnell an die Grenzen der wenigen Zonen mit hoch auflösenden Bildern stoßen. Dazu käme, dass die verfügbaren Karten oft ein falsches Bild zeichnen würden, teilweise wegen eines kilometerweiten Versatzes bei eingefügten Einzelbildern.
Auf der anderen Seite gibt es auch euphorische Reaktionen, bei denen Google Earth nun zum wesentlichen Bestandteil der Vorbereitung einer Expeditionsreise avanciert und wo die wichtigste Frage nur zu sein scheint, ob Breitband oder mindestens zwei gebündelte ISDN-Kanäle bereitstehen, um das Vergnügen richtig nutzen zu können ...
Tests sind angesagt ...
Wir haben nach all diesem Hype der ersten Stunde einen ebenfalls ersten Test gemacht und versucht herauszufinden, was bei alledem wirklich für uns Brauchbares dabei ist und was wir von diesem Tool künftig für Unterstützung bei unseren Reisevorbereitungen erwarten können.
Während die Basisversion derzeit noch kostenlos für alle Anwender ist, haben wir die u.a. verfügbare Version Google Earth Plus für 20 US$ geordert: Nach dem Download des rund 10 MB großen Basisprogramms erhält man für die zusätzliche Lizenzgebühr, die derzeit eine einjährige Nutzung erlaubt, über Benutzer-ID und Passwort einen höheren Servicelevel.
Neben einer höheren Auflösung beim Druck, einer Email-Unterstützung des Benutzers und der Möglichkeit von Datenimporten war für uns im wesentlichen eine Zusatzfunktionalität ausschlaggebend: Die Möglichkeit des Imports eigener GPS-Daten wie Waypoints, Routen und Tracks. Der Einsatz von Google Earth erfolgte dann bei uns ganz konventionell über gewöhnliche ISDN-Leitungen.
Die erste Ernüchterung kam direkt nach der Freischaltung: Ein Upload der GPS-Daten kann zunächst nur über den GPS-Empfänger erfolgen (siehe dazu auch 1. Nachtrag unten), also hieß es, unser altes, derzeit anderweitig nicht mehr gebrauchtes GARMIN GPS 45 XL als ständigen "Server" für Google Earth einzurichten - in dieser Funktion kommt es nun nach all den Jahren noch zu unerwarteter Bedeutung.
Nun galt es zu überlegen, wofür man dieses neue Tool auf "Expeditionsreisen" eigentlich nutzen könnte: Auf Spielereien wie Schulen oder Restaurants in New York oder dreidimensionales Navigieren durch den Grand Canyon können wir sicher problemlos verzichten. Aber Zusatzinformationen bei unbekannten und unsicheren Streckenverläufen können wir sicherlich gebrauchen, ebenso alles zur "Aufklärung" im Zielgebiet, wenn noch unklar ist, was einen genau vor Ort erwartet - und das gilt bei unseren Fahrten nun doch recht häufig ...
Beispielhaft haben wir uns nun einige der Gegenden heraus gegriffen, über die wir in diesem Magazin schon ausführlich berichteten: So hatten wir vor, in Litauen eine ehemalige Atomraketenabschussbasis zu suchen, in deren Nähe wir bei unserer Reise Baltikum 2004 unser Camp aufschlagen wollten. Im Osten Islands wollten wir einen einsamen Platz überprüfen, wo wir bei unserer Tour Island 2003 die erste Nacht in der Wildnis verbracht hatten. Und dann schließlich wollten wir auf der Kanareninsel Fuerteventura Ausschau nach unserem Lieblingswrack halten und den Norden der Insel untersuchen, wo wir uns sowohl bei Fuerteventura 2004 als auch ein Jahr später aufgehalten hatten. Zum Abschluss dann noch ein Blick vor unsere Haustür: Auf das Messegelände von München - ein erstes Testprogramm war angesagt!
1. Beispiel: Litauen
Bei der Reisevorbereitung von Baltikum 2004 waren wir unsicher: War die ehemalige Atomraketenbasis wirklich dort, wo sie sein sollte? Und in der Nähe eine Art Campingplatz? Natürlich waren zu diesen Fragen weder in den uns vorliegenden Unterlagen noch Karten irgend welche Informationen zu entnehmen - was hätte also näher gelegen, als über Luft- und Satellitenbilder eine "Aufklärung" im Zielgebiet durchzuführen, ganz nach dem Vorbild der kalten Krieger zu Zeiten der Sowjetunion ..?
Wie man weiß, haben wir die Basis und unser Camp auch ohne diese Informationen gefunden, wir haben darüber berichtet. Doch was hätten wir zur Vorbereitung bei Google Earth vorgefunden, zumindest bei Vorhandensein von ungefähren Koordinaten?
Wenn man nun das Luftbild rechts oben anklickt, sieht man die von uns eingespeisten exakten Koordinaten: Während CAMP13 unseren Lagerplatz am See kennzeichnet, stellt PLOKST das Eingangstor zur Raketenbasis dar - von Camp13 Richtung Plokst erkennt man schemenhaft einen Waldweg, den wir vor Ort in rund 20 Minuten zu Fuß zurückgelegt haben. Die Basis selbst ist nur mit viel Fantasie erkennbar: Einige runde Kreise im Wald zeigen Teile der Anlage, wenn man genau weiß, dass sie dort ist.
Was hätte uns dieses Luftbild mit seiner doch bescheidenen Auflösung gebracht, wenn wir nicht bereits die ganz genauen Koordinaten vorliegen gehabt hätten: Vermutlich nur recht wenig ...
2. Beispiel: Island
Bei unserer Tour Island 2003 hatten wir geplant, die erste Nacht in der Nähe der alten Piste "Öxi" zu verbringen - auch darüber haben wir ausführlich berichtet. Im Kartenbild Maßstab 1:250.000 unten Mitte erkennt man den von uns genommenen Waypoint OEXI am Lagerplatz - er liegt mitten auf dem alten Pistenverlauf. Die neue Piste, die deutlich weiter südlich verläuft, ist in der Karte überhaupt noch nicht enthalten.
Was hätte uns nun das Satellitenbild von Google Earth gebracht? Wir wir anhand des Bildes unten sehen - gar nichts! Zwar erkennt man sehr schwach und mehr andeutungsweise den Verlauf des kleinen Flüsschens, durch das wir furten mussten und in dessen Nähe wir dann campierten, aber weder eine alte noch eine neue Piste ist auch nur ansatzweise erkennbar. Schön zu sehen lediglich die Felsformationen neben uns, die anhand der Höhenlinien auch aus der Karte ersichtlich sind - aber die wohl doch am schönsten erkennbar sind auf unserem Foto unten, oder?
3. Beispiel: Fuerteventura
Anlässlich unseres Berichtes Fuerteventura 2004 sowie der Eurotour Spanien hatten wir die Korruptionsfälle im Zusammenhang mit sinnlosen Baumaßnahmen im Norden der Insel erwähnt. Eigentlich sinnvoll, sich über Google Earth einen Überblick zu verschaffen, inwieweit dies anhand von Luft- oder Satellitenaufnahmen erkennbar ist.
Und diesmal sind wir erstmals vollkommen verblüfft: Wir erhalten bei Google Earth Aufnahmen in einer Auflösung, die uns staunen lässt. Die "Straße der Korruption" auf unserem Bild unten links, die Bestandteil eines riesigen, völlig sinnlosen Kreisverkehrs im "Nichts" ist, kann man auf dem Luftbild unten rechts bestens erkennen: Unser Waypoint KREIS liegt exakt richtig und ist gut erkennbar, und die Möglichkeit, sich heranzuzoomen, ist damit noch bei weitem nicht ausgeschöpft ...
Wie man ebenfalls dem Luftbild oben rechts am unteren Bildrand entnehmen kann, befindet sich dort der Waypoint MARAVI - nichts anderes als die Apartamento-Terrasse unserer Unterkunft im Maravilla (siehe Bild unten links). Und nun wollen wir es genau wissen: Wir zoomen heran im Luftbild oben rechts und erreichen einen Bildausschnitt, wie er unten rechts dargestellt ist: Auf diesem Luftbild erkennen wir nun, dass der Waypoint richtig sitzt - exakt auf der Terrasse des betreffenden Apartamentos - und auf der Piste vor der Anlage erkennt man sogar geparkte Pkw´s ...
Wenn wir von Fuerteventura derart hervorragende Luftbilder haben, geht so etwas vielleicht auch von unserem Lieblingswrack, der American Star?
Und wieder sind wir völlig verblüfft: Unser Waypoint im Bild unten liegt exakt an der Stelle der Playa de Garcey, von wo aus man von oben auf das Schiff blicken kann - und davor (weiter draußen als man so glaubt) liegt das Wrack selbst - sogar Einzelheiten an Deck des Geisterschiffs sind zu erkennen, wie man nach Anklicken des Bildes unten sieht. Mit einem Wort: fantastisch ..!
4. Beispiel: München
Regelmäßig besuchen wir auf dem Münchener Messegelände die Ausstellung "Caravan - Boot - Internationaler Reisemarkt", kurz C-B-R genannt. Berichte zu diesem Event haben wir z.B. anlässlich der C-B-R 2001, C-B-R 2002 und C-B-R 2003 in unserem Magazin. Was also lag näher, als sich einmal das Messegelände anzusehen und nach dem Messeturm Ausschau zu halten?
Zusätzlich wurde der "Layer" mit den "Roads" angeklickt: Perfekt werden bei Google Earth Straßenkarten von Tele Atlas eingeblendet - und da es sich hierbei um Vektorkarten handelt, passen sie sich hervorragend ein in das Google Konzept.
Wir finden den Turm problemlos anhand seines Schattens auf dem Messegelände: Dass er direkt an der "Alfons-Goppel-Straße" liegt, kann man den Straßenangaben auf dem Bild mit sehr guter Auflösung problemlos entnehmen ...
Und damit zu unserem Fazit: Bei Google Earth handelt es sich ganz sicher um ein faszinierendes neues Tool, das außer einer Vielzahl von Spielereien sicher auch handfesten Nutzen für die Vorbereitung von Expeditionsreisen zu bieten hat. Ganz wesentlich hängt dieser Nutzen aber natürlich ab von der Qualität der verfügbaren Luft- und Satellitenbilder, die derzeit von höchst unterschiedlicher Qualität sind.
In den vielen Bereichen, die nur in geringer Auflösung vorhanden sind, können wohl bestenfalls lediglich einige Zusatzinformationen erwartet werden, die übliche Vorbereitung der Reise verändert sich hierdurch kaum. Ein deutlicher Fortschritt ergibt sich aber auch in diesen Fällen dort, wo zusätzlich nun Tele Atlas Vektorkarten zur Verfügung stehen (siehe dazu auch 3. Nachtrag).
Hat man das Glück, sich in Zielgebieten zu bewegen, die in sehr hoher Auflösung vorhanden sind, was so weit gehen kann, dass sogar einzelne Pkws auf den Straßen erkennbar sind, ist der Zusatznutzen natürlich ungleich höher: Auch wenn die konventionelle Vorbereitung mit Karte und GPS sicher nicht anders sein wird als bisher, kann man in diesem Fall aber so manch einen Punkt vielleicht doch wesentlich gezielter ansteuern oder möglicherweise besser ganz vermeiden - wer weiß schon, was man "da unten" plötzlich vor sich sieht ...
1. Nachtrag, Juli ´05: Nutzung vom *.kml-Dateien
Wer bereit ist, ein wenig mit "XML" zu experimentieren, kann seine Koordinaten auch anders einbringen:
Die Datei myplaces.kml enthält Einträge für jeden Waypoint, wie das Beispiel einer unserer Fuerteventura-Koordinaten zeigt. Wenn also solche Einträge in dieser Datei direkt vorgenommen werden, entfällt der etwas mühselige Weg über das GPS ...
2. Nachtrag, Juli ´05: Waypoints Explorer CD
Nach erfolgreichen Tests haben wir uns entschlossen, ab unserer nächsten Ausgabe die Waypoints und Routen, die wir auf unserer CD zusätzlich ausliefern, nicht nur im GPS TrackMaker®-Format bereitzustellen, sondern ab sofort auch noch im Format für den OziExplorer und als kml-Dateien für Google Earth.
Wer Interesse hat, kann sich ein Beispiel von uns anschauen mit der fuerte_demo.kml: Einfach die Datei öffnen und z.B. dorthin speichern, wo GoogleEarth Plus seine kml-Dateien ablegt (bei Windows XP und 2000 unter c:\Dokumente und Einstellungen\User\Anwendungsdaten\Google\GoogleEarth).
Und dann heißt es Google Earth starten, fuerte_demo öffnen, anklicken und zur Route unseres Fuerte-Streckenabschnitts fliegen!
3. Nachtrag, August ´05: Google Earth lebt ...
Wie sich u.a. bereits an der Zusammenstellung "Google Earth Special" des Discovery Forums erkennen lässt, bewegt sich schon in diesen ersten Wochen des Betriebs von Google Earth sehr viel: Jede Menge Diskussionen in Foren und verfügbare Zusatzfeatures erweitern nahezu täglich die Einsatzmöglichkeiten dieses "geografischen Internets".
So sind zum einen bereits ständige Verbesserungen auch an der zugrundeliegenden Datenbasis und den Auflösungen der verfügbaren Luft- und Satellitenbilder erkennbar, die offenbar weiterhin aktuell eingepflegt werden.
Zum anderen zeigt unser weiteres Beispiel 4 oben, dass mit der Bereitstellung von Tele Atlas Vektorkarten für viele Teile der Welt nun auch Straßenkarten hoher Qualität für diejenigen zur Verfügung stehen, die bisher nicht in diesem Maße über digitales Kartenmaterial verfügten. Und damit ergeben sich zusätzliche Möglichkeiten der Reisevorbereitungen: Mit dem von uns erstellten Programm, das nicht nur kml-Dateien aus entsprechenden OziExplorer Waypoints und Routen erzeugen kann (siehe 2. Nachtrag), sondern dies auch in umgekehrter Richtung beherrscht, können ab sofort auch die für eine Reise erforderlichen GPS-Daten aus Google Earth gewonnen werden - und das alles ist sicher erst der Anfang ..!
4. Nachtrag, September ´05 (aktualisiert Januar 2021): Es geht weiter ...
Viele interessieren sich für die Einbindung von Karten aus Google Maps in ihre Webseiten. Wir haben zur Einbindung mit und ohne API einen neuen Beitrag erstellt:
Und als Service dazu: Anzeige von Satellitenbildern von beliebigen eingegebenen Koordinaten mit unserem
Noch Entfernungsmessungen gewünscht? Auch die mit Kartenanzeige
5. Nachtrag, Oktober ´05: Konvertierungstool
Wir stellen es kostenlos zum Download zur Verfügung: Unser Konvertierungstool OziExplorer -> KML (Google Earth)!
6. Nachtrag, Januar ´06 - aktualisiert im März '15 : Einige Links zur Ergänzung ...
Google Earth
Dokumentation & Infos
- https://developers.google.com/kml/documentation/mapsSupport
- https://developers.google.com/kml/documentation/kml_tut
- https://developers.google.com/maps/documentation/javascript/reference
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Zusätze & Ergänzungen
© 2005-2021 J. de Haas, Luftaufnahmen: Google