Wracksuche: Sie war noch da, die "American Star" ...
Besuch 10 Jahre "danach": Das Explorer Team an der Playa de Garcey ...
Beeindruckend ist sie wirklich in diesem Februar 2004: Vom ersten Moment an, wenn nämlich hinter der Biegung der Piste zum ersten Mal ihr Schornstein in der Bucht gegenüber schemenhaft sichtbar wird. Und wenn dann das "ganze" Schiff allmählich auftaucht: Sie liegt wirklich wie ein gestrandetes Geisterschiff in der dunklen Bucht und trotz Sonnenschein an diesem Tag erhält man eine Ahnung davon, wie es hier erst bei anderem Wetter wirken mag.
Wir sind aufgrund unserer bisher vergeblichen Suche nach den beiden anderen Wracks nun doch erleichtert - sie ist noch da und nicht auszudenken, wie es sein könnte, wenn Fuerteventuras berühmtestes Wrack nun auch noch verschwunden wäre ...
Doch sie ist noch da, ein Jahrzehnt nach ihrem Auflaufen in dieser Bucht: Schauen wir deshalb kurz zurück - mehr als 60 Jahre Geschichte liegen hier vor uns, auch wenn die letzten 10 Jahre sicher die traurigsten der American Star waren ...
Rückblende
Sie
war von Anfang an ein stolzes Schiff, die SS America, die im
August 1939 vom Stapel lief, als seinerzeit weltgrößte "Königin
der Luxus-Liner" mit einer Länge von mehr als 200 m für weit mehr
als 1.000 Passagiere (Zur ausführlichen Geschichte des Schiffes siehe
unseren Sonderbeitrag von Bill Lee: "SS
America"!).
Zum Kriegsdienst wurde sie 1941 von der US Navy eingezogen, in USS Westpoint umbenannt und tätig natürlich ebenfalls als größter Truppentransporter, wobei sie die Jahre zwischen 1941 und 1946 mit zünftigem Camouflage-Anstrich verbrachte.
Von 1946 bis Ende der siebziger Jahre war sie anschließend unter verschiedenen Namen im Einsatz: Wieder wie vorher unter altem Namen SS America fast zwei Jahrzehnte lang und danach noch einmal mehr als ein Jahrzehnt als SS Australis im Dienste der Chandris Lines. Hier kam es auch im Jahre 1970 zu einem Zwischenfall, als bei der 26. Reise des Schiffes ein Feuer an Bord ausbrach (Mehr dazu im 2. Nachtrag!).
Von den achtziger Jahren an ging es dann bergab mit ihr: Als Italis, Noga und schließlich noch einmal fast ein Jahrzehnt lang als Alferdoss vollzog sich der Verfall des einst stolzen Schiffs. Erst im Jahre 1993 schließlich erhielt sie ihren letzten Namen, der für ihre letzte Fahrt, ihr trauriges Ende und nun ein weiteres Jahrzehnt als Geisterschiff an der Playa de Garcey steht: Die American Star.
In jenem Januar 1994 wurde die American Star auf ihrer letzten Fahrt von einem Schlepper gezogen: Viele Quellen sprechen heute von einem Versicherungsbetrug, der dieser geplanten Umrundung von Afrika auf dem Weg nach Thailand zur Hauptsaison der Stürme zugrunde gelegen haben soll. Fest steht jedenfalls, dass das Abschlepptau während des Sturms bei Windstärke 12 brach und das Schiff steuerlos auf die Westküste Fuerteventuras zutrieb, wo es schließlich am 18. Januar 1994 an der Playa de Garcey auflief ...
![]() |
![]() |
Innerhalb von 48 Stunden brach das Schiff auseinander, das Heckteil wurde nach rechts in Richtung Strand verschoben, drehte sich in den folgenden zwei Jahren auf die Backbordseite (also nach links) und wurde im Laufe der Zeit von Wind, Wellen und Gezeiten derart zerstört, dass heute nur noch einige Reste bei Ebbe sichtbar sind (Siehe auch hierzu unseren Sonderbeitrag von Bill Lee: Eine "Autopsie" durch die See). Der Bug hat demgegenüber bis heute 10 Jahre durchgehalten, der Zerstörungsprozess schreitet aber auch hier unaufhaltsam voran. Wie lange kann sie noch widerstehen, wann wird sie endgültig zusammenbrechen, die berühmte American Star ..?
Im Banne des "Liegenden Holländers" ...
Wir
waren an diesem Sonntag, den 22.02.2004, wieder von El Cotillo
aus gestartet - für diesen Aufenthalt sollte die längste Tour über
La Oliva, Tefia und Betancuria in den Süden
führen. Schon bald erreichen wir Pajara, von wo aus man der Straße
nach La Pared folgt. Nun ist es nicht mehr weit: Nach rund 3
km ist man an der Piste angelangt, die nach rechts abzweigt (N28,35° W014,14°).
Verpasst man diesen Abzweig von der Hauptstraße, erreicht man kurz danach eine weitere Piste, die ebenfalls nach rechts abzweigt: Ein deutlich sichtbar angebrachtes Schild weist hier darauf hin, dass man sich in ein Sperrgebiet des spanischen Militärs begibt - also heißt es spätestens an dieser Stelle umzukehren, um die erwähnte Abfahrt davor zu nehmen - die American Star wollte bei ihrem Auflaufen an der Westküste Fuertes offenbar nicht ganz vom spanischen Militär vereinnahmt werden, doch dazu später mehr ...
Die paar Pistenkilometer vom Abzweig bis zur Bucht fahren wir so,
wie es unserem Opel Astra angemessen erscheint: In zügiger Fußgängergeschwindigkeit.
Doch die Piste ist besser als manch andere, die wir in den letzten Monaten
mit dem Redaktionsfahrzeug befahren haben und so ist es für unseren
Miet-Pkw letztlich problemlos machbar - nach einer runden halben Stunde
parken wir unser "Expeditionsfahrzeug" neben dem Pistenendteil
zum Strand und wollen die letzten Meter dorthin zu Fuß zurücklegen (N28,3452° W014,1782°).
Auch auf dem letzten Stück bestätigt sich, was an vielen anderen Stellen über die Playa de Garcey und ihr Geisterschiff zu lesen ist: Nur schwer kann man sich der irgendwie unwirklichen Atmosphäre an diesem dunklen Strand entziehen, die den Besucher in ihren Bann schlägt.
Nahezu allein sind wir am Strand und lassen keinen Blick von diesem Schiff: Der vordere Teil des sichtbar angerosteten Wracks ist immer noch so imposant, dass man sich wünscht, die paar Meter, die es vom Strand nur entfernt zu liegen scheint, auch noch zu überwinden: Eigentlich müsste man unbedingt einen Besuch an Deck dieses Phantoms unternehmen, um "richtig" dort gewesen zu sein ...
![]() |
![]() |
Doch auch wenn es an dem einsamen, dunklen Strand keinerlei Hinweise darauf gibt, dass es verboten sein könnte, das Wrack zu betreten, so soll es aber dennoch so sein: Dem Hörensagen nach sollen jedem empfindliche Strafen drohen, der dabei erwischt wird. Trotzdem hat dies in den nun mehr als 10 Jahren, in denen das Schiff hier an der Playa de Garcey liegt, nicht alle Wagemutigen von diesem Abenteuer abgehalten: So haben wir zu diesem Thema einen eigenen Bericht mit Fotos, die Besucher auf den zerstörten Decks des Geisterschiffes gemacht haben.
Und
diese Besucher waren nicht die einzigen, die der gestrandete ehemalige
Luxusliner noch auf seinen Decks sah: Nur wenige Tage nach seinem Auflaufen
setzten sich Neugierige, Einheimische und auch das spanische Militär
in Bewegung, um alles zu "bergen", was nicht niet- und nagelfest
war. So wurde das Wrack geplündert und sein Inhalt mit allem was schwimmen
konnte, an Land gebracht: Die Rede ist sogar von Luftmatratzen und Surfboards,
die neben Fischerbooten für diese Aktion verwendet wurden.
Und so hat das Abenteuer auch etliche das Leben gekostet: Bekannt ist die Umgebung des Wracks trotz der vermeintlich geringen Entfernung zum Ufer für ihre heimtückischen Strömungen. Diese hat eine ganze Reihe von Schwimmern, Surfern und sonstigen Waghalsigen getötet, die nun zur Mannschaft des Geisterschiffs gehören sollen ...
Und damit sind wir auch gleich bei Thomas S., einem Reisejournalisten, der dieses Wrack zu Recht als eine Art "Liegenden Holländer" tituliert hat in einem Artikel.
Dieser Artikel schildert auch, wie ein Bewohner der nahen Aussteiger-
und Hippiesiedlung behauptet, dass man in klaren, mondhellen Nächten,
in denen der Wind herüber von der Sahara weht, deutlich das verzweifelte
Rufen der unglückseligen Toten von Bord hören könne (Lieber Thomas
S., die Hippies hatten vermutlich viel Stoff in der Nacht: Die Sahara
liegt auf der anderen Seite der Insel
)
...
"Huibuh" muss man gemeinsam mit dem Autor in Anbetracht
dieser unheimlichen Mischung aus Fantasie und Realität sagen und sich
fragen, ob die einsamen Zelter, die hier in Strandnähe campen, ebenfalls
auf ein derartiges Ereignis warten. Aber dann wiederum muss man auch
feststellen, dass die Welt doch klein ist und die Realität viel profaner
sein kann: So hat dieser Autor, der in seinem Artikel das Geisterhafte
rund um dieses Schiff beschwor, einst eine "Eingabe" bei der "Regierung
von Mittelfranken in ihrer Funktion als Datenschutz-Aufsichtsbehörde"
gemacht, weil das Impressum des Explorer Magazins nicht den gesetzlichen
Regelungen entsprochen haben soll - Huibuh ..!
So mischt sich leichtes Frösteln im Angesicht des "Liegenden
Holländers" auch heute noch mit Kopfschütteln in Anbetracht solcher
Erinnerungen - doch das beeindruckende Wrack lässt den Besucher schnell
wieder alles andere vergessen. Wir erklimmen die Anhöhe gegenüber vom
Schiff, wo viele Überreste sorgfältig gestapelt sind: Vom Containerrest
bis hin zur Blechtür findet sich hier jede Menge von Altmetall.
Aber das alles ist sicher kein Beleg dafür, dass man auch im Zusammenhang mit diesem Wrack schon sehr heftig daran gedacht haben soll, es mit einigen Sprengladungen von seinem Liegeplatz der letzten 10 Jahre zu entfernen. Ob auch hier lediglich noch auf EU-Mittel gewartet wird oder aber das Geisterschiff von den Behörden mittlerweile als Touristenattraktion akzeptiert ist, die von den ewig anbrandenden Wellen billiger zerlegt wird, bleibt der Fantasie des Besuchers und Betrachters vorbehalten ...
Gut sichtbar von hier oben sind die Zerstörungen, die der Zahn der Zeit im Rachen der unbarmherzigen See mittlerweile angerichtet hat: Wie unsere nachfolgenden Vergleichsfotos vom unteren Rumpfrand zeigen, ist in den letzten Jahren, insbesondere auch während der bereits erwähnten schweren Stürme im Winter 1999/2000, sowohl der hintere Teil des Bruchstücks immer weiter "ausgefranst", als auch am Bug ein immer größeres Loch entstanden, durch das die See zunehmend ungehindert das Wrack unterspülen kann.
Wenn man bedenkt, dass der hintere Teil der American Star nur sehr kurz den Naturgewalten standgehalten hat und die Bordwand des vorderen Teils an der Backbordseite, also der See zugewandten Seite des Rumpfes, mittlerweile ähnlich durchlöchert ist, kann man sich vorstellen, dass sie nicht mehr lange durchhält. Oder wie Doug Griffiths es mehr als einmal formuliert hat, der Betreiber der ehemaligen Webseite "Cabin 111": "She'll go this winter" ...
![]() |
![]() |
Mehr
als nachdenklich gehen wir nach langer Zeit wieder zurück zu unserem "Expeditionsfahrzeug"
am Rande der Piste: Wir staunen nicht schlecht, als wir sehen, dass
sich in der Zwischenzeit eine ganze Reihe von Geländewagen hier eingefunden
hat und auch ein weiterer Pkw, ein Kleinwagen.
Letzterer parkt ordentlich neben unserem Opel Astra, offensichtlich
war der Fahrer durch unseren Kombi hierzu inspiriert worden. Was dieser
Spezialist allerdings offenbar nicht bemerkt hatte: Während wir uns
neben die Piste gestellt hatten, parkt dieser Pkw genau darauf
und blockiert sie so. Aber vielleicht wird er oder sie sich auch gedacht
haben: Wenn ich hier nicht mehr weiter komme, warum dann ein anderer
- vielleicht etwa sogar einer mit 4x4-Antrieb ..?
Ein Pickup mit der Aufschrift "American Star Tour" kommt heran, er muss sich zum Glück nicht an diesem Fahrzeug vorbei zwängen, da er eine andere Route fährt.
Am Steuer des Pickups ein uriger Typ, der aussieht wie die Kreuzung eines Motorrad-Rockers mit einem Holzfäller (siehe dazu Nachtrag unten) - wir werden ihn später in Pajara wiedersehen, wo wir die Eindrücke von der Playa de Garcey bei einem Glas kanarischen Rotwein verarbeiten ...
Februar 2004: Wir freuen uns, die American Star noch einmal gesehen zu haben - möge sie in Frieden ruhen!
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
Sehr empfehlenswerte Links zur American Star und ihrer Historie:
- S.S. Australis Homepage (Ken Ironside)
- Cabin 111: S.S. America / S.S. Australis Tribute Pages (Doug Griffiths)
- A Tribute to a great liner of Yesteryear (Darren Byrne)
1. Nachtrag, April ´04: Erste Reaktionen ...
Kaum hatten wir unsere "Schiffsmeldungen" hochgestellt, gab es schon ein Feedback dazu! Die erste Mail kam von Ken Ironside, dem Betreiber der berühmten Webseite S.S. Australis Homepage über die American Star:
I love the way you have set out the page ... It is very interesting seeing the three pictures of the Hull from 1997\2000 and 2003, this shows how far she has deteriorated.
Good luck with the site.
regards
Ken Ironside
Eine weitere Nachricht erreichte uns von Fuerte: Wolfgang alias fuertewolf, niemand anderes als der in unserem obigen Bericht erwähnte "urige Typ" von "American Star Tour" (siehe dazu auch den 19. Nachtrag!), schickte uns die folgende Mail und stellte uns auch das Foto zur Verfügung:
Schöner Bericht, sehr schön. ich bin der urige, mache heute wieder eine tour: www.americanstarfuerteventura.de. wenn du noch mal hier bist, melde dich mal! fuertewolf
Lieber Wolfgang, werden wir sicher machen.
Und bis es soweit
ist, von hier aus schon mal unsere besten Grüße nach Fuerte!
Weitere Nachträge: Mythos American Star und mehr ...
Und
wir erhielten weitere Mails und Bilder, so wie z.B. von Ferdi Müller
aus der Schweiz, der uns seine Aufnahme aus dem Juli 2001 schickte,
die den Rumpf in noch vergleichsweise gutem Zustand zeigt.
Wie er uns schrieb, war er ganz zufällig auf das Schiff gestoßen, weil er in einer Kneipe einem Gast zuhörte, der von einem Schiffswrack erzählte. Und da ihn solche Geschichten nach eigenem Bekunden magisch anziehen, machte er sich auf die Suche ...
Da uns das berühmte Schiff auch weiterhin noch beschäftigen wird, und zwar mindestens so lange, wie es an der Playa de Garcey auf uns wartet, haben wir dafür weitere Seiten eröffnet:
- SS America: Die Geschichte des Schiffs, erzählt von Bill Lee
Dann die Nachträge zu unserem obigen Bericht
- Nachträge Wracksuche: "American Star" - der Mythos lebt ...
- Nachträge Wracksuche: "American Star" - der Anfang vom Ende ...
und wie es schließlich im Jahr 2006 weiter ging:
© 2004-2006 Text/Fotos J. de Haas.
Fotos 1994 in "Rückblende"
oben: Steve Tacey, veröffentlicht auf der
S.S. Australis Homepage