Teil 1: Irrfahrten des Odysseus ..?
Aufbruch: Ganz simpel zum Simpel ...
Der erwartet und gefühlt zweitunangenehmste Punkt der Reise kommt zuerst: Der Aufbruch am frühen Morgen vom Samstag, wir schreiben den 09. August 2014. Die Reise von München aus Richtung Norden bis zur Fähre ist der Punkt, der uns derzeitige "Südländer" am meisten stört beim kurzen Skandinavien-Trip, aber er muss auch heute sein. Über Autoreisezüge zur Verschönerung des Übels müssen wir ja seit Jahren schon nicht mehr nachdenken: Nach Rückkehr von unserer nun schon fast zwei Dekaden zurückliegenden Tour Norwegen 1996 waren wir ja noch so jugendlich naiv gewesen, mit der Deutschen Bahn diesbezüglich Kontakt aufzunehmen und dann zu lesen, was man uns damals zur angeblichen Neukonzeption glauben machen wollte. Aber im Juli 2014 wurde dann endgültig das Aus für den gesamten Autoreisezug eingeläutet und so ist das alles kein Thema mehr - und leider gibt es auch immer noch keine Fähre von München nach Oslo - man kann es uns glauben, wir wären die ersten Fahrgäste!
Beim letzten Trip Richtung Norden, unserer "Weinreise" nach Skandinavien vor zwei Jahren, hatten wir deshalb auf dem Weg einen Stop eingelegt: Eine einzelne Übernachtung im Südsee-Camp in Wietzendorf mit Aufenhalt als "Ufo" unter Familiencampern war ganz unterhaltsam und fast schon Tradition auf unseren Reisen zu den Fähren. Aber daraus wird in diesem Jahr nichts: Keine Camper mehr zugelassen, die nur eine Nacht bleiben wollen! Offenbar ist die Nachfrage derart groß, dass man solche Durchreisende nicht mehr nötig hat ...
Aber was soll´s, auch andere Camps sind gut für eine Übernachtung! So steuern wir diesmal das Camp Auf dem Simpel an, das in Soltau und damit auch in der Lüneburger Heide liegt - von hier aus sollte man am Folgetag stressfrei zur Fähre nach Kiel kommen.
Nun, die rund 750 km bis zum Simpel werden ganz easy bis zum frühen Nachmittag geschafft: Unser bayrischer Verkehrsminister und sein aktuelles Ferien-Samstagsfahrverbot für Lkws macht uns heute fast schon zum CSU-Anhänger ...
Der Platz taugt wirklich gut für einen Zwischenstop: Nicht nur WLAN ist auf dem vom ADAC ausgezeichneten und ganzjährig geöffneten Gelände vorhanden und ermöglicht Kontakte bis zum letzten Augenblick, sondern auch ein sehr ordentliches Restaurant mit Biergarten ist hier zu finden, wo wir nicht nur ein opulentes Abendessen serviert bekommen, sondern nach Vorbestellung auch ein Frühstück am nächsten Morgen, das die Abreise nochmals vereinfacht.
Wenn auch sicherlich für uns kein Ort für einen mehrtägigen Aufenthalt, so doch vielleicht in Zukunft ein geeigneter Halt bei der Fährenrallye nach Norden - falls es dann noch Plätze für eine Nacht geben sollte ..!
Unterwegs auf dem "Kreuzfahrtschiff mit Autodeck" ...
Nach ausgiebigem Frühstück geht es am Sonntagmorgen weiter Richtung Kiel - das bereits im Modellkeller befindliche Kreuzfahrtschiff mit Autodeck erwartet uns dort auch bei dieser Reise. Die COLOR MAGIC, mit der wir zuletzt schon 2012 gefahren sind und deren Schwesterschiff COLOR FANTASY wir bereits bei einer ihrer ersten Fahrten vor fast 10 Jahren testen konnten, wird uns auch diesmal wieder nach Oslo bringen, wo wir unsere Rundreise starten wollen.
Die Anfahrt zum Norwegenkai in Kiel ist problemlos wie immer, übertroffen in ihrer Problemlosigkeit in Deutschland eigentlich wohl nur noch von Häfen wie Rostock, wo man von der Autobahn so gut wie direkt aufs Schiff rollen kann ...
Die Warteschlange am Norwegenkai hat sich bereits aufgebaut und eine Vielzahl von Nordlandfahrern stehen schon in den verschiedenen Einfahrspuren.
Auffällig heute eine ganze Reihe von Mercedes Fahrzeugen und man kommt schnell in Kontakt: Es handelt sich um Mitglieder des Mercedes-Benz W124-Clubs. Elf Fahrzeuge, teils Oldtimer mit Saisonkennzeichen und unterwegs bei einer Club Rallye, werden sich zunächst von Oslo nach Göteborg aufmachen und dann über Malmö und Kopenhagen wieder zurückfahren. Der Leiter der Veranstaltung begutachtet noch erstaunt den Explorer, bevor man sich gegenseitig gute Fahrt wünscht und die Abfertigung der MAGIC hinter sich bringt.
Die Fähre läuft wie geplant gegen 14:00 Uhr aus: Wir ziehen vorbei an Seglern, Frachtern und Feedern (so einer entsteht übrigens derzeit auch gerade im Modellkeller), und es ist nicht mehr das erste Abfahrtsbier zum üblichen Abfahrtspreis, das wir an unserem sonnigen Aussichtsplatz an der Reling in der Hand halten. Plötzlich stoppen wir noch in der gut mit Schiffen gefüllten Kieler Förde: Mit ordentlichem Getöse wird der Schub der Maschinen so verändert, dass wir unter Aufwirbeln dunkler Strudel rund um die Fähre mit langsamer Fahrt zurücksetzen - die COLOR MAGIC hat offenbar den Rückwärtsgang eingelegt, aber was ist passiert?
Schnell machen Gerüchte die Runde, zumal eines der vielen dort draußen bei kräftigem Wind segelnden Boote mit merkwürdiger Segelstellung auf Kurs der MAGIC zu treiben scheint - ist dort etwa eine hilflose Besatzung vor unseren Bug geraten ..?
Einige offiziell wirkende Boote ziehen vorbei, aber auf keiner Seite der Fähre sind irgendwelche auffälligen Dinge zu beobachten. Nach einiger Zeit nimmt die MAGIC wieder Fahrt auf und wir gleiten weiter durch die Kieler Förde - merkwürdiges Zwischenspiel!
Wir ahnen zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass dies nur unser erstes merkwürdiges Fährenerlebnis bei dieser Reise ist, und das bereits kurz nach dem Auslaufen. Eine ganze Kette weiterer seltsamer Ereignisse im Zusammenhang mit unseren noch folgenden Fähren wird sich anschließen - und diese Reise zu einer ganz besonders denkwürdigen machen, aber davon später ...
Der Ablauf der weiteren Fahrt nach Oslo ist für uns bereits Routine - allzu oft haben wir diese Tour schon unternommen. Wieder fällt uns der ausgeprägte HO-Charme an Bord der norwegischen Fähre auf - offenbar ist man sich hier wie immer sehr bewusst, dass man auf dieser Strecke keinerlei Konkurrenz hat, sondern vielmehr ein eindeutiges Monopol.
Besonders deutlich wird das z.B. in einem der Restaurants der COLOR MAGIC: Auch diesmal wollen wir den Test mit dem uns per Mail bereits vorher angebotenen "Wein des Schiffes" machen, mit dem wir bei der Tour 2012 noch kläglich gescheitert waren.
Wieder streben wir die Schiffs-Pizzeria "Mama Bella Pizza Ristorante" an: Eine endlose Warteschlange vor dem Eingang des Lokals lässt uns schnell umkehren - vielleicht ein weiterer Versuch in etwa 1-2 Stunden? Als wir wiederkommen, sind tatsächlich einige Tische frei, aber der Kellner am Einlass macht keinerlei Anstalten, uns hinein zu lassen. Als wir vorsichtig einige Schritte hinein wagen, werden wir umgehend wieder nach draußen gejagt: Er allein bestimmt, wann Einlass ist! Die bereits vor zwei Jahren festgestellte Arroganz des Personals wird auch heute wieder deutlich, als man uns schließlich ein wenig herablassend kurz darauf hinein lässt: Der Kellner weist uns einen Platz zu und bei diesem Vorgang kommt ganz plötzlich erfahrenen früheren DDR-Reisenden der passende Begriff dafür in den Sinn: HO-Charme!
Vorgewarnt durch unsere damaligen Erlebnisse haben wir diesmal die Mail mit dem Schiffswein in ausgedruckter Form dabei und legen sie bereits bei der Bestellung dem Kellner vor: Ungläubig studiert er die Mail, telefoniert danach länger mit irgendwem an Bord und kommt schließlich mit unbewegtem Gesichtsausdruck mit einer Karaffe Wein daher, die er uns wortlos auf den Tisch stellt - wir danken an dieser Stelle nochmals ganz herzlich der wirklich generösen Color Line!
Den Rest des Abends verbringen wir später wieder wie üblich im Pub des Schiffes: Die mindestens norwegischen Bier- und sonstigen Preise dort lassen einfach den besten Genuss eines ausgeprägten "Snob Effektes" zu, wie man das in mikroökonomischen Vorlesungen nennt ...
Endlich mal wieder zum Glaskogen ...
Wir laufen pünktlich um 10:00 Uhr am nächsten Morgen in Oslo ein, das Wetter empfängt uns nicht gerade mit Sonnenschein.
Die übliche Empfangsprozedur durch den strengen norwegischen Zoll, auf den wir uns diesmal in Sachen Vorräte optimal vorbereitet haben, bringen wir schnell hinter uns: Auf die Frage, wohin wir wollen, kommt ein überzeugendes "Gamvik" als Antwort und nachdem die freundliche Frau das tatsächlich irgendwie verstanden hat, ist sie genau so erfreut über dieses Ziel, wie wir es bei unserer damaligen Tour dorthin waren ...
Wir bestätigen, als man lächelnd feststellt, dass wir wohl nicht zum ersten Mal in Norwegen wären, ihre Feststellung: Problemlos kann man heute auf "seit 20 Jahren dorthin" fahren aufrunden ...
Schnell sind wir durch die Kontrollen, schließlich kann man der guten Frau unmöglich mitteilen, dass man von hier aus nur auf kürzestem Weg weiter nach Schweden fahren will, und das möglichst auch noch unter Vermeidung jeglicher norwegischen Mautstrecke!
Aber den heutigen und den schon für morgen geplanten ersten Ruhetag wollen wir bereits im Nachbarland zubringen: Hatte es uns doch vor zwei Jahren derart gut am Glaskogen gefallen, dass wir auch zum Auftakt dieser Reise wieder in eines von Bernd van Ooys Paddelparadiesen wollen.
Die Anfahrt zum Naturcamp aus Richtung Nordwesten erweist sich als deutlich aufwändiger als die von damals: Kurven, ständiges Auf und Ab an relativ steilen Pisten lassen es schließlich angeraten erscheinen, Allrad einzulegen: Zumindest 4H gibt hier zusätzliche Sicherheit. Später wird uns ein "Daddy" mit Leih-Womo erklären, wie übel diese Anfahrt doch für ihn mit dem Womo gewesen wäre - er erntet natürlich vollstes Verständnis ...
Wir entscheiden uns diesmal für einen anderen Stellplatz im Camp als beim letzten Mal - genug Auswahl hat man hier schließlich überall. Wieder stehen wir wunderbar im Wald - auch diesmal plagen uns weder Mücken noch sonstige Widrigkeiten. Lediglich die immer wieder zwischendurch herunterkommenden Gewitterschauern erinnern daran, dass es wohl diesmal keine ausschließliche Veranstaltung von "Explorer Suntours" werden wird. Doch das wieder lustige Hantieren mit Plane und OZtent und das Bauen eines "richtigen" Camps ist für den büromüden Reisenden endlich mal wieder eine hochwillkommene Abwechslung ..!
So einen Ruhetag in idyllischster Umgebung samt abendlichem Côtes du Rhône aus dem Weinschlauch, der natürlich nach der letzten Tour dorthin auch heute Abend ein Muss ist, mit einem gemütlichem Klein-Lagerfeuer im Hobo-Ofen, der zum ersten Mal mit neuer Kappe dabei ist, und vielen anderen angenehmen Rahmenbedingungen kann man tatsächlich ohne jedes Problem leicht aushalten, wie man wieder mal feststellt - aber man gönnt sich ja sonst nichts!
So vergeht auch der diesjährige Aufenthalt am Glaskogen recht erholsam, aber nach soviel Ruhe zum Auftakt muss jetzt endlich die Reise beginnen: Morgen heißt es sich aufmachen Richtung Stockholm, denn von dort aus soll schon bald unsere Fähre zu den Ålands starten ..!
© 2015 J. de Haas