Abschied von der Nordinsel
Donnerstag, 14. November: Heute steht ein harter Tag bevor. Es sind zwar mit zwei Etappen insgesamt nicht einmal 90 km, die wir zurücklegen müssen, jedoch hat es die Strecke in sich: Zuerst sind es gut 50 km bis zur neuseeländischen Hauptstadt Wellington im Süden der Nordinsel, aber dort muss man erst mal durch und dann heißt es auch noch, sich auf die Fähre zur Südinsel zu begeben, wo nach der Ankunft weitere rund 30 km bis zum nächsten Camp folgen werden.
Also geht es los Richtung Hauptstadt, möglichst direkt zum Fährhafen. Das Fährticket wurde bereits bei der Autovermietung gebucht, was sich lohnt, da man ca. 50 EUR spart im Vergleich zur eigenen Buchung. Die Überfahrt erfolgt mit dem Fährunternehmen Interislander, das seit dem Jahr 1962 für die Verbindung zwischen der Nord- und der Südinsel sorgt und dies derzeit mit drei Schiffen bewältigt. Die tragen die sehr einheimischen Namen Kaitaki, Kaiarahi und Aratere, wobei letztere bereits am längsten im Dienst ist von den Dreien.
Mittags um 12:00 Uhr ist der späteste Termin für den CheckIn zur Fähre, die eine Stunde später ausläuft Richtung Picton, unserem Zielhafen auf der Südinsel. Die Fahrt wird gut drei Stunden dauern und auf dem offenen Meer durch die Cookstraße führen sowie anschließend durch den Queen Charlotte Sound, der zu den berühmten Marlborough Sounds gehört, der Ansammlung von diversen Buchten und Meeresarmen im Norden der Südinsel.
Obwohl Nord- und Südinsel in Luftlinie nur 20 km auseinander liegen, müssen wir aufgrund der zu fahrenden Kurve zwischen den Inseln insgesamt mehr als 90 km auf dem Wasser zurücklegen, so dass wir erst gegen 16:30 Uhr in Picton ankommen werden. Unterwegs soll es sich übrigens lohnen, nach Delfinen Ausschau zu halten, die hier unterwegs sind. So weit, so gut, so ist der Plan ...
Als wir uns schließlich im dichten Verkehr auf der oft einspurigen Strecke entlang am Meeresufer langsam Wellington nähern, fängt plötzlich der gute alte Zumo zu spinnen an, was aber nicht an ihm liegt: Angeblich sind die Straßen, auf denen wir uns gegenwärtig bewegen, nicht bekannt, so dass überraschend wirre Anzeigen und nicht weniger wirre Anweisungen erfolgen. Der Blick hinunter ins Meer und auch später in die Umgebung zeigen allerdings durchweg Straßen, die sich hier schon viele, viele Jahre befinden müssen, was sie vermutlich auch tun ...
Während man nun also aufgefordert wird, die Straße zu verlassen oder auf ihr zu wenden oder ähnliches, kommen im Cockpit plötzlich Erinnerungen hoch an die Reisevorbereitung mit dem Garmin BaseCamp und der beschafften Neuseelandkarte: Auch damals gab es wohl schon hier Probleme bei der Erstellung der Route ausgerechnet zur Fähre nach Wellington. Erinnerungen tauchen auf an merkwürdige Versuche mit unterschiedlichsten Verkehrsmitteln und ähnlichem Humbug, bis schließlich eine Route überhaupt möglich war - haben wir es hier im Süden der Nordinsel Neuseelands vielleicht mit ganz unheimlichen übernatürlichen Effekten zu tun, die eine Navigation stören ..?
Zum Glück gibt es allerdings selbst hier noch ganz altmodische Dinge wie etwa Straßenschilder, die umso häufiger sichtbar werden, je näher man der City und schließlich auch dem Hafen kommt. Und man glaubt es kaum, die Beschilderung zum Fährhafen ist zu guter Letzt derart einfach, dass man sogar ganz ohne Navi zum CheckIn finden und dann dort sogar als Erster zum Stehen kommen kann ... geht doch!
Während der Wartezeit auf die Fähre füllen sich wie gewohnt die Reihen und schließlich wird sie sichtbar am Horizont sowie schnell größer in Hafennähe: Wie das Tele zeigt, ist unsere Fähre ist die Kaiarahi, das neuste Schiff der derzeitigen kleinen Flotte.
Wie man unschwer herausfinden kann, hat die Fähre ein großes "Ocean View Restaurant", eine Panorama "Lookout Lounge" und bietet spektakuläre Ausblicke von der "Local Heroes Bar". Auf Deck 8 soll man außerdem wunderbar sitzen können bei sommerlichen Fahrten durch die großartigen Marlborough Sounds - offenbar viel Programm für gut drei Stunden!
An Bord der Fähre stauen sich bei dieser Fahrt nur vergleichsweise wenige Lkws für die Südinsel, dafür aber scheinbar Unmengen von Touri-Fahrzeugen: Unten an Deck sind massenhaft "Miaus" und ähnliches zu sehen, sprich Mietcamper von Maui, Britz, Apollo und auch Grünlinge von sicherlich begeisterten Jucy-Kollegen ...
Nach einem kleinen Mittags-Snack verbringen wir die meiste Zeit in der "Lookout Lounge" und nach Verlassen der Cook Strait in den Marlborough Sounds natürlich an Deck: Diese Aussicht muss man genießen, auch wenn der steife Wind den Aufenthalt dort nicht überall angenehm macht. Auch hier draußen sieht man Einheimische, die trotz vorhandener Verbotsschilder unverdrossen der offenbar beliebten Fortbewegungsart "Barfußgehen" an Deck und in den Bars frönen. Ein anderer erarbeitet sich an Bord wohl seinen Lebensunterhalt mit Geigenspiel, zu dem er in passender Bekleidung und mit geldsammelnder Begleitung wie wild zwischen den Passagieren herumtanzt - muss man mögen oder zumindest können!
Wir erreichen Picton planmäßig und fahren von Bord: Wir sind endlich auch auf der Südinsel angekommen! Nur etwa 30 km trennen uns noch vom Tagesziel, dem Blenheim Holiday Park. Man befindet sich hier in der berühmten Weinregion Marlborough der Cloudy Bay und der Ort Blenheim gehört zu den sonnigsten Städten in Neuseeland. Hier kann es durchaus schon 30°C werden, rings um die Stadt befinden sich berühmte Weingüter, die in dieser Gegend nicht an den Hügeln anbauen, sondern in der Ebene.
Das Blenheim Camp verfügt ebenfalls über alles, was wir hier brauchen, lediglich die letzten Meter der Anreise sind - abgesehen von den auch hier üblichen Lkw-Rennen - etwas "speziell": Wie man auf der Webseite der New Zealand Transport Agency (INZ) lesen kann, wird derzeit über den Öpaoa Fluss nördlich von Blenheim eine neue zweispurige Brücke gebaut, um die Verkehrssituation auf dem State Highway 1 zu verbessern. Die Neukonstruktion belegt einen Teil des Holiday Parks, wie man deutlich sehen und hören kann. Die Baustelle ist unübersehbar und beeinträchtigt das Camp offensichtlich. Die alte Brücke, über die man noch kommen muss, ist extrem schmalspurig und so ist man froh, dass der nächste Riesen-Lkw erst wenige Minuten nach uns dieselbe Stelle wie wir in der Gegenrichtung befährt - nicht nochmal bitte ein Außenspiegel wie auf Jersey ..!
Bei einem sehr freundlichen Rezeptionisten checken wir ein in dem großen Camp, das in Teilbereichen aufgrund der Brückenbaustelle nicht belegt ist. Unser Bereich ist davon nicht betroffen, bietet aber auch einen Ausblick auf die belebte Baustelle gegenüber. Unser Stellplatz ist trotzdem recht angenehm und wie alle anderen hat auch er eine eigene (bewegliche) Sitzgruppe, die dazu gehört und von der noch zu reden sein wird ...
Endlich kann auch mal am Platz gewaschen werden, da dieser auch über entsprechende Waschmaschinen und Trockner verfügt. Einige Camper sind mit Fahrzeugen "amerikanischer" Größenordnung in der Nachbarschaft, neben einer einzelnen älteren Dame, die allein mir einem Dreiachser-Reisebus unterwegs ist, fällt insbesondere ein ebenfalls einzelner älterer Mann mit einem gigantischen Pickup-Auflieger ins Auge. Dieser Camper hatte kürzlich einen Unfall mit seinem Arm, wie er auf Nachfrage erzählt, und deshalb will er bis auf weiteres am Platz bleiben. Das Zugfahrzeug steht derzeit offenbar an anderer Stelle, wie man sehen kann, als er kurz darauf mit einem kleinen "normalen" Pickup auftaucht ...
Der Platz erweist schon recht bald auch als "tierisch" beliebt, denn bereits nach kurzer Zeit befinden wir uns inmitten von den hier allgegenwärtigen Laufvögeln, die hühnergleich herumstolzieren, von Hasen, von Enten und sonstigem Getier, sorry, von internationalen Campern. Ein farbenfrohes Purpurhuhn, hier Pukeko genannt, stapft auf großen Füßen an uns vorbei, von Campern lässt es sich nicht stören ...
Wir sind hier also genau richtig, auch ein Restaurant ist ganz in der Nähe sowie ein "deutscher Biergarten", den wir uns am nun endlich folgenden Ruhetag genauer ansehen wollen. Ebenfalls geplant ist ein Besuch in einem recht außergewöhnlichen Luftfahrtmuseum, das sich auch hier in der Gegend befindet und einen ausgiebigen Besuch wert sein soll. Man darf gespannt sein, was uns morgen erwartet ..!
© 2020 J. de Haas