Wie lang muss es sein: Modelik Modell Char 2C
"Maßstab-Irrtum" des Konstrukteurs?
Die ersten WK I -Panzer
Wie bekannt arbeiten wir im Rahmen der Rubrik Modellbau schon seit langem intensiv im "Kartonmodellbau". Dort ist ebenfalls bereits seit längerem eine Serie im Maßstab 1:25 in Arbeit, die sich mit den ersten Panzern der Neuzeit befasst. Diese Serie wurde seinerzeit aus aktuellem Anlass begonnen und weil es sich hier im Prinzip insgesamt nur um sechs verschiedene im Ersten Weltkrieg eingesetzte Tanks handelt. Da diese für den heutigen Betrachter äußerst bizarre Konstruktionen darstellen, erschienen sie allein deshalb schon für den Modellbauer höchst interessant.
Erfreulich war bei dieser Serie, dass die sechs aktiv am WK I beteiligten Panzer fast alle als Kartonmodelle gebaut werden können, die im Handel im Maßstab 1:25 erhältlich sind und von polnischen Verlagen stammen: Ein (älteres) Modell vom einstigen Verlag Modelarz, das später durch das gleiche Modell im selben Maßstab von GPM ergänzt werden konnte sowie vier Modelle von Modelik, alles durchweg sehr gute Modellbaubögen.Lediglich ein einziger der sechs
gesuchten Tanks im Maßstab 1:25 war im Handel nicht zu bekommen,
jedoch gelang es, nach umfangreicher Suche im russischen
Modellbaubereich eine Vorlage in einer älteren Bastlerzeitschrift zu
finden. Mit deren Hilfe konnte man letztlich ebenfalls ein sehr
ansprechendes Modell im gesuchten Maßstab anfertigen, das
der Qualität der hervorragenden polnischen Modelle schon (fast
) nahe
kommt ...
Die "Kriegsende-Monster"
Nach dem Bau dieser sechs bzw. sieben Modelle ging es dann aber doch noch weiter: Gegen Ende des WK I hatten sowohl Franzosen, Deutsche als auch die Briten (gemeinsam mit den Amerikanern) etwas begonnen, das (zum Glück!) wegen Kriegsende nicht mehr bei den seitens der Alliierten für das Jahr 1919 geplanten "Durchbruchschlachten" eingesetzt werden konnte. Diesmal waren es nicht nur bizarre, sondern auch noch große monströse Konstruktionen, die eine Wende im Kriegsgeschehen bringen sollten. Für diese kleine Fortsetzungs-Serie wurden nun also noch drei weitere Panzer vorgesehen, die ebenfalls als Kartonmodelle im Maßstab 1:25 bei drei verschiedenen polnischen Verlagen erhältlich sind. Zwei der Vorbilder sollten derart kolossal gewesen sein, dass wohl auch die Modelle eine Länge von fast einem halben Meter erreichen würden. Das größte von diesen stammt von Orlik, eines erneut von GPM und das dritte schließlich von Modelik.
Es ging los mit dem GPM-Modell vom MARK VIII-Liberty, das die stattliche Länge von rund 43 cm hat (Bild links). Danach war das Modelik-Modell an der Reihe, der französische "Durchbruchpanzer" Char 2C, der ebenfalls zu den größten Panzern gehört, die je in der Kriegsgeschichte gebaut wurden.Das Modell wurde wieder mal beim Kartonmodellshop bestellt, wo man immer zuverlässig beliefert wird. Das Modell ("monströser französischer Schwerpanzer") wird dort im Maßstab 1:25 gelistet und kostete 15,- EUR (Stand März 2020), zusätzlich wurde für 16,- EUR der Lasercut "Spanten-/Radsatz" sowie der "Kettensatz" für 12,- EUR bestellt. Gesamtpreis also 43,- EUR, und dafür erwartet man dann auch ein schönes Kartonmodell!
So begann der Bau dieses wie üblich recht komplizierten und aus unendlich vielen Einzelteilen bestehenden Modells, bei dem allein die Kettenfertigung ein Übermaß an Geduld erfordert. Eines Tages war das Grundgerüst dieses Modells so weit fertiggestellt, dass etwas auffiel, als es neben dem anderen, schon fertigen "Monster" stand: Bekannt war, dass der britisch/amerikanische MARK VIII im Original die enorme Länge von 10,40 Metern hat, aber der französische "Durchbrecher" Char 2C sollte das mit seinen sage und schreibe 12 Metern Länge eigentlich noch deutlich übertreffen - ein Modell von rund 48 Zentimeter Länge wurde erwartet - bei einem Maßstab von 1:25!
Was stimmt da nicht?
Auffallend nun, dass der Char 2C deutlich kleiner werden würde als erwartet, wie man beim Baufortschritt bemerken konnte - er erreichte nicht einmal die Länge seines britisch/amerikanischen "Kollegen"! Für den Modellbauer und Sammler schrillten in diesem Moment die Alarmglocken: So konnte es wirklich nicht sein, war da was übersehen worden?
Nun, nicht nur die Rechnung bestätigte den Maßstab 1:25, auch das
Titelbild des Bogens hinterließ keinen Zweifel an der Richtigkeit.
Dann ein Blick in die polnische Bauanleitung: Auch dort wird der
Maßstab 1:25 angeführt und sogar die Länge des Originals: stolze 12
Meter! Eine Länge,
die auch durch die
deutsche Wikipedia-Seite und andere Quellen bestätigt wurde. Dann nochmals die Suche auf der Modelik-Webseite: Unter WK I wurde man nicht fündig, aber Google
brachte schließlich unter der cat.no. 1102 das Modell doch noch zum
Vorschein: Nicht nur deutlich als 1:25 Modell ausgewiesen, sondern
sogar auch mit Angabe der Modelllänge: 411 mm!
Nun hieß es ganz einfach mal rechnen: Wie lang müsste ein
Original von 12 Meter Länge beim Maßstab 1:25 sein? Richtig: 48 cm!
Das Modell war zwar noch nicht fertig, aber die 411
mm der Webseite erschienen ziemlich passend und das bedeutete, es fehlten
rund 7
cm! Rein rechnerisch kam man so auf einen Maßstab 1:29 - großer Ärger
die Folge: Was soll so ein Teil in der
Sammlung und wieso stimmt der überall angegebene Maßstab nicht?
Irrtum von Konstrukteur und Verlag? Eigentlich kaum denkbar. Also hieß es Kontakt aufnehmen mit Modelik, und gut, dass wir
vom Verlag schon Janusz Oleś kannten, der einst
bereits Bilder unseres fertigen Mark A Whippet
auf seiner
Webseite eingestellt hatte.
Janusz meldete sich nach der Anfrage mit der englischen Wikipedia-Seite zum Char 2C und verwies auf die dort angegebene Länge von 10,27 m, die auch andere Quellen erwähnen würden. Und siehe da: Das ergäbe bei einem Maßstab von 1:25 tatsächlich nur rund 41 cm, also noch etwas weniger als beim Mark VIII.
Was also war da los? Es hieß somit weitere Quellen zu wälzen, darunter auch verschiedene französische Informationen. Ein altes Foto vom Char 2C Nr. 97 "Normandie" zeigte 13 Soldaten aufgereiht vor ihm stehen, ungefähr also eine komplette Besatzung. Anhand der Personen auf dem Bild vor dem Panzer konnte man bereits allein durch Nachmessen tatsächlich nur eine Länge des "Durchbruchpanzers" von knapp über 10 Meter schätzen - und keinesfalls die erwarteten 12 Meter. Also weiter Quellen studieren!
Plötzlich stießen wir auf einen
alten Artikel, der die Lösung brachte,
außerdem sah man nun Bilder, die das bestätigten: Dieser Panzer
hatte, wie bereits zwei andere französische Panzer, am Heck ein
optionales Stützgestell, eine Art "Kufenrutsche" für die Überquerung
großer Gräben. Auch erklären sich damit die großen Ösen am Bug und
Heck des Panzers, die nicht nur zum Einhängen in
Schienen-Drehgestelle dienen: Hier können Zusatzteile wie auch ein
"Rammbock" vorn eingehängt werden, wie tatsächlich auf alten
Fotos nach längerem Suchen noch herauszufinden war.
Anders als bei
den beiden im Krieg eingesetzten Panzern Renault FT und Schneider CA1 war das Stützgestell am
Heck grundsätzlich abnehmbar und nach dem Anbringen auch des
"Rammbocks" kam der Panzer auf insgesamt
rund 12 Meter Länge - des Rätsels Lösung der unterschiedlichen Angaben in
unterschiedlichen Quellen! Wir veranlassten nun bei der
deutschen
Wikipedia-Seite eine Ergänzung, die Genaueres zu den beiden Angaben
10,27 Meter sowie 12 Meter macht und hatten jetzt außerdem Gewissheit, was wir
natürlich auch Janusz Oleś mitteilten: Das
Model war korrekt und man konnte in Ruhe weiterbauen - der Maßstab
1:25 der Serie war gerettet!
Aber sollte man nicht später doch noch dieses Stützgestell am
Heck selber bauen, was das Modell nicht vorsieht? War da nicht
noch irgendetwas übrig vom GPM-Bausatz des Renault FT,
der so etwas auch hat? Nein, der passt wirklich nicht, so etwas müsste
man also
selbst neu machen. Und was ist mit dem ebenfalls optionalen
"Rammbock" vorn, einem quer verlaufenden Stahlträger? Nun,
diese Teile haben wir
natürlich
auch gebaut!
© 2021 J. de Haas
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