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Zu zwei sehr bekannten Bergpisten im Hohen Atlas

Cathedrale des Roches und Cirque de Jaffar sind den Marokkofahrern wohlbekannte Ziele im Hohen Atlas und diese wollen wir nun erkunden. Unser Treffpunkt ist das kleine Dorf Agouti am Nordhang von Marokkos zweitem Viertausender, dem Irhil M´Goun, über den Roland einige Tourbeschreibungen liest und dann beschließt, auf diesen langen Hatscher zu verzichten. Stattdessen fahren wir über Tabant, das Marktzentrum des "Tals der Glücklichen", wie es wegen der blühenden Landwirtschaft genannt wird, und über den 2.642 Meter hohen Pass Tizi-n-Ilissi weiter bis zum Dorf Zaouiat Ahansal, wo wir in einer Bar essen wollen.

Der schwarze Mann an der Theke hat aber nichts, nur ein Omelett könne er uns machen. Gut, dann eben ein Omelett Berber für vier Personen. Nach dem Abkassieren staunen wir noch Tage über den niedrigen Preis und können uns das eigentlich nur durch einen Rechenfehler des Barmannes erklären. Jedenfalls nicht zu unserem Schaden, wie in den Touristenzentren sonst üblich ...

Unser Extremsportler hat über diesen Ort Erstaunliches aus seiner alpinistischen Fachliteratur erfahren: Er sei Ausgangsort für wahrhaft extreme Klettertouren und ein Kommentar im Kletterführer macht mich neugierig: "Die Wand unweit von Ahansal sei geeignet für Alpinisten, die sich im neunten und zehnten Schwierigkeitsgrad bei alpinen Bedingungen wohl fühlten." Davon dürfte es auf der ganzen Welt nur einige Handvoll geben. Die bayrischen Huberbuam gehören dazu und waren schon hier.

Bar in Ahansal Zaouiat Ahansal
Zinkmine im Hintergrund Blick hinauf zum Felsendom Cathedrale des Roches ... ... und Blick hinab auf ihn ...

Eine nette Seite über das Klettern dort stammt von zwei sportlichen Mädels, ein Klick darauf lohnt sich.

Wir gehen aber nicht zum Fuß dieser Wand. Aus Zeitnot? Aus Faulheit? Ich weiß es nicht mehr, ärgere mich aber noch lange, diese Chance verpasst zu haben. Roland und ich hätten dort alpinistische Geschichte schreiben können!

Nach einer Übernachtung neben der kaum befahrenen Teerstraße geht es durch abwechslungsreiche Bergwelten weiter bis zum bekannten Felsendom Cathedrale des Roches: In der Gegend wurden früher Zinkminen betrieben, wie überhaupt der Hohe Atlas einiges an Bergbau ermöglichte. Der Felsendom selbst erscheint riesig und imposant, wenn man unter ihm steht. Er hat aber im Vergleich mit den Nachbarbergen eher eine kleine Gestalt.

Etwa 10 Kilometer weiter im Ort Tilougguite ist gerade Markttag und wir suchen ein Lokal zum Mittagessen: Die fünf oder sechs Bars am Platz sind gut besetzt mit einheimischen Männern, aber alle haben nur ein Glas Tee vor sich stehen. Wir suchen und fragen eine ganze Weile, bis wir endlich etwas zu essen bestellen können: Wieder nur ein Omelette Berber! Auf Gastronomie sind die hier nicht eingestellt, die Wirte müssen dann eben von den wenigen Dirham für den Tee leben ...

Um zu unserer nächsten Piste zu kommen, müssen wir vom Marktplatz aus die Straße, über die wir gekommen sind, wieder einige Kilometer zurückfahren, nicht ganz bis zum Felsendom. Dort am Fluss Assif Melloul ist so eine Art Ferienlager oder Zeltplatz für junge Leute oder Sportler. Genau hier beginnt die Piste flussabwärts und sie wird die schönste Piste unserer ganzen Reise werden: Gute 30 Kilometer verläuft eine schmale Naturpiste immer nahe an der Abbruchkante und nur wenige Meter über dem Fluss. Für große LKW wären einige Stellen sehr knifflig und würden Mut und perfekte Beherrschung des Fahrzeugs verlangen. Unsere nur zwei Meter breiten Kleinlaster haben es gut und genießen den Weg. Mittendrin kommen wir einmal sehr nahe an den Fluss heran, nehmen eine kleine Stufe hinunter und stehen dann auf einer Sandbank direkt neben dem Wasser: Das ist unser genialer Übernachtungsplatz!

Schmale Piste zwischen Felsen und Abgrund Viel größer sollte das Auto nicht sein ... Kein Gegenverkehr! ;-))
Die Brücke hielt ... Eine wirklich spannende Piste!
Genialer Nachtplatz am Fluss ... Duschvorhang vergessen! ;-)) Wir verlassen das Tal und genießen die Fernsicht

Im Laufe des Nachmittags kommt nur einmal ein mit Passagieren absolut voll beladener Pickup vorbei und später ein Konvoi aus drei Geländewagen mit spanischen, genauer gesagt kanarischen Offroadern. Da es zurzeit keine Fährverbindung für die 200 Kilometer von den Kanaren nach Marokko gibt, mussten sie einen riesigen Umweg nehmen: Fast 1.000 Kilometer Fähre bis Cadiz, dann 100 Kilometer bis Algeciras und noch zwei Stunden Fähre bis Tanger Med. Was tut man nicht alles für die Pisten in Marokko ..!

Nach etwa 30 Kilometer müssen wir das Tal des Assif Melloul verlassen, der Weg am Bach endet etwa einen Kilometer weiter an einer Auberge. Über zahlreiche Kehren gewinnen wir wieder an Höhe und an Fernsicht. Auf der inzwischen guten Teerstraße kommen wir über offenes Gelände und einigen Hügeln an einem kleinen Dorf namens Tasraft vorbei, wo gerade einige Marktstände aufgebaut sind.

Wir parken die Autos am Ortsrand und mischen uns unter die Leute: Sonja kauft eine große Tüte Walnüsse und schenkt einigen Kindern neben ihr je eine Nuss. Sofort ist sie umringt von einer dicken Traube lachender Kinder unterschiedlichen Alters, die es sich zum lustigen Sport machen, möglichst viele Nüsse zu bekommen. Das kleine dunkelhäutige Mädchen mit den fliegenden Haaren stellt sich mehrmals an und sammelt die erbeuteten Schätze in ihren Taschen. Einige größere Buben werden auch zudringlich und wollen Sonja die Tüte entreißen. Aber es steht immer ein Mann scheinbar zufällig in der Nähe und das sorgt für einen friedlichen Ablauf. Bis zu den Autos läuft die Kinderschar hinter Sonja her und alle freuen sich über das kleine Abenteuer ...

Viele Walnüsse kaufen ... Kein Betteln, sondern Sport: Wer kriegt die meisten?
Bis zum Auto geht die lustige Verfolgung
Rauchender Holzkohlengrill an der Garküche Taxistreik ... Lastmotorräder überall

Von hier ist es nicht mehr weit in den lebhaften Touristenort Imilchil, wo wir an einer Garküche Halt machen und Tajine essen: Wie gewohnt gut zusammengestellt, aber sehr wenig gewürzt. Auch ein Grund für uns, immer öfter selbst zu kochen. Wegen eines Streiks der Taxifahrer stehen die Fahrzeuge aufgereiht und mit Protestfahnen bedeckt am Straßenrand. Es sind fast nur Sprinter älterer Bauart, also solche in stabiler Rahmenbauweise. Andere würden auch zusammenbrechen unter der hier üblichen Beladung. Privat fahren die Kleinbauern solche Lastmotorräder, die aber auch überladen und oft mit 6-8 Personen besetzt sind ...

Circe de Jaffar

Von Imilchil Richtung Midelt führt eine landschaftlich schöne Strecke direkt unter dem höchsten Berg dieser Gegend, dem 3.737 Meter hohen Dj Jebel Ayachi vorbei und zur spektakulären Schlucht von Jaffar, die in grauer Vorzeit von Gebirgsbächen aus dem weitläufigen Einzugsgebiet am Ayachi gegraben worden ist. Unter Offroadern ist dieser Circe de Jaffar ein besonders anziehendes, aber schwieriges Ziel und viele Berichte in den Reiseforen schwärmen von dieser Stelle. Wir fahren nicht direkt von Südwest in die Schlucht ein, sondern von der anderen Seite: Dazu nehmen wir einen Umweg Richtung Midelt und kommen dann über den üblichen Zugang von Norden an die Schlucht.

Die steile Abfahrt in den Talgrund wird oft als Schlüsselstelle beschrieben. Die Steilheit ist aber nicht das Problem, sondern die zahlreichen schrägen Stellen, die besonders bei meinem Fahrzeug mit schmaler Achse und hohem Aufbau ein Risiko darstellen. Deshalb parken wir erst mal oben an der Kante und erwandern die Schlucht zu Fuß. Im Rückblick die beste Entscheidung ..!

Unten angekommen staunen wir über die steilen Felsen und den schmalen Durchbruch, den ein Fahrzeug gerade noch gut passieren kann. Aber der Talgrund ist übersät mit vielen groben Blöcken, die man nur teilweise umfahren kann. Ein LKW mit großen Reifen ist hier deutlich im Vorteil. An einigen Stellen muss aber auch der LKW-Fahrer zaubern und Rampen aus Steinen basteln.

Die schräge Abfahrt sieht auf dem Bild harmlos aus Viele grobe Blöcke im Flussbett Der spektakuläre Canyon Hohe Blöcke erfordern große Reifen ...
... oder eine Zauberei mit Rampenbau Die Durchfahrt links, mit Steinblöcken versperrt Über 1x1x1 Meter misst der herabgestürzte Brocken

Eine bestimmte Stelle hat schon einige Male zu Konflikten zwischen Touristen und dort ansässigen Hirten geführt: Letztere hatten die einzige Durchfahrt mit mehreren großen, angeblich heruntergefallenen Steinen blockiert und den Fahrern der Autos ihre Hilfe beim Entfernen der Hindernisse angeboten - gegen Bezahlung natürlich. Doch die Touristen ärgerten sich über diese Masche, rollten die Felsbrocken selbst weg und zahlten nichts. Dafür wurden sie im günstigsten Fall mit Steinen beworfen, manchmal auch richtig bedroht. Vielleicht wäre es klüger gewesen, auf das Wegerecht zu verzichten und den Leuten dort ein paar Dirhams da zu lassen. Leben und leben lassen lautet die Devise und dass wir Europäer deutlich besser leben als diese Hirten ist unbestreitbar ...

Etwa 100 Meter bevor sich die Jaffarschlucht wieder weitet und der Circe de Jaffar beginnt, ist die Durchfahrt seit kurzem durch einen großen, herabgefallenen Steinblock mit gut einem Meter Kantenlänge versperrt. Hier haben schon mehrere Fahrer umgedreht, zuletzt ein Landyfahrer am Vortag, wie wir erfahren. Wir messen zwar 280 cm zwischen den beiden unverrückbaren Felsen links und rechts, eigentlich ausreichend für ein Auto. Aber die Engstelle kann man nicht gerade durchfahren, sondern sie muss wegen Felsbrocken etwas quer angefahren werden und dann reicht die Breite nicht mehr. Im Notfall, also wenn man da unbedingt durch muss, würde man einen Tag Arbeit investieren und eine Rampe aus Steinen aufschichten, damit die Engstelle gerade durchfahren werden kann. Baumaterial wäre genügend vor Ort ...

Mitten in der Schlucht hören wir plötzlich Motorengeräusch und ein grüner Mercedes 1116 Kurzhauber kommt um die Ecke: Ole und Andrea aus Schleswig-Holstein haben sich ein Sabattical-Jahr gegönnt und fahren mit ihren beiden Kindern durch Afrika. Die Freistellung der schulpflichtigen Kinder vom Unterricht wäre bei uns in Bayern nie und nimmer genehmigt worden. Da scheinen die Norddeutschen um einiges lockerer zu sein. Die Familie hat gestern die schräge Abfahrt mit mulmigem Gefühl und dem Trost, da nicht mehr hochzumüssen, erfolgreich gemeistert und unten im Flussbett übernachtet. Nach 12 Jahren Regenpause in Marokko und derzeit guter Wetterlage konnten sie das auch getrost riskieren. Aber der Felsblock zwang sie zur Umkehr und dazu, die schräge Piste heute erneut zu wagen. Auf dem Bild sieht das wie immer gar nicht so dramatisch aus. Die Auffahrt ist aber schwieriger als die Talfahrt gestern und wir helfen ihnen, einige besonders krasse Stellen mit Aufschütten von Steinen zu entschärfen.

Man braucht hier große Reifen und viel Bodenfreiheit Der Hirte belästigt uns nicht ... Subjektiv empfunden, aber nicht objektiv extrem schräg ...

Langsam geht es heimwärts

Zehn Wochen sind eine lange Zeit für eine so aktive Reise wie unsere. Mehr als zwei Tage haben wir es nirgends ausgehalten, abgesehen von dem verletzungsbedingten Zwangsaufenthalt ganz am Anfang. Wir waren nämlich nicht auf Erholung im warmen Süden aus, sondern auf Reiseabenteuer und davon gab es genügend. Zwei Pointen auf dem langsamen Rückweg zum Fährhafen sollen aber noch erzählt werden, ohne den Rahmen dieser Reiseberichte zu sprengen ...

Von Midelt aus rollen wir vorwiegend auf Nebenstraßen nach Norden und queren die großen Zedernwälder im Mittleren Atlas. Beeindruckende Baumgiganten stehen im Nationalpark Ifrane, etwa 30 km südlich der Königsstadt Fes herum. Auf einer hochinteressanten Wanderung durch den Wald können wir an dem sauber bearbeiteten Baumstumpf eines gefällten Riesen ungefähr 340 Jahresringe zählen. Wir finden einen idyllischen Stellplatz unter den Baumkronen und werden im Laufe des Abends mehrfach besucht von Schafherden und einer Gruppe von Eseln, die von der Waldweide nach Hause getrieben werden.

Später kommen wir auch an den dort lebenden Berberaffen vorbei: Zuerst einzelne scheue Individuen, die sich schnell im Astwerk verstecken. Aber im Ifrane-Park gibt es einen touristischen Hotspot, wo die Affen an das Füttern durch Touristen gewöhnt sind, sich vermehrt haben und auch ganz schön frech werden können. Ein erwachsenes Männchen hat keine Geduld mit dem zu langsam fütternden Andi und zwickt ihn kräftig in den Oberschenkel.

Nach einem Tag in Fes (okay, kulturell ganz interessant) geht es weiter in den Norden nach Chefchaouen ...

Uralte, mächtige Zedern Wir dachten, wir seien allein  ... ;-)) Affenidylle ...
Magic Chefchaouen Touristisch halt .. Blau in Blau ...

Chefchaouen ist zwar eine sehr touristische Stadt im Rifgebirge, aber die Reise dorthin trotzdem wert. Viele Häuser in der Altstadt sind hellblau getüncht, was der Stadt besonders aus der Ferne einen einzigartigen magischen Touch verleiht. Die quirlige Altstadt bietet abgesehen von berühmten Bauwerken alles, was die großen Königsstädte auch haben, bleibt aber viel überschaubarer.

Ich finde auf dem Basar unter Hunderten von hässlich grellbunten Textilien ein Kleidchen für meine achtjährige Enkelin Clara, das mir sehr gut gefällt. Beim Handeln habe ich schon gelernt, dass der Verkäufer im ersten Angebot weit mehr als 100% aufschlägt und es ist ein Leichtes, ihn von 500 Dirham auf 250 runterzudrücken. Weiter geht er aber nicht und ich stelle den Kauf erst mal zurück, auch weil ich noch keinen Warenüberblick von anderen Händlern gewonnen habe.

Zwei Tage später und kurz vor unserer Weiterfahrt renne ich noch einmal zu dem Laden, nehme mir 220 Dirham als Verhandlungsziel vor und freue mich, dass das Kleid noch am Haken hängt. Es ist aber ein anderer Verkäufer am Stand, vielleicht der erwachsene Sohn des Besitzers. Auf meine eher uninteressierte Frage, was das Teil denn kosten solle, bekomme ich ein Angebot über 250 Dirham, welches ich noch bis 150 drücken kann. So ein Schnäppchen und meine kleine Clara wird es stolz zu ihrem Lieblingskleid machen, soviel vorab ...

Mein persönliches Fazit

Fazit durchwachsen ..?Marokko ist zweifellos ein faszinierendes Reiseland und bietet dem Offroader eine riesige Spielwiese. Aber ich bin mit Land und Leuten nicht so warm geworden wie viele meiner Reisefreunde aus der Bremachgruppe oder aus den einschlägigen Reiseforen. Mangels französischer Sprachkenntnisse und aufgrund unserer Reiseform als ziemlich autarke Gruppe kann man auch nicht erwarten, dass wir irgendwo in eine Familie eingeladen werden und eine Innenansicht erhalten.

Und so beschränkten sich unsere durchaus zahlreichen Kontakte mit den Menschen fast ausschließlich auf das klassische Rollenverhältnis: Tourist wird angebettelt, angemacht, zur Annahme einer Dienstleistung gedrängt und abgezockt, oft hartnäckig, einmal sogar sehr aggressiv. Das hat uns den Spaß an der Fahrt nicht verdorben, es gab ja einige Ausnahmen, aber in Anbetracht der weiten Anfahrt und einer Kultur, die mich nicht übermäßig neugierig macht, werde ich sicher nicht zu einem Fan von Nordafrika, wie etwa meine Reisefreunde Harry oder Arno ...


© 2023 Sepp Reithmeier, Fotos: Sepp Reithmeier, Sonja Ertl, Roland Schömer 


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