Mo 08.09.03: Zur Ostküste ...
In drei Tagen würde es wieder auf die Fähre gehen - nicht mehr allzu viel Zeit für weitere Erkundungstouren auf der Insel. Also wohin von Asbyrgi aus? Wir können heute morgen wieder einen Luftdruckanstieg von 7 mbar (!) feststellen, die atmosphärische Achterbahnfahrt scheint sich fortzusetzen.
Und heute ist auch wieder das Wetter dementsprechend: Ein strahlend blauer Himmel wölbt sich über unserem "magischen" Ort, als wir Richtung Nordosten aufbrechen - wir wollen über die pistenartige Straße 867 an die Nordostküste gelangen. Ganz nach Norden, z.B. wieder bis zum Leuchtturm Hraunhafnartangi, den wir zuletzt bei unserer Tour Island 97 besucht hatten, wollen wir bei dieser Reise allerdings nicht mehr fahren.
Die Straße 867, die anfangs mehr eine der nun schon wieder gewohnten Rüttelpisten darstellt, führt quer durch die Öxarfjarðarheidi, eine wunderbare Landschaft, in der sich weite Geröllebenen mit langgestreckten Hügelketten abwechseln.
Wir erreichen eine Nothütte, in der ein Gästebuch ausliegt: Eintrag ist hier offenbar für jeden Vorbeikommenden Pflicht ...
Niemand weiß, warum uns ausgerechnet hier, im Anblick der sonnenbeschienenen weiten und kahlen Ebenen gleichzeitig einfällt, was wir in dieses Gästebuch eintragen. Es ist die Aufschrift vom Grab des Dichters W.B. Yeats auf dem Friedhof von Drumcliff im fernen irischen County Sligo, die wir hier hinterlassen: "Cast a cold eye on life / on death / horseman pass by" ... Wir ergänzen die URL unseres Magazins und fahren weiter - mit ziemlicher Sicherheit wohl der letzte Eintrag im Hüttenbuch für diese Saison ...
Unser Ziel ist auch bei dieser Reise die Ortschaft Thórshöfn (Karte/17), die wir uns ´97 nur kurz angeschaut hatten, bevor wir bei nicht allzu guter Stimmung wieder weiter gefahren waren - dort wollten wir damals nicht bleiben. Doch dieses Mal wollen wir einen erneuten Anlauf wagen: Wir erreichen die Straße 85 und wissen, dass wir mit der 867 die letzte Piste unserer diesjährigen Reise absolviert haben - die Rücksicht auf das Redaktionsfahrzeug verbietet allerdings jeden Anflug von diesbezüglicher Trauer ...
Der Supermarkt von Thórshöfn gegenüber der allgegenwärtigen Vinbúd wird genutzt zum Auffüllen unserer Vorräte: Überall gibt es wie so oft nur große Portionen, Single-Familien sind hierzulande noch weitgehend unbekannt und hier im Osten ist das Angebot doch deutlich reduzierter im Vergleich zu dem, was wir bisher gewohnt waren vorzufinden.
Dafür sind die Bigfoot.-Freunde hier stark vertreten: Kaum eine Hausfrau, die nicht in ihren Jeep, Pickup oder Defender steigt, der auf extra großen Schlappen daherwalzt - glückliches Thórshöfn, deine Autofahrer mögen sowas eben!
Wir fahren wieder zum kostenlosen Campground des Ortes (N66.19873° W015.32864°), der bezüglich seines Toilettenhäuschens einen sehr gepflegten Eindruck macht. Er liegt unweit der örtlichen Polizeistation - der Polizeichef wird die Gelegenheit nutzen und noch mehrfach an den einzigen Campern seines Ortes vorbei Streife fahren - wir fühlen uns nun vollkommen sicher!
Es wird am Nachmittag wieder so warm, dass wir unser Willkommens-Bier hinter einem "Bierschatten" abstellen und auch unsere Drachen, die wieder mal Erwachsene und Kinder des Ortes zu unserem einsamen Campground pilgern lässt, stehen im blauen Himmel in gleißendem Sonnenlicht.
Am Toilettenhäuschen angebracht ein Schild, das Werbung macht für die örtliche Hafenbar mit Restaurant, die es hier wohl gibt - sicher für diese Gegend Islands eine recht seltene Attraktion. Dieser Eindruck wird bestätigt durch den Hinweis auf dem Schild, dass die Hafenbar 87 km von Asbyrgi entfernt liegt - was Näheres und Besseres wird es hier wohl kaum geben!
Als es Abend wird und die Sonne sinkt, kriechen dicke Nebelwände über die nahen Hänge und wälzen sich auf den Ort zu - perfekte Szenerie wie in Carpenter´s "Nebel des Grauens". Bevor es uns zu sehr gruselt, beschließen wir, sofort die Hafenbar aufzusuchen und das Grauen dort erfolgreich mit einem einheimischen "Viking"-Bier zu bekämpfen ...
Nur wenige Gäste bevölkern die abendliche Bar, einige Männer sitzen hier bei ihrem Abendessen. Tresen gibt es in isländischen Bars nicht, angelsächsische Sitten sind hier wirklich noch nicht eingezogen. Also trinken wir unser Bier am Tisch, und wie in der Euro-"Extratour" Island bereits erwähnt, kostet uns ein 0,5 l Viking-Bier 550 ISK: Mit mehr als 6,- EUR ist es damit zwar deutlich teurer als zu Beginn unserer "Achsen-Tour" auf Rømø in Dänemark, aber immer noch etwas billiger als einst auf dem schwedischen Flughafen Stockholm-Arlanda - es war eben schon immer teurer, einen besonderen Geschmack zu haben!
Nach einem weiteren Bier - so einen Preis muss man doch nutzen! - gehen wir zurück zum Camp, vorbei am abendlichen Hafen, an dem sich vorbei immer noch dichte Nebel wälzen. Es ist mittlerweile 21:00 Uhr geworden und wir haben nur noch 5°C - der Temperaturunterschied zwischen dem Nachmittag und Abend wird allmählich bereits beachtlich.
Die letzten Blaubeeren aus Asbyrgi kommen heute Abend auf den Pfannkuchen - ein schmackhaftes Erinnerungsessen an unseren "magischen" Ort hält das Erlebte wach. Die Erinnerung wird auch anderweitig lebendig, als wir im Laufe der Nacht aus dem Fenster schauen: Diesmal sind es einzelne Polarlichter, die durch den Nebel sichtbar werden - wieder sind sie schwarz-weiß und heute vermutlich auch weiter sichtbar: In den Tagebucheintragungen unserer "Parallelreisenden" um Rainer Seefried finden sich an diesem Abend ebenfalls Hinweise auf ein Himmelsspektakel ...
Di 09.09.03: Was macht die Fischfabrik?
Nach dem Frühstück überlegen wir noch, ob wir nicht noch hier bleiben sollten - einen Tag könnten wir uns durchaus noch leisten und die Umgebung erscheint unverändert einladend. Doch dann fällt der Blick nicht nur auf den Suunto, sondern auch noch in Richtung des kommenden Wettergeschehens: Aus der Hauptwindrichtung naht eine massive schwarze Wand, die nichts Gutes befürchten lässt.
Also einpacken und auf nach Süden! Die Weiterfahrt nach Vopnafjörður (Karte/18) ist vorgesehen, wo wir ebenfalls bereits ´97 auf dem kostenlosen Campingplatz gestanden hatten.
Bevor wir Thórshöfn verlassen, fahren noch einmal kurz am Hafen vorbei: Die Hafenbar ist bereits geöffnet, aber heute verzichten wir auf einen Besuch!
Die Straße 85 nach Süden führt zum Teil dicht am Meer vorbei, wo sich wunderbare Aussichten bieten und wir auch Bojen für den heimischen Garten sammeln können - sie zieren noch heute die Terrasse am Standort des Explorer Magazins!
Wir erreichen Vopnafjörður, den Ort mit der Fischfabrik - im Gegensatz zu ´97 ist diesmal nichts von ihr zu bemerken: Wir erinnern uns noch gut an den extremen Gestank, der damals über dem ganzen Ort lag ...
Der Supermarkt von damals ist ebenfalls noch am selben Platz, nach den Einkäufen machen wir uns unverzüglich auf zu "unserem" Campground: Auch der ist noch unverändert und gehört wieder mal uns ganz allein. Wir erinnern uns sofort, dass der Platz während der Hauptsaison eigentlich gar nicht kostenlos ist: Doch heute wie damals kommt niemand vorbei, um von uns irgend was zu kassieren für den recht schönen Stellplatz etwas oberhalb vom Ort (N65.75727° W014.82714°) ...
Aufgrund des steifen Winds steht auch hier bald die 30m-Schlange im Himmel - erneut eine Attraktion für die örtliche Jugend, die diesmal sogar vom benachbarten Sportplatz und auch vom Kindergarten aus zu uns pilgert ...
Dieses Mal gibt es auch wieder Interessenten, die uns alles abkaufen und die Bauweise erläutert haben wollen: Wir erklären wie so oft, dass die Teile unverkäuflich sind und geben ihnen die URL unseres Schlangenrechners, vielleicht gelingt ja der Eigenbau ...
Wie vor 6 Jahren bietet sich am Abend draußen ein schöner Anblick. Es ist mit Ausnahme des diesmal schönen Wetters fast so wie damals, wenn wir in unserem alten Bericht lesen: "Wir haben knappe 8°C bei Wind und Regen, Windchill nicht eingerechnet, unsere Heizung läuft und begleitet uns in den Abend vor der Lichterkette des Hafens von Vopnafjörður, den man aus den Fenstern des Explorers von der Höhe unseres Übernachtungsplatzes weit unten leuchten sehen kann ..."
© 2004 Text/Bilder J. de Haas
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