Nicht schon wieder ein Dia-Abend:Reisedokumentation mit "Tripline" |
Es muss gefühlt im Jahr 1969 gewesen sein, als ich einen Onkel hatte, der regelmäßig alte VW Busse kaufte, diese Fahrzeug dann in Richtung Kurdistan verbrachte und dort problemlos veräußerte, um schließlich mit dem schönen Gewinn per Flugzeug wieder die Heimat zu erreichen ...
Leider war er allerdings nebenbei auch noch begeisterter Hobbyfotograf: Kaum war er sechs Wochen zuhause, wurde man deshalb zum Begutachten der 1000 besten Dias geladen - eine absolute Strafe für Minderjährige - "but time goes by"!
"Hey, ihr seit doch immer so interessant unterwegs, zeig doch mal ein paar Bilder!" ... "Ähm, die willst du nicht alle sehen, viel zu viele ..." "Ja, dann wähl doch einfach ein paar aus. Wir würden ja auch gerne mal, aber ..." (Beliebige Argumentation, warum bisher so etwas aber doch nicht geschah: Zu gefährlich, zu teuer, keine Zeit, und da sind ja noch die Kinder ...)
Nein, ich möchte auch keinen Reiseblog schreiben, das machen schon zu viele, zu fast jeder Ecke auf dieser Welt kann man das nachlesen, wer wann und wo einen Platten hatte, wieso das Wetter wieder blöd war, warum die Mücken am See dann doch nicht so schlimm oder aber noch viel schlimmer waren und wieso Werner, Paul oder Beate dann schließlich auch noch reisekrank geworden sind ...
Ich möchte keinen extra Speicherplatz mieten, um dann gezwungen zu sein, über all meine Schritte zu berichten. Aber schon fragt der nächste nach Berichten - also was tun? Über lange Zeit, nur mit dem alten Jeep und dem Dachzelt unterwegs, konnte man das noch ignorieren, aber seit unsere "Schnarchkapsel" neben dem Haus steht (Anm. der Red.: Gemeint ist damit eine Pickup-Wohnkabine, und in diesem Fall das uns gut bekannte Fernweh-Mobil! ), nehmen die Fragen zu den diversen Unternehmungen wieder zu: "Wo wart ihr, wie klappt das, was für Wege findet ihr, seid ihr tatsächlich so leicht unterwegs ..." - da sind sie wieder, die bekannten Fragen, und so oft möchte man die Geschichten dann doch nicht erzählen.
Durch Zufall - keine Ahnung, was ich im Netz gesucht habe, vielleicht den nächsten Reise-Blog -, bin ich dann über eine Seite gestolpert, die sich Tripline nennt. Beim ersten Ansehen wirkt es so, als ob dort Menschen nur ihre Reiseroute speichern, aber dann finde ich einzelne, die ein paar Bilder dabei haben, manche schreiben sogar ein wenig, viel gibt das zunächst weiter nicht her.
Wenig später: Es ist ein herbstlicher Sonntag, wir sitzen bei meinen Eltern zum Kaffee und dann kommt doch tatsächlich von meiner Mutter die Frage: "Habt ihr denn gar keine Fotos oder Dias von euren Reisen ..?" "Nö, sowas gibt´s nicht mehr, nur noch digital ..." "Oh schön, dann zeig doch mal!" "Alle 3.000 ???" "Ähm, ja, okay ... "
Und dann fiel mir Tripline wieder ein! Nach der Anmeldung dort tut sich dann doch eine etwas andere Welt auf als zunächst vermutet. Man fängt damit an, dass man seine erste "Map" erstellen kann, das Ding bekommt auch einen Namen. Schon Bilbo Beutlin wäre hierüber vermutlich glücklich gewesen. Man hat jetzt die Möglichkeit, beliebig viele Orte auf seiner Strecke chronologisch zu benennen, doof nur, wenn man einen vergessen hat, einfach einfügen geht nämlich nicht, man muss die ganze Liste neu erarbeiten. Der gute alte Papierzettel hilft aber ungemein zur Vorbereitung.
Das Programm ist so "intelligent", dass es nach Eingabe der Ortsnamen diese sogar auf der Karte findet und mit Nummern versieht, außerdem ist es in der Lage, die zugehörigen Entfernungen auszurechnen. Jeder Ort ist mit Datum und Zeit zu beschriften und schon hat man einen Reiseplan - allerdings immer noch nichts, was man der Mutter zeigen kann.
Mit dem zugehörigen Icon lassen sich nun noch die ausgesuchten Bilder einfügen, wahrlich eine Mammutaufgabe, schnell ist der Upload wirklich nicht, das mag aber auch an unseren 0815 Rechnern liegen, die beim Kauf nicht gewusst hatten, was sie plötzlich alles leisten sollen ...
Das Wunderbare ist aber, dass man jederzeit - bei Lustlosigkeit, schönem Wetter oder Stromausfall - unterbrechen kann, die Seite wird erst ganz am Ende öffentlich geschaltet.
Einzige Einschränkung: Das Programm mag keine Bilder mit Größe über 10 MB und ein Upload-Filter, bzw. Verkleinerer ist nicht installiert. Meine Frau aber liebt ihre Canon EOS und weil die so schöne Auflösungen hat, macht sie Bilder mit gut und gerne 25 MB. Also suchen wir im Netz nach einem "Verkleinerer": Das Bildformat "JPG" ist absolut kein Problem, nur warum Canon seine Bilder in einem Extraformat speichert, das entzieht sich meiner Kenntnis. Gefühlte Stunden bis Tage später dann die Lösung, die alte Bildverwaltungssoftware Picasa kann das noch, das Programm wird zwar nicht mehr weiterentwickelt, lässt sich aber noch wunderbar nutzen ... und plötzlich wird auch der Upload deutlich schneller (und im nächsten Jahr achten wir vorher auf das Speicherformat ).
Aus über 3.000 Bildern ist so ein chronologischer Ablauf mit etwa 300 der besten Bilder geworden, sogar Videos lassen sich via Youtube-Link in das Ganze mit einbinden - ich finde, eine schöne Auflockerung!
Und um nicht jedem die ganze Geschichte dazu erzählen zu müssen, die wohl auch nicht jeder hören will, kann man ganz in Ruhe seinen Text bearbeiten. Bei uns hat es etwa 3-4 Wochen gedauert, jeweils abends bei einem Glas Wein ... oder zwei ... oder ..., bis wir alle Bilder hochgeladen und mit einem entsprechenden Text versehen hatten. Unproblematisch ist es, Hyperlinks für weitere Erläuterungen einzubinden: Sei es ein Verweis auf Wikipedia, ein Youtube-Video oder einen Reiseartikel, der einem ganz besonders gefallen hat.
Nachdem wir beide dann endlich zufrieden waren, haben wir unseren Beitrag öffentlich gestellt. Von der Seite wurde anschließend noch ein QR Code erzeugt und jeder, der nun fragte, damit versorgt. Wer mit QR nichts anzufangen wusste, bekam unseren Link dazu mitgeteilt und konnte so den gewünschten Bericht auswählen. Mein alter Nickname "Maddoc" wurde so wieder einmal reaktiviert.
Es gab nun keine Dia-Abende mehr, aber fast 3.000 Menschen haben sich mittlerweile unsere Berichte angesehen, das Feedback war durch die Bank sehr gut, konnte doch jeder immer zwischendurch unterbrechen und weiterlesen, wann immer ihm danach war. Manche interessieren sich nur für die Bilder, andere lesen den ganzen Text und freuen sich auch über kleine Anmerkungen, die sie dann teilweise selber während des eigenen Urlaubs berücksichtigt haben.
Meine Mutter war dann auch zufrieden, bei einem Kaffee konnte sie sich nun ganz in Ruhe die Bilder unserer Reise auf dem Smartphone anschauen - und ich muss keinen Reiseblog schreiben, wobei, so ein bisschen ist es dann doch einer geworden ...
Aber nun noch ein paar wenige Ergänzungen zum Handling von Tripline selbst: Sicher ist es möglich, sich während der Reise bei McDonalds oder Starbucks aufzuhalten oder andere Orte zu finden, die freies WLAN bieten. Hier funktioniert der Upload mit guter Zuverlässigkeit, mobil dauert das Ganze allerdings ewig und ist nicht wirklich zu empfehlen.
Wie viele Bilder tatsächlich hochgeladen werden können, kann ich derzeit nicht sagen, meine 300 im letzten Bericht hat das Programm problemlos angenommen.
Beim Text ist man pro Reisepunkt auf 3.000 Worte limitiert - ich glaube kaum, dass ich zu einem Punkt mehr zu sagen, geschweige denn zu schreiben hätte. Wer mehr zu erzählen hat, kann einen Ort ja in mehrere Stationen aufteilen, dann sollte fast auch ein Buch möglich sein ... (Anm. der Red.: Siehe unseren Testbericht und die Feststellungen dazu!)
Der Anbieter von Tripline macht das bisher auf privater Basis, ist gegenüber Zuwendungen aber nicht abgeneigt. Von daher glaube ich, dass dieses Programm, zumal es bisher als Beta-Version bezeichnet wird, noch länger am Markt sein wird (auch im App-Store oder Play-Store ist es inzwischen zu finden, ich mag die PC-Version allerdings lieber).
Wer allerdings Bedenken hat, dass sein Text im Nirvana verschwinden könnte, der kann sich diesen mit wenigen Mausklicks speichern. Hierzu muss man auf "print" gehen, den Text kopieren und dort ablegen, wo man möchte - bevorzugt in dem Ordner, wo man auch die bearbeitete (und natürlich verkleinerte) Fotoauswahl gespeichert hat. So hat man zuletzt sogar sein persönliches Fotobuch ...
Zunächst erfolgt das Erstellen einer neuen Karte (New Map, obere Zeile erstes Bild links). Anschließend kann man Name und Beschreibung wählen (zweites Bild oben links).
Nun kann man mit der eigenen Reise loslegen (drittes Bild oben links). Es lassen sich jetzt alle Orte eintragen (ich habe es bisher nur zu 101 verschiedenen gebracht) und mit Datum und Uhrzeit versehen. Zur ebenfalls möglichen Koordinateneingabe siehe Nachtrag unten.
In der Eingabemaske oben kann man dann die persönlichen Ergüsse, Empfindungen und Gedanken eintragen, sowie alle Ergänzungen oder Hinweise auf Webseiten. Die privaten Notizen werden nicht im späteren Bericht angezeigt.
Die Bildauswahl (Bild oben rechts) erfolgt ebenfalls über das Icon oben rechts in der Eingabemaske, man braucht nur noch aus der eigenen Galerie die gewünschten Aufnahmen hochladen. Auch Facebook, Flickr oder Instagram-Bilder können dabei Verwendung finden. Wenn man mit dem Ergebnis zufrieden ist, heißt es das Ganze von privat auf öffentlich zu stellen. Das fertige Produkt kann dann in etwa so aussehen wie auf den beiden Bildern in der zweiten Reihe oben.
Alle Bilder lassen sich durch Anklicken später vergrößern. Was schön gelöst ist: Der Betrachter kann die Bilder auf der Seite nicht herunterladen, sie bleiben persönliches Eigentum, außer Screenshots ist nichts möglich. Registrierte Tripline-Benutzer können zu den Texten noch (löschbare) Kommentare hinzufügen, aus denen sich ggf. Diskussionen entwickeln.
Und ein Betrachter, der auch die Route auf der Karte oben verfolgen will, kann die dort vorhandenen "Bild-Vor/Bild-Zurück-Pfeile" rechts und links nutzen: Bei der Betätigung rollt das rote Band der Route bis zum nächsten Wegpunkt vor bzw. wieder zurück. Klickt man den Wegpunkt noch an, bekommt man in einem kleinen Kasten einen Teil des zugehörigen Textes, der zusammen mit verkleinerten Bildern hineinpasst.
Ich wünsche nun viel Spaß
beim Erstellen des ganz persönlichen "Reiseblogs" ..!
© 2019 Marc 'Maddoc' Pallasch mit Silke und Lasse
Nachtrag der Red.: GPS-Koordinaten und erste eigene Anwendung
Auf unsere Anfrage bei Tripline zur möglichen Eingabe von GPS-Koordinaten erhielten wir eine positive Rückmeldung: Koordinaten können ebenfalls bei "Place" eingegeben werden, wobei man natürlich nicht so einen schönen "Ortsnamen" wie sonst bekommt:
"You can paste decimal GPS coordinates into the search box and
press Enter to add a place at that location.
For example: 34.052235,
-118.243683"
Mit der Funktion "Edit Maps" können die Koordinaten aller Waypoints auch im "kml"-Format heruntergeladen und so nach Google Earth oder in andere Tools übernommen werden.
Und dann haben auch wir einmal einen Versuch mit Tripline gemacht: Mehr dazu in
den Beiträgen