Wer weiß was in El Cotillo ..?
Natürlich hatten wir gerade die Passagen über El Cotillo in der "Kette" besonders gründlich gelesen, schließlich waren wir hier seit Fuerte 2000 regelmäßig abgestiegen. Damals konnten wir diesen Ort noch als ein "Zurück zur Ursprünglichkeit" erleben, während am heutigen Tag die bereits 2004 erwähnten scheußlichen Hotelklötze in der Nähe der "City" nahezu fertig gestellt sind.
Wir kennen uns also recht gut aus in diesem Ort, den wir vom Flughafen aus wieder wie üblich im Mietgeländewagen angesteuert hatten. Im Maravilla, wo wir wie schon früher auch diesmal wieder abgestiegen sind, haben wir nichts vom Anlass unserer diesjährigen Recherchetour verlauten lassen - so soll es auch bleiben!
Im Schutze der Dunkelheit erreichen wir noch am gleichen Abend das Hafengelände - erste Erkundungen wollen wir nach Möglichkeit ungesehen durchführen und wie üblich als Touristen getarnt.
Bis zum Nachmittag schien alles offenbar einen normalen Verlauf zu nehmen, auch wenn uns die Erinnerung an die Erlebnisse im morgendlichen München und auch die merkwürdige, von "Peta" ganz plötzlich gewünschte Änderung unseres Appartements im Maravilla noch zu denken gibt: Gab es noch einen anderen Grund als den von "Peta" erwähnten ominösen "Mr. Smith", wegen dessen Reservierung wir nun in diese abgelegene Ecke der Anlage gegenüber vom Strand umziehen sollten ..?
Max hielt in der schattigen Gasse einen Moment inne, genoss die frische Morgenluft und besah sich sein Zuhause von außen: Das Haus Nr. 16 in der Calle Requena war nichts weiter als ein weiß getünchter Steinwürfel mit einer blau gestrichenen Holztür und daneben einem winzigen Fenster, dessen Läden ebenfalls blau gestrichen waren. Ein ehemaliger Schuppen der Fischer auf der Klippe über dem Naturhafen.
Er hatte das Haus damals ausgewählt, weil die enge Sackgasse für Autos unpassierbar war und er im Notfall genau wie die Katze über das Flachdach und das verfallene Nachbarhaus zur Rechten verschwinden konnte, ohne die Haustür zu benutzen. ... (S. 98).
Die Passagen der "Kette" über die Calle Requena Nr. 16 haben wir sehr deutlich vor Augen, als wir vorsichtig die enge Gasse betreten: Bereits anhand des schon erwähnten Luftbilds von Google Earth (siehe oben rechts) hatten wir uns erneut mit dem Gebiet rund um den alten Hafen vertraut gemacht - warum ist gerade diese abgelegene Gegend in derartig hoher Auflösung als Luftbild verfügbar?
Während wir in Erinnerung an den verfolgten Max Maifeld noch über den berühmten Film "Der Staatsfeind Nr. 1" nachdenken, seit dem jeder weiß, wie die "National Security Agency" (NSA) harmlose Bürger mittels Satellitenüberwachung weltweit verfolgen kann und auch das Heranzoomen an die Hausdächer kein Problem mehr ist, schreckt uns ein huschender Schatten in der Gasse und ein leises Geräusch auf: Ist die ganz plötzlich aufgetauchte Katze, die uns mit merkwürdig glühenden Augen anstarrt, etwa die von Max Maifeld ..?
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Wir stehen vor der Haustür in der Calle Requena Nr. 16 und sind verblüfft: Alles ist exakt so wie im Buch beschrieben. Eigentlich sind wir aber nicht wirklich erstaunt, denn wir hatten es bereits geahnt: Hinter diesen Ereignissen steckt vermutlich mehr, als uns der Autor bisher mitgeteilt hatte - aber warum sollten wir nicht mehr erfahren?
Niemand hatte doch wirklich wissen können, dass wir heute Abend hier her kommen würden, oder? Als ganz plötzlich die Haustür Nr. 16 langsam aufgeht, sich aber kein Mensch dahinter zeigt, sind wir erstmals verunsichert: Weiß hier doch jemand mehr, als wir ahnen ..? Unsere Befürchtung wird fast schon zur Gewissheit, als wir sehen, dass dieses Haus tatsächlich Bewohner hat. Jedoch zeigt sich niemand draußen, lediglich Beine sind sichtbar (siehe Bild oben rechts), während durch die inzwischen weit geöffnete Tür kein Laut nach draußen dringt - was geht hier vor, will uns hier jemand auf etwas aufmerksam machen ..?
Da uns nun doch etwas mulmig geworden ist, verlassen wir so schnell es geht die nächtliche Calle Requena, wir werden morgen wieder kommen, bei Tageslicht - unerkannt unter vielen Touristen ...
Er kletterte die enge Stiege hinauf aufs Dach, um nachzusehen, ob ihn nicht jemand vor der Haustür erwartete. Dann stieg er wieder hinab und ging leise hinaus, um die Katze nicht zu wecken, setzte sich auf die Kaimauer jenseits der Gasse und rauchte eine Zigarette. Die Gasse war so eng, dass kein Auto hindurchpasste. Das war gut so. Sein Herz schlug immer noch wild, aber der Anblick des Meeres beruhigte ihn gewöhnlich nach ein paar Minuten (S. 43).
Am nächsten Tag sind wir wieder da, in der Calle Requena. Heute sieht schon alles ganz anders aus als in der gestrigen Nacht, wenn auch nicht unbedingt freundlicher: Regen droht und Gewitter zeigen sich am Horizont - alles in allem eine recht ungewöhnliche Atmosphäre hier in El Cotillo, oder vielleicht doch nicht?
Wir stehen dieses Mal vor einer verschlossenen Tür in der Calle Requena Nr. 16, niemand zeigt sich heute in dem Haus, und kurz darauf machen wir eine merkwürdige Entdeckung: Wir steigen genau wie Max Maifeld hinab über "die provisorische, halsbrecherisch steile Holztreppe neben Antonios Bar über die Klippen hinunter in den Hafen (S. 98)" und finden ausgerechnet direkt neben dieser Treppe ein Gerät, das offensichtlich nicht hierhin gehört (auf Bild oben rechts klicken) - wer war an dieser Stelle tätig und warum ..?
Heute wird erkennbar, was gestern Abend im Dunklen verborgen blieb: Oben auf dem Haus in der Calle Requena Nr. 16 befindet sich der Aufbau, von dem aus Max Maifeld im Notfall unerkannt über das Flachdach entkommen konnte - die Realität entspricht bis ins Letzte der Beschreibung in der "Kette" - uns fröstelt und wir machen uns auf die weitere Entdeckungsreise ...
Das winzige Haus Nr. 16 in der Calle Requena war fast zwei Jahre lang sein Zuhause gewesen. Am Ende der schmalen Gasse wartete Hurl auf ihn. Er ... lehnte an dem morschen, von der salzigen Atlantikluft zerfressenen, blau übertünchten Holzschild, das den Weg zu Antonios Bar namens La Vaca Azul wies. ... "Wie kommt jemand auf die Idee, seine Bar ´Die Blaue Kuh´ zu nennen? Keine Ahnung. Vielleicht muss man dafür so verrückt sein wie Antonio. Und auf gregorianische Choräle stehen." (S. 250).
In der Tat müssen wir nicht weit gehen: Schon seit Jahren kennen wir das Lokal direkt neben der Behausung von Max Maifeld: Einst hatten wir "Cometas Nico" hier zum letzten Mal getroffen, unten an der Mole des alten Hafens, als dort noch Tische und Stühle der "Vaca Azul" standen - ganz anders als am heutigen stürmischen Abend.
Die große blaue Kuh auf der Dachterrasse des Lokals, für das heftig Werbung gemacht wird in der lokalen Touristenzeitung und auf das heute auch kein Holzschild mehr hinweist, sondern verschiedene Werbetafeln (siehe Bilder unten), ist unübersehbar. Man kann sich tatsächlich fragen, wie jemand auf die Idee kommt, sein Lokal so zu taufen. Wir denken noch an den ominösen Antonio im Münchener Kempinski, als wir uns aufmachen, seinen Namensvetter in der La Vaca Azul zu finden - immerhin soll er auf gregorianischen Chorälen stehen und das dürfte hier recht ungewöhnlich sein ...
Wir betreten das Lokal und setzen uns ganz in die Nähe zum Ausgang an die hintere Terrasse: Immerhin gibt es ausgerechnet heute Abend ein Iridium Flair und das wollen wir trotz unserer Recherchen nicht verpassen. Als wir einige andere Gäste und den Kellner auf der Terrasse auf das bevorstehende Event aufmerksam machen und dieses dann auch sekundengenau mit großer Leuchtkraft direkt über der Inschrift "Viva la virgen del buen viaje" - "Es lebe die Jungfrau der guten Reise" an der Klippe des alten Hafens auftaucht, gibt es ein "Aaah" und "Oooh" zur Belohnung - haben wir uns nun im Restaurant und bei den Gästen zu auffällig verhalten ..?
Der Kellner ist nun ganz begeistert von der Kraft unserer Vorsehung, doch er ist offensichtlich nicht Antonio und auch keine gregorianischen Choräle sind am heutigen Abend im Lokal zu hören. Wir werden allerdings den Verdacht irgend wie nicht los, dass man unser Kommen heute Abend erwartet hat - wären sonst die Choräle etwa nicht abgeschaltet worden ..?
Wir beschließen, niemanden zu fragen, wo Antonio ist, da wir nicht mehr damit rechnen, eine wahrheitsgetreue Antwort zu erhalten - doch wer kennt hier wirklich die ganze Wahrheit?
Um trotz unserer "Iridium-Nummer" als ganz normale Touristen zu erscheinen, zücken wir lediglich die unauffälligste Kamera, die wir dabei haben: Alles, was sich hier in der "La Vaca Azul" im Dunkeln verbirgt, werden wir später mit unseren Hightech-Möglichkeiten ans Licht bringen. Wir erinnern uns noch genau an die Erlebnisse von Max Maifeld:
Er hatte in Antonios Büro im ersten Stock gesessen, die Telefonliste vor sich auf dem Schreibtisch. Aus der Bar unter ihm drangen gregorianische Choräle an sein Ohr. Der mehrstimmige A-cappela-Gesang der Mönche legte sich wie ein dicker Teppich über den Hafen und über die Bucht von El Cotillo (S. 131).
Und in der Tat: Auf dem viel später mit allen technischen Mitteln aufbereiteten Foto erkennen wir im Hintergrund ganz genau die erwähnte Treppe, die hoch führt zum ersten Stock in das Büro von Antonio, und wir sind sicher, dass er dort am späten heutigen Abend auch wieder Choräle gehört hat ...
© Text/Bilder 2006 J. de Haas