Wrackbesuch: Die Geier warten schon ...
Was haben überall sichtbare Haufen von Glassplittern in der Umgebung der Playa de Garcey und die Tatsache miteinander zu tun, dass viele Touristen nicht mit einem Geländewagen, sondern einem PKW zum Wrack der American Star fahren? Und warum sollten eben diese Touristen für Schäden an ihren PKW´s aufkommen müssen, die mit genau diesen Haufen von Glassplittern zu tun haben? Zu kompliziert?
Diese Zusammenhänge sind zunächst einmal für niemanden direkt ersichtlich, insbesondere dann, wenn man wie wir (bis auf eine Ausnahme im Jahr 2004) IMMER mit einem Geländewagen auf der Insel unterwegs ist. Doch nun werden die Zusammenhänge wohl deutlicher, nachdem uns die folgende Mail von Gerald Winterhalder erreichte ...
Hallo,
habe erstmalig auf der Suche nach Einzelheiten über das oben bezeichnete Wrack
Euer Magazin kennen gelernt und möchte gleich die Gelegenheit wahrnehmen, um auf eine
erst vor wenigen Tagen selbst erlebte Gefahr aufmerksam zu machen: AUTOEINBRUCH!
Die Bedingungen für Leihwagen (gravierende Unterschiede zwischen der deutschen und englischen Textfassung der Mietverträge) sagen aus, dass nur asphaltierte Straßen mit normalen PKW mit 2-Rad Antrieb befahren werden dürfen, für Pisten müsste man (teure) Jeeps etc. mieten. Damit ist praktisch der Großteil der Westküste und die gesamte Südküste (theoretisch) für normale PKW gesperrt.
Da die Straßen zum Wrack aber auch mit simplen Kleinwagen völlig unproblematisch befahren werden können, machen dies auch viele - und haben dann Probleme mit der Versicherung bzw. Leihwagenfirma. Wir können nur davor warnen, das Auto unbeaufsichtigt an Stellen, die meist der Ausgangspunkt für Sehenswürdigkeiten sind, abzustellen. Organisierte Diebesbanden schlagen die Seitenscheiben ein und räumen aus - sofern man dumm genug ist, etwas drinnen zu lassen.
Aber selbst leere Auto werden geknackt, da man offenbar im Handschuhfach oder unter dem Sitz etc. Werte vermutet. Man muss nur genau hinschauen, am Platz bei obigem Wrack sind ganze "Glasinseln"-Reste von zerschlagenen Hartglasscheiben zu finden, aber auch an vielen anderen Stellen, wo die Autos nicht eingesehen werden können.
Wir hätten die zwei Scheiben selbst zahlen sollen weil wir a.) unasphaltierte Straßen befahren haben und b.) einen Pullover (persönlicher Gegenstand) im Wagen ließen. Ich habe argumentiert, dass die englische Version von "Values" - also WERTgegenständen spricht (das ist ein Pullover kaum) und dass man das Handschuhfach geknackt hatte (die trottelhaften Diebe haben übersehen, dass es ohnedies offen war) - also kein ursächlicher Zusammenhang bestand.
Da mir außerdem schwer zu beweisen war, dass ein Allradauto nicht aufgebrochen worden wäre, war die Sache vom Tisch. Aber Vorsicht: Die Banden lauern schon auf die nächsten Opfer - und Ärger bringt es in jedem Fall.
Trotzdem, viel Freude beim Besichtigen des Wracks!
Klar, dass wir nach der obigen Mail und unseren eigenen Funden von "Glasinseln" vor Ort in der Nähe der American Star (siehe Bild oben) bei Gerald Winterhalder nachfragten. Er schickte uns seinen folgenden Text, den wir unseren Lesern nicht vorenthalten wollen und hiermit ungekürzt veröffentlichen!
Leihwagen auf den kanarischen Inseln - Ein Problem?
Auf den Inseln werden eine Vielzahl von verschiedenen Leihwagenkategorien angeboten, prinzipiell geht es aber um: Allrad oder Zweiradantrieb.
Die hervorgehobenen Bedingungen in den Mietverträgen lauten wörtlich: Es ist verboten, auf unasphaltierten Strassen zu fahren. Ebenso keine persönlichen Sachen im Inneren des Wagens zu lassen. "Please, don´t drive on roads where there are stones and rock's. Please don´t leave valuables in the car." Also, was jetzt, Verbot oder Bitte, Sachen oder Wertsachen?
Laut Bedingungen (zumindest für deutschsprachige Touristen) dürfen nichtasphaltierte Straßen nur mit allradgetriebenen Leihfahrzeugen befahren werden. Das ist eine aus meiner Sicht - immerhin seit 40 Jahren Versicherungsexperte - eine extrem praxisfremde und kundenfeindliche Bestimmung.
Die Begründung:
1.) Die meisten Sehenswürdigkeiten sind in Gebieten, in die nur nichtasphaltierte Straßen führen; das sind keine abenteuerlichen Geländepisten, sondern einfach feste Naturstraßen, wie sie auch z.B. in Österreich vielfach anzutreffen sind.
In den Karten sind diese als "minor roads" oder auch als "important roads unsealed" ausgewiesen, in der offiziellen Karte z.B. von Fuerteventura werden diese Straßen als Nebenstraßen bezeichnet. Natürlich fährt man auf diesen Straßenstücken entsprechend langsamer und vorsichtig, ein Allradantrieb ist nicht einmal bei Regen erforderlich, die Steigungen sind unproblematisch, die Fahrbahn fest, kaum lose Steine. Jede Bergstraße in den Alpen ist bei Schnee und Eisbelag viel gefährlicher zu befahren.
2.) In den Karten sind sogenannte Pisten, also Straßen, die nur für allradgetriebene Fahrzeuge zugelassen sind, extra ausgewiesen. Das sind meist reine Sandpisten an Stränden - dass hier ein normaler PKW nichts verloren hat, versteht sich von selbst. Hier geht die Einschränkung auch in Ordnung.
3.) Wenn man die Bestimmung hinsichtlich der unbefestigten Straßen wirklich ernst nimmt, dürfte man viele Parkplätze bei Sehenswürdigkeiten gar nicht benutzen, z.B. beim botanischen Garten in La Lajita, dem Afrikanermarkt der Costa Calma, dem Mühlenmuseum in Tiscamanita. Die allermeisten Parkplätze sogar neben den Hauptstraßen sind ebenfalls nicht asphaltiert. Noch krasser: Für Mieter normaler PKW bleibt die gesamte Südküste und bis auf vier Stichstraßen auch die gesamte Westküste gesperrt!
Das ist inakzeptabel und wird auch oft ignoriert, so haben wir am 23.01.2006 auf der Hin- und Rückfahrt zum Leuchtturm Punta de Jandia eine Vielzahl von Leihwagen ohne Allradantrieb getroffen - da dorthin kein Bus fährt, sind ca. 2 x 18 km Fußmarsch mit Kindern wohl schwer zumutbar.
Unsere praktischen Erfahrungen
Wir, zwei Erwachsene und ein Kind (5), haben am 23.1.2006 im Hotel Costa Calma Playa bei der dort vertretenen Autoverleihfirma MORENO rent a car wegen des anhaltenden Schlechtwetters ein Auto gemietet, um uns die Insel anzusehen.
Da um 11 Uhr kein Allrad-Fahrzeug vorhanden war, erklärte ich der Mitarbeiterin (Name bekannt), anderswo zu mieten, weil ich gerade die Südspitze (Leuchttürme / Jandia) und den Ort Cofete / Villa Winter (alles ausdrücklich aufgezeigte Sehenswürdigkeiten) besuchen wollte.
Vor Zeugen erklärte die Dame, dass dies kein Problem sei und diese Straßen (obwohl ab Morro Jable auf der uns ausgehändigten Karte von der Fa. Moreno als Nebenstraßen gekennzeichnet) von uns natürlich auch mit dem zweiradgetriebenen Mitsubishi befahren werden könnten.
Die Straße war auch problemlos bis Cofete zu befahren, wir trafen dort wie gesagt eine Vielzahl normaler Leihwagen ohne Allrad, die Lenker meist im Rentenalter, keiner hatte Probleme. Bemerkenswert: Als ich später die "offizielle" Inselkarte (Fuerteventura Erlebnisführer) kaufte, war ein Teil der völlig problemlos zu befahrenen Strecke als Piste, nur für Geländefahrzeuge ausgewiesen. Also welche Karte gilt jetzt?
Am 25.01.2006 wollten wir das als weitere Sehenswürdigkeit bezeichnete Wrack der American Star ebenfalls an der Westküste besuchen. Eine auf der Moreno-Karte als Nebenstraße ausgewiesene Strecke von ca. 5 km abseits der Hauptstraße führte dorthin, lediglich das letzte Stück als Piste gekennzeichnet. Wir beschlossen, so wie ca. 8-10 andere Besucher mit Normal-PKW, zu Fuß zu gehen und ließen das Auto neben den anderen stehen, natürlich versperrt, außer Pullover und Badekappe der Tochter blieb nichts im Wagen. Anmerkung: Dieses kleine Auto hatte keinen separaten allseits umschlossenen Kofferraum ...
ÜBERRASCHUNG BEI DER RÜCKKEHR: HIER WÜTEN ORGANISIERTE BANDEN!
Bei unserem Wagen waren beide rückwärtigen Fenster eingeschlagen, das Hartglas, in unzählige winzige Splitter zerfallen, lag neben und im Auto, Pullover und Kappe fehlten, die kriminellen Trottel stemmten sich noch (Fußspuren!) gegen das Handschuhfach, um dieses aufzubrechen - es war ohnedies offen und leer ...
Nur mehr ein Fahrzeug stand neben uns und auch da war eine Seitenscheibe eingeschlagen. Jetzt fiel es mir wie Schuppen von den Augen - auf vielen Abstellplätzen hatte ich schon diese feinen Glassplitter gesehen: Seitenfenster brechen aber nicht von selbst, also gibt es auf der Insel offenbar eine ausgeprägte Kriminalität bei Touristenautos, die leicht erkennbar sind ...
UND NUN?
Auf der ganzen Strecke bis zum Hotel keine Polizei, die Dame in der Vermietung meinte, wir müssten den Schaden selbst bezahlen weil wir:
a.) nichtasphaltierte Strecken befahren hatten und
b.) den Pullover im Auto
ließen.
Dagegen hatte ich zwei nicht zu widerlegende Einwände, nämlich, das Befahren jener Straßen, die uns die Dame ausdrücklich als zulässig bezeichnet hatte, hatte keinen Einfluss auf das Aufbrechen - auch ein Jeep wäre aufgebrochen worden und: Der Pullover (wohl kaum ein Wertgegenstand) war nur Nebensache, Hauptsache war das aufgebrochene Handschuhfach, deswegen der Einbruch - damit war die Sache erledigt. Aber: Die Einschaltung der Polizei wurde nicht gewünscht und die Reiseleiterin von ITS hatte von all dem keine Ahnung und wollte uns auch nicht helfen.
Unsere Beobachtung, dass sich ein Pärchen mit zwei Fahrzeugen (??), u.a. einem blauen Allrad-Suzuki, am Tatort herumtrieb und sogar noch am Strand Steine sammelte (die Fenster wurden wahrscheinlich damit eingeschlagen), interessierte niemanden ...
MEIN VORSCHLAG: WIE MAN DIESE PROBLEME UMGEHEN KÖNNTE
Welche Straßen darf ich fahren? Eindeutig und schriftlich klären, welche Routen man NICHT befahren darf (auf Karte einzeichnen lassen), eventuell eine andere Leihwagenfirma suchen, wenn tatsächlich der Einsatzradius zu gering wird. Achtung, auch viele Parkplätze und kurze Zufahrten sind NICHT asphaltiert - was ist da mit der Haftung? KEINE Gegenstände im Wagen lassen, klären, was mit dem Kofferraum ist."
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Selbstverständlich nahmen wir nach unseren eigenen Beobachtungen vor Ort und den Schilderungen unseres Lesers erneut Kontakt mit Gerald Winterhalder auf und baten um weitere Einzelheiten. Hier ein Auszug aus seinen weiteren Mails:
... Ich habe mir die Mühe gemacht, die Sache weitgehend umfassend darzustellen, Grundidee war, andere Touristen, in erster Linie jene, die durch ITS-Reisen aus Österreich dorthin reisen, vor möglicherweise unangenehmen Erfahrungen zu bewahren. Ich selbst bin Versicherungsfachmann und konnte mir die Sache rasch "richten", wie wir in Ö. zu sagen pflegen, aber ein Nichtfachmann tut sich da viel schwerer. Tatsache ist, dass sehr viele 2-Rad Leihfahrzeuge auch unasphaltierte Straßen benutzen und das sind meist ältere Semester, also keine Hasardeure. ...
Zum genauen Standort: Die durchaus problemlos zu befahrende Straße endet ca. 300 m oberhalb des Strandes, das letzte Stück ist möglicherweise für einen kleinen 2-Radler zu steil und hat losen Sand, ich wollte - so wie alle anderen, ca. 8-10 "Normalautofahrer" kein Experiment wagen - und so ließen wir, wie eben die anderen, den Wagen auf einer Art Plateau stehen, vom Strand nur aus bestimmtem, sehr kleinen Winkel sichtbar. Als wir hinkamen (etwa gegen 11 Uhr) waren an die 15-20 Leute anwesend, auch eine Truppe mit Quads, die nahmen aber einen parallel durch ein kleines Tal laufenden Trail. Beim Verlassen nach ca. 1 h waren wir nur mehr 2 PKW, beide eben mit eingedroschenen Seitenscheiben, bei mir sinnloserweise gleich beide ...
© 2006 J. de Haas, Text zu Mietwagen und Bilder Mietwagen mit Einbruchschaden: Gerald Winterhalder.
Nachtrag, März ´06: Wie schlimm kann es kommen ..?
Unser Leser Dirk Evers, der - wie berichtet - einer der Besucher an Bord der American Star war, schickte uns das nachfolgende Foto und die Mail zum obigen Thema:
... ob ich dieses Jahr noch mal die American Star besuche, steht noch nicht ganz fest. Ist aber sehr gut möglich. Ich lass es dich dann wissen wenn es los geht. Ob ich dann lieber einen Geländewagen nehmen sollte? Der letzte Leihwagen hat kurz vor der Amstar schlapp gemacht - nein ... nur ein Scherz
Lieber Dirk, dein Foto beweist in der Tat, warum man einen Geländewagen mieten sollte, um zum Wrack zu fahren! Oder waren es vielleicht doch die "Geier", die einfach nicht mehr übrig ließen davon ..?