Durch das wilde Vercors Gebirge ...
Die nächsten Etappen stehen ganz im Zeichen des Vercors-Gebirges: Von Sévrier aus führt uns der Weg zunächst nach Grenoble, dem Austragungsort der X. Winterolympiade 1968. Die Silhouette und die Strecke durch diesen Ort lassen nur einen Schluss zu: Viel scheußlicher geht kaum. Wer macht hier freiwillig Winterurlaub? Die Pisten rundum mögen ja schön sein, aber der Blick auf diese Stadt ist doch eher grenzwertig ...
Aber gleich hinter Grenoble geht es wieder hinauf - natürlich mit schönen Serpentinen. Da wollen wir doch unserem Motto: "Jeden Tag ein paar ordentliche Serpentinen" nicht untreu werden ...
Eine herrliche Landschaft mit Wäldern folgt, die zunehmend immer einsamer wird - hier kann man es aushalten! In Meaudre schließlich sagen sich dann wirklich Fuchs und Hase gute Nacht, aber der nahezu leere Campingplatz Les Buissonnets liegt nett und mit einem kleinen Spaziergang ist man schon im Ort, der mit einem geöffneten Supermarkt und geschlossenen Restaurants aufwartet - seit unserer Reise Frankreich 2008 und den dabei gemachten Erfahrungen keine echte Überraschung mehr für uns. Die Gründe für geschlossene Restaurants diesmal: Man baut um - es ist Nebensaison - und heute ist Werktag.
Nun, im nahen Supermarkt kann man alles bekommen für ein leckeres Diner einschließlich eines ordentlichen Rotweins. Ein kleiner junger Kater gesellt sich am Platz zu uns, froh einen Abend lang dem Nachsaison-Blues entrinnen zu können und uns zu zeigen, wie schnell man in den Explorer rein springen kann, auch wenn man sofort danach wieder hinausfliegt. Ein schönes Spiel für ihn, etwas anstrengend für die Köchin im Explorer, aber er hat sie bereits vollkommen um die Pfote gewickelt. Erst das Feuer im wieder mitgenommenen Hobo-Ofen lenkt ihn ab, denn das will er ganz genau erkunden, außerdem ist es mittlerweile echt kalt geworden, wir haben nur wenig über 0°C.
Nebel ziehen schließlich herein und die Landschaft verwandelt sich in eine geheimnisvolle Region ...
Früh morgens um 6 Uhr sind alle am Platz wach (wir und die Besatzung eines schwedischen Womos als einzige Gäste). Wie in Frankreich üblich, ist eine Hütte an Handwerker vermietet worden, die in aller Herrgottsfrühe abgeholt werden zu ihrem Einsatz an einer Baustelle. Einer dieser Handwerker hat offensichtlich verschlafen und der Fahrer des Busses meint, nur Dauergehupe kann dem Mann aus dem Bett helfen. Endlich - nach einer guten Viertelstunde - stürzt der Langschläfer aus der Hütte in den Bus und das Dauergehupe hört auf. Unsere Rufe, man möge mit dem Gehupe aufhören, werden während dieser Zeit natürlich nicht gehört - es ist ja ziemlich laut ... Doch endlich kehrt wieder Ruhe ein und schläfrige Stille macht sich breit auf dem Platz.
Kurze Zeit später müssen wir aber raus in die Kälte, die frischen Baguettes versüßen allerdings den heutigen Morgen.
Es geht weiter durch das wilde Vercors Gebirge, eine Fahrt über den Col de Rousset (1.254 m) ist geplant ("Jeden Tag ein paar ordentliche Serpentinen"), wir wollen Ausschau nach Gänsegeiern halten und den weiten Blick ins Rhonetal genießen.
Doch plötzlich bei St. Martin de Vercors stehen wir vor einer Straßensperre: Ein LKW steht vor uns. Wir fragen nach, der LKW-Fahrer ist ratlos, er weiß nicht, warum hier gesperrt ist. Endlich findet sich ein Bauarbeiter: Ja, der Col de Rousset ist bis auf weiteres gesperrt, Felsstürze seien die Ursache. Da sollte man nicht weiter drüber nachdenken, was hätte passieren können, wenn ...
Nach einigem Herumirren findet Lisa einen Umweg: Auf äußerst schmalen und kurvigen Forststraßen leitet uns TomToms Gefährtin durch das Vercors - zum Glück ist die Verkehrsdichte nahe Null.
Plötzlich wird man unvermittelt entlassen aus dem Gebirgsstock und der Blick zurück lohnt sich hier in jedem Fall: Gewaltige Felsblöcke ragen aus der Landschaft ...
Weiter führt der Weg durch endlose Walnussplantagen bis nach Dieulefit in der Drôme: Der gemütliche Platz Les Grands Prés lädt ein, das Camp nach längerer Pause wieder einmal komplett inklusiv OZtent aufzubauen. Wifi ist verfügbar und schnell kommt man auch mit benachbarten Globetrottern ins Gespräch, die sich natürlich sowohl den Explorer als auch das OZtent genauer anschauen wollen.
Wer keine eigene Unterkunft mitbringt, hat hier im Camp eine tolle Auswahl: Kleine Pavillons, Waggons und Jurten werden den Reisenden als "Hütten" angeboten.
In wenigen Minuten ist man durch den Hintereingang des Platzes im Ort, um sein frisches Baguette zu holen oder den Markt zu besuchen, der mit allerlei Köstlichkeiten aufwartet. Restaurants und Kneipen haben tatsächlich geöffnet: Im Pub der Ortsmitte treffen sich die Sportbegeisterten, um gemeinsam Rugby zu schauen. Als man merkt, dass wir aus Deutschland kommen, ist man ganz begeistert und kramt die gesammelten Deutschkenntnisse hervor, um uns willkommen zu heißen ...
Der Blick in den Himmel, die Luftdruckentwicklung auf dem Suunto, unsere Wetterstation von Meteotime und die Unwetterzentrale von Frankreich sind sich später jedoch völlig einig: Heftige Gewitter ziehen bald herein. Auf der Gewitterrückseite entwickelt sich ein Mistral mit Sturmstärke ...
Keine guten Voraussetzungen. Erst zweimal war es in all den Jahren nötig gewesen, die Nacht mit geschlossenem Deckel zu verbringen: Das erste Mal im isländischen Hochland 2003 und das andere Mal - auch in Frankreich! Erinnerungen werden wach an Frankreich 2008 und die Bretagne - wir schauen auf den Balg des Explorers: Knapp 15 Jahre hat er gehalten - wird er dem Mistral widerstehen? Werden wir dem Sturm auch diesmal wieder heil entrinnen können ..?
© 2011 Text/Bilder Sixta Zerlauth