Von der Zicke zum Womo
oder: Wir werden alle nicht jünger ...
Die Vorgeschichte und wie es weiterging ...
Seit Dezember 2017 bin ich mit meiner hier schon bekannten englischen Zicke wieder zurück in Deutschland ...
Private und politische Gründe haben mich dazu getrieben, wieder zurück zu kommen: Von 2011 bis 2016 bin ich ein- bis zweimal im Jahr mit dem Auto in die Türkei gefahren. Im Jahr 2016 hatte ich dann den Entschluss gefasst, meine Zelte in Deutschland abzubrechen und nach Alanya überzusiedeln, was zunächst auch gut gelang.
Aber durch die Veränderungen in der Türkei seit 2015/2016 hat sich die Lage sehr verändert: Nichts ist mehr so wie 2011, als ich zum ersten Mal in der Türkei war. Deshalb beschließe ich Ende 2017, meine Sachen wieder zu packen, die Wohnung aufzugeben und zurück nach Deutschland zu fahren. Der Abschied fällt mir schwer: 18 Monate habe ich in Alanya gelebt, viel gesehen und erlebt und die Zeit mit den neuen Freunden genossen. Aber Ende November 2017 mache ich mich dennoch letztlich auf den Rückweg. Griechenland, Italien, Österreich durchfahre ich und bin schließlich wieder zurück in Deutschland.
Auf der Rückfahrt gibt es an der türkisch-griechischen Grenze bei Ipsalla noch einen kleinen Zwischenfall: Der türkische Zöllner fragt, was in meinem Anhänger ist. Ich zeige ihm den Inhalt, er ist zufrieden, winkt mich durch und wünscht mir eine gute Fahrt - alles schneller und einfacher als gedacht ...
An der griechischen Grenze stehe ich dann erst einmal 20 Minuten herum wie bestellt und nicht abgeholt: Der Grenzbeamte ignoriert mich, läuft mehrere Male an mir vorbei und kontrolliert andere. Dann endlich kommt er zu mir, schaut in die Papiere, gibt mir unmissverständlich und sehr unfreundlich zu verstehen, dass er den Inhalt des Anhängers sehen will. Ich öffne den Deckel, er zeigt auf den Inhalt (Werkzeug und persönliche Gegenstände) und sagt "Problem". Ich frage ihn auf deutsch "Warum?" Natürlich versteht er mich nicht (glaube ich). Er verschwindet und kommt 20 Minuten später wieder auf mich zu, zeigt auf den Anhänger und sagt wieder "Problem". Ich antworte wieder "Warum?" Dann fragt er in einem Kauderwelsch aus Griechisch und Englisch, ob ich Euros dabei habe. Ich antworte "Nein". Er verschwindet wieder ...
Hinter mir hat sich eine längere Schlange gebildet: Ich drehe mich um, zucke die Schultern und setze mich ins Auto, warte auf die Dinge, die da kommen. Diesmal dauert es eine halbe Stunde, bis der Beamte wieder auftaucht: Er schmeißt mir die Papiere ins Auto, was er laut sagt, kann ich nicht verstehen, aber ich vermute, es ist nichts Schönes. Dann winkt er mich durch ...
Seit 2011 fahre ich mit dem Auto ein- oder zweimal im Jahr in die Türkei. Jedes Mal habe ich mir eine andere Fahrtroute ausgesucht, aber bei keinen der vorherigen Grenzkontrollen habe ich eine derartige Situation erlebt. Nur einmal habe ich bei der Einreise von Griechenland nach Nordmakedonien eine etwas längere Kontrolle mitgemacht, angeblich hatte ich ein Reserverad zu viel dabei. Aber auch das wurde damals schnellstens geklärt, freundlich und nett ...
Da ich in Deutschland keine Wohnung mehr habe, quartiere ich mich erst einmal in einem Ferienhaus bei meinem Bruder im Sauerland ein. Von dort aus will ich mir eine neue Unterkunft besorgen. Beim Besuch eines Bekannten (er ist Reisejournalist bei einer Motorradzeitung) schlägt der mir vor, mit ihm im August 2018 in die Mongolei zu fahren, er mit dem Motorrad, ich mit der Zicke. Diesen Vorschlag finde ich sehr reizvoll, sage aber nicht zu. Ein Grund ist die Zicke, sie ist nicht so zuverlässig, wie ich es gerne hätte ...
Mittlerweile möchte ich die Zicke verkaufen und finde auch schnell einen Käufer. Der Abschied fällt nicht so schwer: Sonntagabend um 18:00 Uhr in mobile.de inseriert, um 19:00 Uhr ist sie bereits telefonisch verkauft. Ein paar Tage später wird die Zicke standesgemäß von einem Land Rover Discovery 6 abgeholt ...
Da ich aber auch weiterhin nicht auf das Reisen verzichten will, kaufe ich mir im Mai 2018 ein "normales" gebrauchtes Womo, einen Fiat Ducato Kastenwagen, ausgebaut von Weinsberg. Sechs Meter lang und ausgestattet mit allem, was man braucht (und auch nicht braucht). Das Reisen mit dem Ducato ist nicht so anstrengend wie mit der Zicke, aber auch nicht so interessant, eben anders. Aber daran gewöhne ich mich recht schnell: Der Ducato ist wendig, dass Fahren mit ihm gefällt mir. Bei den folgenden Ausfahrten mache ich mir Notizen, was an dem Auto noch alles optimiert werden kann ...
Die erste Reise im Sommer 2018 führt mich nach Polen, entlang der Ostseeküste nach Danzig und weiter zu den Masurischen Seen. In der Folge geht es dann nach Irland (das letzte Land in Westeuropa, in dem ich noch nicht war), später nach Schottland, Wales und Südengland. Danach folgen auch noch einige Ziele in Deutschland wie die Nordsee, Hamburg, Nürnberg, Lüneburg, Spreewald, Müritzsee, Allgäu, Mosel, Rhein, Münsterland, usw. ...
Polen
Irland
England / Frankreich
Im Jahr 2019 dann die nächste längere Tour: Über das Allgäu und Österreich geht es nach Italien/Toskana und weiter folgen Südfrankreich sowie kleinere Touren in Deutschland.
Für den März 2020 war eine längere Tour Richtung Portugal geplant: Nach der Abfahrt genau zum 01. März sind wir jedoch nur bis Spanien gekommen, dann aber war Schluss, Corona hatte uns schließlich eingeholt. In Spanien und Portugal wurden alle Campingplätze geschlossen, also hieß es wieder nonstop zurück nach Deutschland. Am 21. März waren wir wieder zu Hause, nichts ging mehr ...
Italien
Deutschland
Kleinere Reisen waren im Sommer 2020 aber trotzdem noch möglich: Schwerin, Ostsee-Fischland-Darß, Allgäu, Münsterland, Lüneburger Heide und wieder der Rhein waren die Ziele ...
Die Zeit zwischen den "Ausflügen" wurde mit dem Bau von Kinderspielzeug für meine kleinste Enkelin überbrückt, auf diese Weise entstanden eine Wippe, ein Pickler-Dreieck mit Rutsche, eine Kletterwand und anderes - Langeweile kam nicht auf. Irgendwie musste man die Zeit ja sinnvoll verplanen ...
Kleine "WOMO-Vorstellung" ...
Bei dem neu angeschafften WOMO handelt es sich um einen Fiat Ducato Kastenwagen, Länge 6 m, EZ 2017, 2,3 l Multijet 131 PS, ausgebaut von Weinsberg, zGG 3,5 t. Reisebereit liege ich immer um die 3,4 t.
So nach und nach wurde der Fiat optimiert mit einer Anhängerkupplung, Photovoltaikanlage mit zwei 180 Watt Modulen, einer Lithium-Batterie mit 130 Ah, Schubladen im Stauraum hinten unter den Betten und anderen diversen "Kleinigkeiten". Dazu hatte ich im Sommer 2020 genug Zeit, im November brachte ich das Auto dann in meine alte Heimat nach Bocholt. Ein Bekannter hat dort eine Werkstatt. Dort wurde das Womo mit Dinol konserviert: Wie ich glaube, eine gute Sache!
Die serienmäßige Bereifung von 215/70 R15 auf einer Stahlfelge 6Jx15 war auch nicht der Hit. Nach längerer Suche fand ich schließlich besseren Ersatz: 235/60 R 17 auf einer Alufelge 7,5Jx17H2 von Borbet. Bei der ersten Fahrt war der Unterschied sofort zu merken, der Ducato fuhr ruhiger und ich entspannter. Da die neuen Reifen einen anderen Abrollumfang/Durchmesser haben (Abrollumfang 10 cm mehr, Durchmesser ca. 4 cm mehr), musste erst abgeklärt werden, ob ich die überhaupt montieren durfte, so die Aussage eines Prüfers.
Ein anderer Prüfer hatte wohl gar keine Lust, sich mit dem Thema zu befassen, der Dritte gab mir dann schließlich grünes Licht. Immer wieder lustig (oder auch ärgerlich) festzustellen, wie unterschiedlich diese "Umbauten" behandelt werden. Dass die neue Reifenkombination in den COC Papieren aufgelistet ist, interessierte die beiden ersten Prüfer überhaupt nicht. Von Tachoangleichung bis Karosserieberührung wurde dagegen alles angesprochen. Daher frage ich mich, warum die Reifengröße überhaupt angegeben ist? Den Tacho hatte ich mit Hilfe meines Navis überprüft. Der Vorlauf hat sich von 10% auf ca. 4% verbessert, also alles im grünen Bereich ...
Bei den Fahrten fällt mir schon bald auf, dass der Wagen vorn sehr tief liegt. Nach einer Messung stelle ich fest, dass die Vorderachse ca. 8 cm tiefer als die Hinterachse liegt. Beim Überfahren von Bodenwellen habe ich das Gefühl, dass er vorne fast aufsetzt. Ich erkundige mich und stelle fest, dass andere Ducatofahrer das gleiche Problem haben.
Also im WWW nach einer Lösung gesucht und auch gefunden: Mit neuen Federn von Goldschmidt (Bezeichnung M 11) wird die Achse vorn um ca. 8 cm gehoben. Somit brauche ich zum Ausgleichen auch ganz selten meine Auffahrkeile und das Fahrverhalten verbessert sich erheblich ...
Danach ist der Stauraum hinten unter den Betten an der Reihe: Drei Stauboxen werden hintereinander in den Stauraum geschoben, zwei klappbare Sessel daneben. Wenn ich aber an die letzte Box heran möchte, müssen nun die ersten beiden Boxen wieder heraus geholt werden. Das erscheint mir auf Dauer nicht praktikabel und so beschließe ich, hierfür eine bessere Lösung zu finden.
Auf zwei Etagen werden nun Auszugsschienen (belastbar bis 100 kg) befestigt und darauf zwei Platten geschraubt. Jetzt kann ich diese beiden Platten mitsamt den darauf liegenden Boxen und der Ausrüstung komplett heraus ziehen. Die Sessel samt Rolltisch können immer noch hochkant rechts daneben stehen. Als Material verwende ich 9 und 12 mm Birkenmultiplex. Und der Vorteil: Alles ist wieder rückbaubar. Diese Schubladen wiegen natürlich: Da ich aber die beiden ca. 55 kg schweren Blei-Gel Batterien gegen eine LiFePo getauscht habe, gleicht sich das wieder aus.
In Sachen Photovoltaik habe ich zwei Paneele geordert, pro Stück 160 W. Diese kann ich quer auf dem Dach verbauen. Was mir geliefert wird, sind 2 x 180 W zum selben Preis. Die Leistung von 360 Watt hört sich erst einmal viel an. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass ich mit den beiden Paneelen und der 130 Ah Batterie ausreichend Leistung für mindestens 5 Tage habe, ohne dass der Akku zwischendurch geladen werden muss. Die größten Stromabnehmer sind der Laptop und ein Ladegerät für den Akku des E-Bikes, außerdem der Kühlschrank und die Heizung. Landstrom brauche ich seit dem Einbau nicht mehr ...
Nun habe ich mir noch eine 11 kg Tankgasflasche angeschafft, die ich von außen betanken kann. Auch hier habe ich Gewicht gespart. Die Stahlflasche ist um einiges schwerer als die Alu Tankgasflasche. Da meine Heizung über Gas läuft, kann es vorkommen - wie auf der Fahrt im März 2020 nach Spanien - dass die Flasche nach einer Woche schon am Limit ist. In Luxemburg, Frankreich und Spanien mussten wir in der Nacht heizen. Einen Ersatz zu bekommen oder die Flasche zu füllen, war allerdings ein Problem. In Spanien habe ich mir dann schließlich eine Gasflasche mit Adapter gekauft. Diese steht jetzt bei mir in der Garage herum. Deshalb habe ich beschlossen, eine mit LPG befüllbare Flasche einzubauen: Diese kann mit den entsprechenden Adaptern in fast ganz Europa aufgefüllt werden: Ich glaube, eine gute Investition. Bei den darauf folgenden Touren hat sie sich jedenfalls bereits bewährt.
Jetzt hoffe ich, dass ich nicht noch weitere Ideen habe und erst einmal in Ruhe die Umbauten nutzen und ausprobieren kann. Denn auch ein WOMO ist offenbar eine "Unendliche Geschichte" ...
© 2022 Ludwig Hauhoff (Hauy)
Anm. der Red.: Weitere Beiträge von Hauy finden sich in unserer Autorenübersicht!