Großbritannien  Wappen der Isle of Man Britannien "History"

Rückblick 1986: Tourist Trophy Isle of Man


Im Artikel über die Whiskytour 2023 erwähnte ich es kurz: 1986 fand mein erster Trip nach GB statt. Die Whiskytour war ein schöner Anlass, sich daran zu erinnern. Eine Motorradtour zur legendären Tourist Trophy (TT) auf der Isle of Man in der Irischen See. Zwei Freunde auf ihren beiden Ducati 900 SS Königswelle ...

Das Ganze ist sehr lange her und darum liegt der Schwerpunkt dieses Artikels nur auf ein paar erinnernswerten Geschichten, die sich besonders einprägten und den Bildern, die ich damals machte. Total retro sozusagen.

Damals schrieb ich ja noch keine Artikel für das Explorer Magazin, darum sind die Erinnerungen nicht so detailliert wie heutzutage. Die Bilder sind (und waren) Dias, die ich nach der langen Zeit noch retten konnte. Beschrieben im Artikel über Digitalisierung ...

Man sagte mir damals schon, dass die Insel gefühlt zu 90% von der TT und dem Manx Grand Prix im Spätsommer lebt. Es schien mir richtig zu sein Dieser Eindruck bot sich überall. Immer noch strömen Tausende Motorradfahrer zu den genannten Terminen auf die Insel.

Die Rennen auf der IoM entstanden bereits 1907, weil es durch den Autonomiestatus der Insel hier kein Tempolimit außerorts gab und gibt, im Gegensatz zu GB. Die Insel hat sogar eigenes Geld, das Manx Pound, und eigene Briefmarken. Beides wird in GB nicht genommen. Wir nahmen damals die Fähre von Rotterdam nach Hull und durchquerten GB auf der Autobahn nach Heysham. Von hier geht eine der Fähren zur Isle of Man nach Douglas, der Hauptstadt.

Das Wappen der Isle of Man ist eine Triskele, ähnlich der von Sizilien (siehe oben). Hier sagt das Wappen "Quocunque Jeceris Stabit". Sinngemäß: "Wo immer ihr uns hin werft, wir werden stehen" ...

Es kommt wohl aus der wechselvollen Geschichte der Isle of Man zwischen Irland und England.

Begegnung mit einem wichtigen Menschen

Als ich die Ducati in Douglas von der Fähre fahren wollte, bemerkte ich, dass das Hinterrad und alles ab dem Kettenritzel der Ducati nach hinten voller Öl war. Mist, der Wellendichtring der Getriebeabtriebswelle war wohl undicht geworden. Nun ja … mit einem Lappen alles gereinigt und weiter gefahren. Das Problem ließe sich schon irgendwie lösen.

In der ersten Woche unserer Anwesenheit von zwei Wochen war ja noch Trainingswoche und so hatten alle im sehr familiären Fahrerlager noch viel Zeit. Ich fragte mich dort zu einem Ducatiteam durch und der Teamchef selbst meinte: "No problem. I will have one sent by my shop."

Das alleine wäre als Anekdote ja schon ausreichend, aber es ging noch weiter. Das Motorrad war ja recht verölt und so fragte ich, ob es in Douglas irgendwo einen Hochdruckreiniger gäbe. "Ja, dort hinten, die Bäckerei hat einen. Aber Tankstellen mit Reiniger gibt es nicht."

Reinigen in der Bäckerei

Das führte dazu, dass ich dort in dem großen Bäckereibetrieb einfach fragte und man antwortete sehr freundlich "Na klar, bei uns hinten im Hof." Jetzt musste ich nur noch die Ducati durch die komplette Backhalle schieben, um zum Hof zu kommen. Von hier wurde wohl die ganze Insel mit Brot versorgt. Reifenspuren auf dem mehligen Boden in einer Bäckerei sehen schon lustig aus. An solchen Begebenheiten erkennt man, dass diese Insel Motorrad lebt. Es schien völlig normal ...

Ich nahm zum Reinigen die Höckersitzbank ab, um wirklich alles ölfrei zu bekommen und entdeckte unter dem Höcker meine 500 ml Reserve-Ölflasche … ohne Deckel. Sie hatte alles mit Öl eingesaut, als sie auslief und ich konnte wohl froh sein, nicht gestürzt zu sein. Andererseits wurde dadurch deutlich, dass der Wellendichtring nicht die Ursache für das ölige Hinterteil war und ich konnte ihn abbestellen. Inzwischen wurde mir jedoch klar, bei wem ich da eigentlich bestellt hatte! Es war Steve Wynne von Sports Motor Cycles persönlich ..!

Ein lebender Gott für Ducatifahrer

Er hatte 1978 die berühmte Ducati für Mike Hailwood präpariert, auf der er nach 11 Jahren Motorradabsenz nicht nur die Senior TT gewann, sondern auch die Motorrad F1 dieses Jahres. Das Motorrad wurde zur "Hailwood Replika" und ein großer Verkaufserfolg für Ducati. Ich musste also zu ihm gehen und ihm alles erklären. Wir lachten beide recht herzlich drüber und alles war erledigt ...

Lockenwickler

Man muss sich vorstellen, dass die Rennstrecke auf der IoM aus ca. 61 km ganz normalen Landstraßen und sogar Ortsdurchfahrten besteht. Das ist vielfach höchst gefährlich, denn es geht oft an schmiedeeisernen Gartenzäunen mit Spießen obendrauf und Bruchsteinmauern vorbei. Außerhalb der Renn- und Trainingszeiten sind hier also ganz normal die Schulbusse und Milchlaster unterwegs.

Das Training findet morgens statt, bevor der normale Verkehr einsetzt. Die Strecken-Marshals sperren dann alles ab und los geht es um 6:00 Uhr. Weil dann damals wie heute an Schlaf eh nicht mehr zu denken war, lehnten die Hausfrauen mit Lockenwicklern im Haar und dem Morgenmantel auf der Fensterbank des Schlafzimmerfensters und sahen den keine fünf Meter entfernt vorbei rasenden Motorrädern zu.

Selbstversuch

Ich wollte natürlich schon wissen, ob ich auf dieser Rennstrecke auch schnell sein könnte. Vermessen ist dieses Ansinnen sowieso, denn als Ahnungsloser fährt man sich auf dem fast 61 km langen Kurs höchstens um Kopf und Kragen. Also stand ich trotzdem eines Morgens gegen 5:00 Uhr auf und versuchte mein Glück vor Einsetzen des Verkehrs. Mir wurde das ganze jedoch sehr schnell zu gefährlich, denn ich schaffte als Höchstgeschwindigkeit an einer übersichtlichen Stelle gerade mal das, was die Rennfahrer im Durchschnitt fuhren … und dabei hat es mich schon halb runter geschüttelt.

Wer hier bei Rennen schnell sein will, braucht beste Vorbereitung und ein gutes Konzept. Alles andere ist selbstmörderisch. Viele Onboard-Videos auf YouTube zeigen, wie halsbrecherisch es wirklich ist, hier schnell sein zu wollen. In Rennrichtung zu fahren erschien mir sowieso schon bald zu gefährlich. Gegen die Rennrichtung jedoch auch bald. Man hält sich also am Besten abseits der Rennstrecke auf, um den Kamikazes nicht zu begegnen.

Mad Sunday

Am sogenannten Mad Sunday ist der Streckenabschnitt Mountain Course über den Bungalow in Einbahnrichtung von den Besuchern frei befahrbar. Der Name ist Programm, denn die meisten fühlen sich ermutigt, es den Rennfahrern gleich zu tun. Besser ist es, man hält sich fern ...

Beim ganzen Geschehen auf der Insel kann man sich schon fragen, warum das nicht längst verboten ist. Aber wie im Schottlandartikel geschrieben: Hier geht es um Leidenschaft und alle Menschen hier, sowohl die Rennfahrer als auch die Besucher, sind erwachsene Menschen. Leider kracht es nicht nur unter den Rennfahrern immer wieder, sondern auch unter den Zuschauern. Vielleicht gibt es darum T-Shirts mit dem Aufdruck "I survived Mad Sunday" ...


© 2024 Sigi Heider