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Der Fluss Sava als Motto für die erste Etappe

Wir haben eine gute Woche Zeit bis zum vereinbarten Treffen mit den Freunden, müssen also nicht stur durchrasen. Deshalb wählen wir für die ersten Reisetage ein Motto, nämlich den Fluss Sava, in Google Maps Save genannt, von Ursprung bis zur Mündung zu verfolgen.

Österreich durchqueren wir mautfrei über Kufstein, Felbertauerntunnel, Lienz, Kötschach, Tröpolach und queren die Karnischen Alpen über den Nassfeldpass nach Italien. Dort übernachten wir noch kurz vor der Grenze nach Slowenien an den beiden Bergseen Lago di Fusine, weil in Slowenien das freie Stehen nicht geduldet wird ...

Wenige Kilometer weiter und nur kurz nach der Grenze liegt das Naturreservat Zelenci mit dem türkisfarbenen Quellsee, in dem der Fluss Sava entspringt. Zahlreiche unterirdische Wasserläufe aus dem Kar (Mulde oder Kessel zwischen Steilwänden im Hochgebirge) des Berges Jalovec kommen am Grund des Quellsees heraus und bilden dort kraterähnliche Sandhäufchen, aus deren Zentrum es blubbert. Ein idyllisches Bild ist das und die Sehenswürdigkeit der Region. Als dünnes Rinnsal schlängelt sich der neugeborene Fluss danach durch die Talwiesen ...

Quellsee der Sava Und sie fließt weiter: Die jungfräuliche Sava
Nicht die Save, sondern ihr Zufluss Krka Wasserschloss Otocek: Innerhalb der Wehrmauer

Im weiteren Verlauf fließt die Sava nördlich am Triglavmassiv vorbei und nimmt von dort zahlreiche Zuflüsse auf, wodurch sie ihre hellgrüne Farbe und das Temperament des Gebirgsflusses erhält. Erst die Staustufe bei Moste beruhigt die Wassermassen und lässt Sedimente absinken. Danach hat die Sava die hellgrüne Farbe verloren und fließt mehr blaugrün weiter, wo sie dann den nördlichen Rand der slowenischen Hauptstadt Ljubliana streift und der Grenze nach Kroatien und dessen Hauptstadt Zagreb zustrebt.

Beim Vorbeifahren sehen wir von der Autobahn aus den Fluss Krka und halten diesen zuerst für die Sava, weshalb wir abfahren und das Wasserschloss Otocek, ehemals Schloss Wörndl besuchen. Die Krka mündet aber erst etwa 20km Kilometer flussabwärts in die Sava. Trotzdem ist der kurze Stopp und der Spaziergang an der Krka eine wohltuende Pause ...

Die Sava quert ganz Kroatien und kurz bevor sie im Naturpark Lonjsko Polje zum Grenzfluss zwischen Kroatien und Bosnien wird, statten wir ihr noch einmal einen Besuch ab. Der Ort Krapje ist ein Architekturdenkmal: Auf einer Länge von über 3 km stehen etwa 150 historische Holzhäuser auf der einen Straßenseite, an der anderen fließt der Fluss Sava, inzwischen lehmig braun und träge.

Auf dem Parkplatz neben einem kleinen Freilichtmuseum kann man parken und ungestört nächtigen, bewacht von unaufdringlich bettelnden Hofhunden. Aus den Prospekten des Museums erfahren wir einige geschichtliche Details: Die Gegend lag früher an der Grenze des Habsburgerreiches zum Einflussgebiet der Türken und wurde mit einer Kette von Wachtürmen bestückt. Alle Bewohner der Region galten automatisch als Grenzsoldaten, mussten verdächtige Feindbewegungen an die Garnisonen im Hinterland melden und waren deshalb von sämtlichen Abgaben befreit. Die Lebensgrundlage waren Landwirtschaft und Karpfenfang in der Sava. Daher der Name Krapje, was Karpfen bedeutet ...

Trotz des knapp 30 km weiten Umweges kann ich den Ort als Zwischenstopp auf dem Autoput nur empfehlen!

Die Sava bei Krapje: lehmig braun und träge Straßendorf mit historischen Häusern Nicht alle Häuser gut in Schuss ...
Dies wirkt noch bewohnbar ... Schöner Stellplatz, Museum im Vordergrund Die Sava 2 km vor Mündung in die Donau

Bei der Durchfahrt durch die serbische Hauptstadt Belgrad nehmen wir Abschied von unserem Fluss, der hier, 990 km nach der Geburt im Quellsee und zwei Kilometer vor seinem Ende, der Mündung in die Donau, ein großer schiffbarer Strom geworden ist.

Die restliche Strecke bis zur türkischen Grenze legen wir mit nur einer Übernachtung in Bulgarien sehr zügig zurück. Am Grenzübergang in die Türkei reichen Kfz-Schein, deutscher Versicherungsnachweis und Personalausweise, das Fahrzeug wird also nicht mehr in den Pass eingetragen. Wir bekommen aber auch keine Einreisebelege, was sich später einmal als sehr nachteilig erweisen wird ...

An einer Tankstelle registrieren wir uns für das türkische Mautsystem. Wir sind uns inzwischen aber fast sicher, dass für Touristenfahrzeuge eine Registrierung nicht nötig wäre. Von wenigen Teilstrecken abgesehen wird die Nutzung von Mautstraßen mittels Nummernschilderkennung digital erfasst und zentral gespeichert. Bei der Ausreise wird der aufsummierte Mautbetrag dann in Rechnung gestellt: Die Beträge sind aber für Touristen unglaublich gering, unsere Reisefreunde werden sogar ohne Bezahlung durchgewunken ... Und dann kommen wir endlich an in der Türkei ...

Edirne

Auf meiner ersten Türkeireise war das lebendige Edirne bereits ein Erlebnis. Und nun ist es nicht anders: Moscheen, die man in Marokko als Tourist nicht betreten darf, sind hier offen für alle und beeindruckend. Der quirlige Basar erstreckt sich über mehrere parallele Straßen und bietet manches Neue. Wir holen Geld und SIM-Karten, Erich kauft Johannisbrot und Maulbeeren. So etwas findet man bei uns zuhause selten. Einige Nüsse oder Körner sind mir gar unbekannt. Lange streifen wir durch die Gassen, beobachten das Treiben und essen türkisches Fastfood: Teigtaschen mit diversen Füllungen. Touristen gibt es schon, aber fast nur türkische.

Zum ersten Mal stehen wir mit unserem Auto auf einem bewachten Parkplatz mitten in der Stadt, nahe bei den Moscheen. Die Nacht über ist das weniger laut, als ich gedacht hätte. Aber um 4 Uhr früh stehen wir senkrecht im Bett: Der Muezzin!? Nein, die Tonspur einer Aufnahme seines Rufes in maximaler Lautstärke an einer leistungsfähigen Verstärkeranlage. Bayerisches Glockengeläut ist sanft dagegen!

Die berühmte Selimiye-Moschee, wird gerade renoviert Innenraum der Alten Moschee nebenan Holzhaus aus osmanischer Zeit, heute Museum

In einem kleinen Laden nahe der großen Moschee werden wir von einer attraktiven jungen Frau angesprochen: Sie hat gehört, dass wir Deutsch sprechen und nutzt diese Gelegenheit, ihre noch guten Sprachkenntnisse wieder einmal aufzufrischen. Wir erfahren von ihr, dass sie eine Kurdin ist und aus Mardin stammt. Nach vielen Jahren in Deutschland ist sie wieder zurückgekommen, weil ihre Familie hier in Edirne den Laden gekauft hat und sie dafür brauchte. Wir versprechen ihr, ihre Heimatstadt Mardin zu grüßen ...

Ankunft in Asien

Istanbul ist keine Option für uns: Die Stadt mag einmalig und interessant sein, aber für mich zu groß, zu unübersichtlich. Erich war ebenfalls schon einmal mehrere Tage dort und das reicht ihm. Zur Überquerung des Bosporus wählen wir die stadtfernste und entspannteste der drei Brücken, die Sultan Selim Brücke ganz im Norden, wo wir links schon das Schwarze Meer erkennen können und rechts in der Ferne riesige Wohnblocks der Trabantenstädte Istanbuls sehen.

Riesige Pfeiler der Sultan Selim Brücke Blick nach Süden, hinten liegt Istanbul Fast schon Offroad zur Schwarzmeerküste Schöne Bucht mit scheinbar verlassener Baustelle

Wir suchen einen Übernachtungsplatz am Schwarzen Meer und finden diesen nach einer Scouttour mit dem e-bike: Die letzte Meile der Anfahrt ist etwas ambitioniert, da wir nicht den einfachsten Zugang finden, und wir landen zwar in einer einsamen Bucht, aber neben einem Baustofflager. Zu meiner Überraschung wohnt hier ein Lagerwächter, der uns fragt, was wir bei ihm wollen. Seine Zustimmung zu unserem Übernachtungswunsch kommt zögerlich, offenbar hat er noch nie einen Camper hier gehabt ...

Aber natürlich ist es kein Problem, wie fast überall in der Türkei! 

Er geht später scheinbar zufällig, in Wirklichkeit neugierig an unserem Stellplatz vorbei und spricht beiläufig eine Einladung zum Tee in seiner Baracke aus. Wir meinen, diese Einladung aus Höflichkeit annehmen zu müssen und überraschen ihn ganz offensichtlich mit unserem Erscheinen. Aber kein Problem, die Einladung gilt und es wird ein netter Abend mit Mehmet und unsere erste Übung in Konversation mittels Google Translator. Es gibt zwar kein Funknetz hier, aber wir dürfen sein WLAN dazu nutzen. Und die Unterhaltung funktioniert tatsächlich, langsam und mühsam zwar, aber beide Seiten können fragen, was sie wollen.

Der Fernseher läuft und eine ziemlich plump gemachte Komödie in der Art von aneinandergereihten Sketchen belebt den Hintergrund. Mehmet beginnt langsam die Teezubereitung. Nach einer halben Stunde hat er schon Wasser in den Kessel geschüttet, fünf Minuten später sogar die Gasflamme entzündet. Insgesamt dauert es mehr als eine Stunde, bis der Tee serviert werden kann und er schmeckt sehr bitter. Zu meiner Überraschung kann ich auch einem mutmaßlich misslungenem Tee etwas abgewinnen und die Bitterkeit in winzigen Schlucken sogar irgendwie genießen. Die Zeit wird uns dabei nicht lang, der Einblick in das Leben und die Bude eines mittellosen Mannes ist schon interessant.

Zur Justinianbrücke

Wir haben noch ein paar Tage Zeit bis zu unserem Treffen in Konya und wollen diese nutzen für zusätzliche Ziele in der Nähe unserer Route bzw. des Schwarzen Meeres, wo wir auf der Heimreise vermutlich nicht mehr hinkommen. Nur 10 Kilometer Umweg investieren wir, um an die Justinianbrücke zu kommen, einem Bauwerk aus der Römerzeit und Anwärter auf eine Weltkulturerbestätte.

Die Brücke wird gerade renoviert und ist nicht zugänglich. Wären da nicht die Anzeigetafeln, die historische Aufnahmen vom früheren Zustand und dem aktuellen Bauvorhaben zeigen, wären wir wohl enttäuscht über diese Zutrittssperre. So aber sind wir entsetzt: Aus einem wirklich schönen antiken Bau wird durch Abtragen der alten und wohl etwas verwitterten Decksteine und Ersatz durch neue weiße Quader in exakt geschliffener Form (unter dem Motto aus alt mach neu) ein hässlicher Mix gemacht. Diese Art der in meinen Augen kultur- und geschmacklosen Renovierung werden wir in der Türkei noch öfter finden. Renovierung wird hier wörtlich genommen und heißt wirklich Erneuerung ...

Alter Zustand vor der Renovierung Zwischenstand mit neuen Decksteinen Aktuell warten neue Steine auf den Einbau

© 2024 Sepp Reithmeier, Fotos: Sepp Reithmeier, Erich Junker