Kappadokien - Schnittpunkt aller Türkeirundfahrten
Unser nächstes Ziel ist zweifellos der Höhepunkt vieler Türkeireisen - Kappadokien (Anm. der Red.: Zur Lage dort im Jahr 2016 siehe auch unseren Beitrag in "Iran 2016": Türkei / Kappadokien). Die Landschaft dort in der Umgebung von Göreme ist einfach skurril: Bizarre Formationen aus weißem Tuffstein, oft mit dunklen Hauben oben drauf, dominieren das Landschaftsbild. In der Zeit der Christenverfolgung haben sich Tausende von Verfolgten hier versteckt und große unterirdische Städte mit wunderschön bemalten Höhlenkirchen geschaffen, von denen noch viele erhalten sind.
Eine besondere Touristenattraktion ist die früh morgendliche Ballonfahrt über die Täler der Feenkamine, so heißen die Türmchen mit Haube. Wir sind aber keine so sportlichen Frühaufsteher und werden erst vom Fauchen der Brenner geweckt und bestaunen dann noch schlaftrunken die punktgenaue Landung neben den Begleitfahrzeugen.
Die Gegend ist wirklich fotogen: Hinter jeder Straßenbiegung zeigt sich ein neues, noch verrückteres Bild, und die hoffentlich immer saubere Phantasie hat einiges zu tun damit ...
Auf dem vorletzten Bild oben rechts kann man verfolgen, wie es den Türmchen ergeht, wenn sie ihre Mütze verlieren: Der Dicke ganz rechts hat seinen Deckstein vor einiger Zeit verloren. Schon wächst ihm ein Bäumchen auf dem Kopf und ein Spalt, in den das Regenwasser eindringen und Material wegspülen kann, ist auch schon zu sehen. In absehbarer Zeit, vielleicht in hundert oder in tausend Jahren, sieht er so aus wie sein Schicksalsgenosse links unten, von dem nur noch ein Stummel zurückgeblieben ist.
Und das letzte Bild daneben zeigt das Polizeipräsidium in einem imposanten Turm, rechts davon in dem kugeligen weißen Gebäude vermutlich die Landesjustizanstalt. Leider ist keiner da, weder Räuber noch Gendarm ...
Dass man in der Gegend auch Wandern kann, und zwar auf steilen und rutschigen Pfaden, sieht man im nächsten Bild. Auch viele Naturstraßen gibt es, auf denen die Kleinbusse ins Gelände fahren und zum Landepunkt der Ballone kommen.
Zu Urzeiten war der Vulkan Erciyes, ca. 15 km südlich vom heutigen Kayseri gelegen, noch sehr aktiv. Die ersten Ausbrüche brachten Unmengen von poröser vulkanischer Asche, die eine große Ebene etwa 100 Meter hoch bedeckte. Die letzten Ausbrüche lagerten eine meterhohe Schicht aus dunklem und wesentlich härterem Material darüber, der die darunter liegende helle Weichsteinschicht bedeckte und gegen den Regen schützte. Irgendwann fraß sich das Wasser aber doch Rillen durch die Deckschicht und schwemmte den darunter liegenden weichen Tuff weg. Wo die schützenden Hauben stehen blieben, konnte der Regen dem Tuff darunter nichts anhaben. Das Ergebnis haben wir dann vor uns - Erciyes ist schuld daran!
Wir verlassen Kapadokien nach zwei Tagen mit der festen Absicht, in einigen Jahren, wenn ich in Rente bin, für etwas längere Zeit wieder hier her zu kommen. Dann haben wir genug Zeit und den Kopf frei für die Suche nach einsamen Strecken und Offroadpisten, das kommt einfach zu kurz bei diesem Kulturprogramm ...
Alte und uralte Steine in Abrahams Heimat
Unsere nächsten beiden Ziele sind erheblich weiter im Südosten, die Grabstätte des Antiochus I auf dem Nemrut Dagi und die Abrahamstadt Urfa, heute heißt sie Sanliurfa. Wobei erwähnt sei, dass Urfa dem Abraham des Islam, also dem Ibrahim zugeordnet ist, während der im Alten Testament vorkommende Stammvater des jüdischen Volkes nichts mit Urfa zu tun hat.
Schneller ginge die Anfahrt über die Autobahn zuerst nach Süden an die Bucht von Iskenderun und dann nach Osten über Gaziantep nach Urfa. Wir wählen jedoch den fast direkten Weg zum Nemrutberg zuerst über Landstraßen und zuletzt über Regionalstraßen. Schließlich wollen wir unserem Bremach auch etwas bieten. Kurz vor Malatya zweigt eine Straße vierter Ordnung, also möglicherweise ein Forstweg, genau nach Süden ab und führt über einen Bergrücken nach Celikhan und von dort soll es dann wieder geteert zum nahe gelegenen Nemrut Dagi gehen.
Anfangs sieht diese Straße noch sehr gut aus, sauber geteert und breit genug. Wir durchqueren urige Dörfer, haben natürlich ein paar kleinere Navigationsprobleme und finden endlich die Verbindungsstraße über den Bergkamm.
Bald darauf ist die Straße jedoch gesperrt wegen Bauarbeiten. Was solls, wir haben doch einem Bremach und wo die Baulaster durchkommen, fahren wir allemal!
Die Straße wird gerade erheblich verbreitert, bald wird aus dieser idyllischen Bergstrecke eine autobahnähnliche Schnellstraße, wie überall in der Türkei. Wir fahren an mehreren Bautrupps vorbei, die Arbeiter winken uns freundlich zu.
Wir sind schon über den Pass hinweg, da blinkt uns ein entgegen kommender LKW-Fahrer aufgeregt an: Wir stoppen und erfahren von ihm, dass wir definitiv nicht weiterfahren könnten, weil heute noch gesprengt würde. Da ist leider Schluss mit lustig und wir sehen das endlich ein. Aber umdrehen und die ganze Strecke zurück - nein, das packen wir nicht!
Wir suchen uns ein nettes Plätzchen zum Stehen und wollen die Situation erst einmal überschlafen, vielleicht können wir uns morgen früh doch durchmogeln. Eine laute Detonation aus der Richtung unseres Zieles hilft uns sehr bei der Routenwahl für den nächsten Tag: Nämlich doch zurück und über die türkeitypische vierspurige Schnellstraße und einen großen Umweg zu unserem Ziel ...
Zum Nemrut Dagi hoch führt eine schmale, aber bestens präparierte Straße über einige Bergrücken, durch zwei kleinere Dörfer und zuletzt über Serpentinen und mit beachtlicher Steigung bis zum Parkplatz bei den Souvernierläden. Eine erstaunlich lange Strecke und als wir am Kassenhäuschen den Eintritt bezahlen, sind es immer noch 13 Kilometer bis zum Ende. Nicht etwa geteert, nein, gepflastert ist diese Straße und ich rätsele, warum dieser Aufwand bei der Erstellung sein musste.
Oben angekommen staunen wir nicht schlecht über den Trubel dort: 30 weiße Kleinbusse mit je 12 bis 17 Plätzen sind schon oben. Und so gepflegt wie die Staße ist auch der ca. 15 minütige Fußweg bis zur Aussichtsterrasse unter dem Grabhügel, dieser 45 Meter hohen, aufgeschütteten Kiespyramide - Wege für einen Massenansturm. Der Blick zurück am Parkplatz vorbei über die vorgelagerten Hügel bis zum Atatürk-Stausee im Hintergrund ist überwältigend. Aber auch nach oben zur Bergspitze bietet sich ein unvergesslicher Anblick. Wobei die zahllosen Menschen wohl dazugehören, das muss man einfach so sehen. Der hier 39 v.Chr. begrabene König Antiochus wird sich über so gewaltig viel Anteilnahme sicher freuen ...
Am Parkplatz mache ich wie überall, wo ich länger als ein paar Minuten stehe, noch einige nette Bekanntschaften. Die Fahrer der Taxibusse interessieren sich natürlich für mein Fahrzeug und nach wenigen Worten nennen sie sich gleich meine besten Freunde. Und ein Passant bringt den Bremach endlich in die richtige Größenordnung ...
Dann geht es wieder zurück ins Tal. Und da komme ich aus dem Staunen nicht mehr raus: Die Taxifahrer überholen mich einer nach dem anderen und brettern die steilen Kurven mit einem Affenzahn herunter, wohlgemerkt mit 10 bis 15 Fahrgästen beladen und nicht wie ich mit Untersetzung und Motorbremse, sondern mit Speed. Sie treten vor jeder Biegung voll in die Eisen, fast meine ich die Funken aus deren Bremsen zu spüren. So geht es etwa 1.000 Höhenmeter hinunter. Hier bewährt sich nun der griffige Pflasterbelag, auf nassem Teer würden die Fahrzeuge in der Kurve abrutschen. Dass hier nichts Schlimmes passiert, ist einzig und alleine der Wille von Allah - und der hat wohl alle Hände voll zu tun mit diesen Chauffeuren ...
In Karadut, dem ersten Ort auf der Strecke ins Tal, kehren wir ein und bleiben gleich über Nacht. Gerne möchte ich sehr früh am nächsten Morgen noch einmal hoch und den Berg für mich alleine haben. Das Hotel hat wirklich Charme: Es wird von 4 Männern geführt, nur in der Küche werkelt die Mamsell und im Gastraum hängen viele lokale Kunstprodukte mit Geschmack zum Verkauf, nicht der übliche Nepp aus China.
Und Essen können wir auch recht gut, einfach zwar und billig, aber sympathisch.
Am nächsten Morgen dann der Schock: Schon lange bevor ich zum Aufstehen bereit wäre, höre ich im Halbschlaf bereits die Taxibusse vorbeifahren und gegen 4 Uhr 30 kommt ein großer Reisebus mit Holländern, die an unserem Hotelparkplatz auf kleine Sprinterbusse umsteigen und mich vollends wach bekommen.
Sie alle wollen den Sonnenaufgang oben auf dem Dagi erleben: Ein blühender Eventtourismus findet hier statt am Nemrut Dagi und man muss wohl zu ganz unmöglichen Jahreszeiten herkommen, um mit Antiochus mal ein Wort unter vier Augen zu sprechen ...
Für die Strecke nach Sanliurfa fahren wir durch einsame ländliche Gebiete, überqueren den Atatürk-Stausee auf einer Fähre, die schon nächstes Jahr durch eine in Bau befindliche Brücke ersetzt wird und gelangen schließlich nach Siverek, wo wir Pause machen und in einem urigen Basar mitten unter den Tee trinkenden Männern eine Kleinigkeit essen. Unser Hund ist ohne Zweifel ein Handicap dabei. Im heißen Auto können wir ihn schlecht zurücklassen und an der Leine geführt verschreckt er alleine durch seine Anwesenheit viele Vorbeigehende: Restaurants betreten ist völlig unmöglich - schade!
Nach Sanliurfa sind es noch 100 km auf bester Landstraße mit Flüsterbelag. Fast könnte man beim Fahren einschlafen. Aber in der Ibrahimstadt ist es vorbei mit der Gemütlichkeit: Heute ist 19. Mai, ein türkischer Feiertag, und alle wollen ihren alten Propheten besuchen. Einen Parkplatz kann man deshalb vergessen, aber bei diesem Massenandrang will ich auch nicht hinein in die Grabstätte und zum Teich der heiligen Karpfen.
Stattdessen verlassen wir die Großstadt mit ihrer halben Million Menschen und suchen etwa 15 km nordöstlich davon die Ausgrabungsstätte von Göbekli Tepe, der ältesten Kultstätte der Welt. Vor etwa 11.000 Jahren haben die Menschen der Altsteinzeit hier ein Heiligtum errichtet mit großen, eigenartig geformten Steinen und Tierdarstellungen darauf. Es führt zu weit, die interssanten Details alle hier zu beschreiben und deshalb mein Hinweis auf eine Webseite zu diesem Heiligtum ...
© 2014 Sepp Reithmeier