Etappe 6: Türkei / Kappadokien, 27.04. - 29.04.16
Die Tufflandschaft Zentralanatoliens
Unsere Rückreise durch die Türkei: Kappadokien wird in jedem Türkeiprospekt beworben und ist als Upgrade bei jeder Buchung in der Hotelhochburg Antalya zu erwerben (Anm. der Red.: Siehe hierzu auch unseren Beitrag in "Türkei-Georgien 2014": Kappadokien - Schnittpunkt aller Türkeirundfahrten).
So waren wir gespannt, was uns erwarten würde: Der erste Eindruck sind unzählige Hotelhinweise, jede Menge parkender Reisebusse, Quads zum Mieten für Fußkranke und Buden vollgepackt mit Dingen, die man an Touristen verkaufen kann.
Wir haben eine Tagesfahrt mit Sturm, Hagel und Starkregen hinter uns und sind froh, als abends auf dem Campingplatz die Wolken aufreißen und die Sonne sich noch kurz blicken lässt ...
Morgens um sechs Uhr werden wir von über uns fauchenden Gasbrennern geweckt: Die Sonne ist gerade über dem Horizont aufgegangen und wir zählen über 50 Heißluftballone, die über uns schweben. Bizarre Felsformationen und Säulen aus erodiertem Stein schimmern im Morgenlicht um die Wette und tauchen die gesamte Landschaft in Pastelltöne ...
Vor 10 bis 30 Millionen Jahren schleuderten riesige, noch heute sichtbare Vulkane Tuffasche in das umliegende Gebiet, wo es sich in Schichten von verschiedener Festigkeit und Farbe ablagerte. Durch Witterungseinflüsse wurden diese Schichten aufgespalten und tiefe Schluchten ausgewaschen. So bildeten sich Tuffpyramiden und Formationen, die die Landschaft heute prägen.
Seit Jahrtausenden siedelten hier Menschen, denn der weiche Stein ließ sich leicht zu Behausungen aushöhlen. Der Besucher kann sich unter Hunderten (!) von in Fels gehauenen Kirchen kaum entscheiden, welche davon beeindruckender ist. Unterirdische Städte mit bis zu acht Stockwerken in die Tiefe sollen seinerzeit bis zu 3000 Menschen autark für Monate beherbergt haben. Viele Seitentäler laden zu Wanderungen ein, in denen es immer wieder Neues zu entdecken gibt.
Die bereitgestellte touristische Infrastruktur lässt bei Vollauslastung das Schlimmste befürchten und die Sehenswürdigkeiten werden dann wohl von den Massen erdrückt. Bedingt durch die aktuellen mehrfachen Terroranschläge in der Türkei herrscht hier und heute jedoch gähnende Leere; Polizei und Militär kontrollieren streng und intensiv - wir haben manchmal das Gefühl von "Manndeckung" ...
Der deutschsprachige Campingplatzbesitzer erzählt uns, dass er normalerweise um diese Zeit 30 bis 40 Fahrzeuge auf seinem Platz hat; wir sind heute seine einzigen Gäste. Viele Anbieter haben Reisen und Touren kurzfristig storniert, die Strände um Antalya sollen leer sein und die Tourismusanbieter sehen schwierigen Zeiten entgegen.
Wir haben knapp drei Tage Zeit, um uns einen ersten Eindruck zu verschaffen: Diese Gegend ist wirklich eine Reise wert und zu Recht wird sie auf der Liste des UNESCO Weltkulturerbes geführt.
Der Abstecher in den Süden Zentralanatoliens hat sich gelohnt.
Die Türkei macht uns die Ausreise allerdings nicht leicht: Die 50 km Umgehungsautobahn um Istanbul haben wir nach knapp vier Stunden "Stop and Go" hinter uns gebracht. Der ungehemmte Bauboom von neuen Wohngebieten und nur vierspurigen Highways passen nicht mehr zusammen.
Jetzt fordert uns zum Abschluss noch die türkische Grenzabwicklung: Der Schichtwechsel der Offiziellen dauert eine ganze Stunde und in dieser Zeit geht nichts voran. Dann müssen wir schließlich das gesamte Auto ausladen, jedes Fach, jede Kiste, jeder doppelte Boden muss geräumt werden, bevor das Fahrzeug von einem riesigen Röntgen-Scanner durchleuchtet wird. Nach dem Scan werden manuell die Ecken durchsucht, die ich aus Bequemlichkeit "vergessen" hatte.
Befremdlicherweise wird unser gesamtes Hab und Gut, welches vor dem Auto aufgetürmt wurde, nicht durchsucht. Aber wir haben unser Auto - wie gefordert - einmal komplett aus- und wieder eingeräumt und verbuchen diese sinnfreie Aktion als Schikane. Ähnlich müssen sich auch die LKW-Fahrer fühlen: Auch an dieser Grenze summieren sich in beiden Richtungen die LKW-Schlangen auf rund zwanzig Kilometer; dabei sind die Grenzanlagen neu und offensichtlich für Durchsatz konzipiert. Es ist, als ob die türkischen Grenzabwicklungen eigenen Regeln folgen und vielleicht auch als Druckmittel eingesetzt werden. Neben den wirtschaflichen Verlusten sind mit Sicherheit die LKW-Fahrer die Leidtragenden, die ohne jegliche Infrastruktur und Versorgung zu Hunderten tagelang die Zeit totschlagen.
Wie dem auch sei, wir sind nun endgültig auf der Rückreise: Vor uns liegen jetzt noch rund 1.700 km, bis es ein frischgezapftes Weißbier in München gibt ...
© 2016 Hans-Jörg Wiebe
Anm. der Red.: Weitere Beiträge von Hans-Jörg finden sich in unserer Autorenübersicht!