Montserrat - hoch hinauf ...
Die Nachrichten am Morgen sind alles andere als beruhigend: Es ist die fünfte Nacht mit gewaltsamen Auseinandersetzungen. Zahlreiche Flüge nach Barcelona sind bereits storniert (werden die Teilnehmer der Weinreise überhaupt anreisen können?). In den Frühnachrichten sehen wir neben brennenden Autoreifen und Müllcontainern Massen von friedlichen Demonstranten, die sich gestern versammelt hatten.
Zum Glück haben wir den Besuch von Montserrat für heute eingeplant, gestern beim Generalstreik wäre vermutlich kein Zug ins ca. 40 km entfernte Monistrol Montserrat gefahren.
Montserrat ist ein großer Gebirgsstock mit dem Gipfel Sant Jeroni (1.236 m ü. NN). Auf ca. 720 m Höhe befindet sich die Klosteranlage der Benediktiner. Im Jahr 945 wird das Kloster erstmalig in Schriften erwähnt. Viele Besucher pilgern hierhin, um die "Schwarze Madonna" zu besichtigen, die aus dem 12. Jhdt. stammt und die Schutzpatronin Kataloniens ist. Die Madonna ist übrigens nicht schwarz geworden über die Jahrhunderte, sondern in der Romanik war es durchaus üblich, Madonnen schwarze Gesichter und Hände zu verleihen - vielleicht aufgrund des Hohelied Salomos: "Ich bin schwarz und gar lieblich, ihr Töchter Jerusalems, wie die Zelte Kedars, wie die Teppiche Salomos."
Aber nicht nur Gläubige zieht es auf den Berg, auch Liebhaber von Bergbahnen finden hier auf kleinstem Raum ein schönes Angebot. Man muss die Anreise und Benutzung der Bahnen auf den Berg allerdings vorher genau planen und buchen, denn das spontan vor Ort zu tun oder eine Bergfahrt gar umzubuchen, ist schwierig bis unmöglich.
Hinauf auf den Berg wollen wir die Gondelbahn nutzen: Dazu fährt man bis zum Bahnhof Aeri Montserrat und kann dort mit dem sogenannten Aeri-Ticket hoch bis zum Kloster fahren. Die Talstation der Gondelbahn ist nur wenige Schritte vom Bahnhof entfernt.
Bereits 1922 plante man für die Pilger, die bis dahin nur zu Fuß, auf Pferdewagen oder mit der Zahnradbahn nach oben gelangten, einen komfortablen Zugang zum Kloster. Ursprünglich wollte man zwei Seilbahnen bauen mit verschiedenen Talstationen. Aber im Jahr 1928 entschied man sich schließlich dann für eine dritte Strecke und begann den Bau nur einer einzigen Bahn. Die gelbe Gondelbahn wurde von der Leipziger Firma Adolf Bleichert & Co erbaut und 1930 eröffnet.
Am Ende des Bürgerkriegs im Jahr 1939 wurde die Bahn durch Sprengungen an der Talstation erheblich zerstört. In 1940 waren die Reparaturen abgeschlossen und die Bahn konnte ihren Betrieb wieder aufnehmen. In den 50er Jahren wurden die Maschinen aufgerüstet und die Geschwindigkeit von 9 km/h auf 18 km/h erhöht.
Mit einer Steigung von bis zu 45° schwebt man innerhalb von 5 Minuten auf 700 m hinauf zum Kloster. Die Strecke beträgt 1.350 m. Der Ausblick ins Tal ist ebenso beindruckend wie der Blick hinauf zu den mächtigen Felswänden des Berges. Wie ein Schwalbennest wirkt das Kloster aus der Ferne, angeklebt am Berg ...
Die Anlage ist richtig groß: Am Straßenrand befinden sich Marktstände, die allerlei Andenken und regionale Lebensmittel verkaufen. Die Kirche mit der Madonna ersparen wir uns, die Warteschlange wirkt abschreckend.
Eine kleine Bummelbahn fährt durch die Anlage. Eine Schaffnerin auf Segway sieht nach dem Rechten, die Bummelbahn ist aber kostenlos. Nach einem Rundgang und einer Stärkung in der Cafeteria mit einem Glaserl Wein geht es weiter zur nächsten Bahn: der "Funicular San Joan".
Bei der Funicular San Joan handelt es sich um eine "Standseilbahn", die bereits 1918 von der Schweizer Von Roll AG errichtet wurde, um eine Einsiedelei an das Kloster anzuschließen. Im Jahr 1926 wurde die Bahn umgebaut auf eine Spurweite vom einem Meter. Mit einer Geschwindigkeit von 5,4 km/h und einer Steigung von bis zu 65% gelangt man in 6 Minuten zur Bergstation in 970 m Höhe. Zwei Personenwagen fahren die Besucher auf der eingleisigen Strecke mit Ausweiche zu einer Aussichtsplattform, von wo aus man einen herrlichen Blick auf die gesamte Klosteranlage hat. Von dort aus kann man auf Wanderwegen alte Einsiedeleien und christliche Stätten besichtigen.
Wieder auf Klosterhöhe angekommen entdecken wir nun auch die "Funicular de Santa Cova", eine weitere Standseilbahn, ebenfalls erbaut von der Schweizer Firma im Jahr 1929. Sie fährt vom Kloster 118 m bergab mit 7,2 km/h. Vom Prinzip her arbeitet sie wie die Funicular San Joan, einspurig und mit Ausweiche. Den Trip von 1,5 Minuten schenken wir uns ...
Wir begeben uns stattdessen zur "Cremallera", einer Zahnradbahn, die uns wieder ins Tal bringen soll. Sie ist die flotteste Bahn hier und erreicht auf der "Adhäsionsstrecke" 45 km/h sowie auf der "Zahnradstrecke" 30 km/h. Solch eine kombinierte Zahnrad-/Adhäsionsbahn kennen wir schon in viel größerem Umfang von unserer Reise mit dem Glacier-Express zwei Jahre zuvor.
Ende des 19. Jhdts. überzeugte der Ingenieur und Liebhaber der Schweizer Bergbahnen, Joaquim Carrera, den Unternehmer José Ma Gonzélez davon, eine Zahnradbahn auf den Montserrat zu bauen.
Die Cremallera ist die älteste Bahn am Montserrat und nahm ihren Betrieb bereits im Jahr 1892 auf, damit die Pilger mit der Kraft von Dampfloks das Kloster komfortabel erreichen konnten. Die Strecke führt 5,8 km am Berg entlang mit einer Steigung von bis zu 15,6% durch Tunnel, über Brücken und durch zahlreiche Kurven sowie eine Ausweichstrecke. Einige Triebwagen stammten aus der Schweiz, unter anderem eine Lok, die zuerst bei der Gornergratbahn in Zermatt eingesetzt wurde, mit der wir seinerzeit in der Schweiz ebenfalls fahren konnten.
Bürgerkrieg, Misswirtschaft, rückläufige Passagierzahlen und ein Unfall führten dazu, dass die Linie im Jahr 1957 stillgelegt wurde. Erst Jahrzehnte später wurde die runderneuerte Zahnradbahn im Jahr 2003 wieder eröffnet.
Und so können wir bei der Fahrt zum Bahnhof Monistrol Montserrat die atemberaubende Aussicht genießen. Am Nachmittag treffen wir wieder ein in Barcelona und haben noch irgendwie Lust auf mehr ...
Am Anreisetag hatten wir nur die "Ictineo I" vor dem Marinemuseum bewundert, nun wollen wir uns auch die Exponate drinnen anschauen. Das Marinemuseum ist in riesigen gotischen Hallen aus dem 14. Jhdt. beherbergt, die früher als Werft für Galeeren dienten. Hier schlägt das Herz des Modellbauers höher: Neben antiken Schiffen finden sich auch detaillierte Modelle moderner Containerschiffe - was wären das für Exponate im Modellkeller ..!
Unter anderem werden 3 Jahrhunderte der katalanischen Marine präsentiert: Frachtschiffe, Kriegsschiffe, Passagierschiffe und natürlich auch U-Boote. Äußerst beeindruckend ist die 1:1 Rekonstruktion der Galeere "Real", einst das Flaggschiff der Flotte, die unter Don Juan d’Austria 1571 die Türken besiegte ...
Aber neben Schiffen gibt es auch allerlei nautische Geräte, Seekarten, Kanonen, Dampfkessel u.v.m. zu bestaunen. Am Modell der "Ictioneo II" treffen wir dann schließlich den Museumswächter, der endlich als Einziger das Rätsel um den Verbleib des Nachbaus im Port Vell lösen kann - solche Mitarbeiter braucht ein gutes Museum eben!
Bei unserer Rückkehr finden wir die Markthallen wieder geöffnet vor: Offenbar scheint sich die Lage zu entspannen. Wir verbringen den Abend im Zentrum der Stadt, erneut hören wir Tumulte nur aus der Ferne und erhalten die beruhigende SMS, dass die Weinreise wie geplant stattfinden wird und sich morgen Nachmittag die Reisegruppe unweit unseres Hotels treffen wird - Priorat, wir kommen ..!
© 2021 Sixta Zerlauth