"Privates" Vorprogramm: Jagd auf Ictineo II ...
Wir gehen raus auf die La Rambla. Der Empfang ist beeindruckend: Polizei an allen Ecken, über uns kreisen knatternde Hubschrauber, Journalisten mit Warnwesten, Helmen, Gasmasken, riesigen Teleobjektiven und schweren Fernsehkameras sammeln sich und laufen vorbei, dazwischen immer wieder Leute eingehüllt in katalonische Flaggen bzw. wild schwingenden Flaggen, rasende Polizeiwagen mit Martinshorn und Polizisten auf Motorrad. Offensichtlich, fangen die Vorbereitungen für die Nacht früh an.
Die Polizisten wirken relativ gelassen und überlassen den Touristen das Polizeiauto schon mal als Motiv für Selfies und Erinnerungsfotos.
Wir haben einiges vor für unseren Besuch. Barcelona kann man durchaus als Wiege der U-Boot-Technik bezeichnen. Vorreiter war im 19. Jhdt. der katalanische Ingenieur Narcís Monturiol i Estarriol - schon damals Anhänger der katalanische Unabhängigkeitsbewegung - offensichtlich eine unendliche Geschichte. Er hat zwar Juristerei studiert, aber trotzdem was aus seinem Leben gemacht.
Er wollte die Korallenernte durch Unterwasserboote sicherer gestalten und 1859 startete die Tauchfahrt der Ictineo I im Hafen von Barcelona.
Sie konnte zwar mit ihren 4 Besatzungsmitgliedern immerhin bis 50 m tief tauchen, aber nicht navigieren. Alles wurde manuell betrieben - Pumpen und Schrauben. Bereits 1862 wurde sie im Hafen festgemacht gerammt und schwer beschädigt.
5 Jahre nach der Ictineo I war die Ictineo II fertig. Immerhin benötigte die Ictineo II schon 16 Mann Besatzung war mit 14 m doppelt so lang wie ihre Vorgängerin und wurde 1867 mit einer Dampfmaschine nachgerüstet.
Von beiden U-Booten soll es in Barcelona Nachbauten geben, die wir besuchen wollen. Aber nicht nur die Ictineos sind im Stadtbild zu finden, auch andere U-Boote oder deren Abbildungen dienen als Denkmäler, es lohnt sich Ausschau zu halten.
Aber zunächst machen wir Jagd auf die Ictineos, immerhin haben wir zu Hause auch ein Modell der Ictineo II in 1:24.
Unweit der La Rambla befindet sich das Museu Marítim. Hier herrscht eine unglaubliche Ruhe, nur wenige Besucher verirren sich hierhin. Und schon steht die da: Die Ictineo I:- 7 m lang 2,50 m breit, 3,50 m hoch - ein bisschen wie ein großer Holzfisch.
Wir genießen die Ruhe und machen Pause in dem schönen Innenhof mit Cafeteria.
Nun nehmen wir Kurs auf den Port Vell, das kann man nicht verfehlen müssen wir doch nur Richtung Säule mit Christopher Columbus am Mirador de Colom gehen. Ein kurzer Stopp an der Hafenmole muss sein um die Gondelbahn zu bewundern, mit der man über den Hafen von der Stadt zum Strand schaukeln kann. Die alte Hafenmeisterei ist zur Zeit entkernt und wird vollständig renoviert. Auch ist die ganze Hafenseite wegen umfangreicher Sanierung nicht betretbar, so dass wir das Mahnmal Monolito Muertos USS Guam Y USS Trenton nicht besichtigen können. Hier wird der 49 toten amerikanischen Soldaten gedacht, die im Januar 1977 im Hafen von Barcelona ihr Leben verloren. Nach einem Landgang sollten 124 Soldaten der USS Guam und USS Trenton mit einem Landungsboot der LCM-6 Klasse wieder zu ihren Booten zurückgebracht werden und wurden dabei von einem Frachtschiff gerammt. Das Landungsboot kenterte und die Soldaten fielen ins eiskalte Wasser. Trotz schneller Rettungsmaßnahmen haben 49 Seeleute die Havarie nicht überlegt.
Weiter geht es über die Rambla del Mar einem großen Steg, der 1994 errichtet wurde und dessen Planken wellig angeordnet sind. Über diesen Steg gelangt man zur Pier Moll d'Espanya einem Zentrum mit Restaurants, Kinos, Läden und dem Meeresmuseum und dem Maremagnum mit Aquarien und Shoppingcenter.
Im Hafen liegen beeindruckende Jachten dazwischen auch die eine oder andere weiße Skulptur. Fischkutter tuckern vorbei, Schwimmer tummeln sich im Hafenbecken, am Ufer sonnen sich Touristen. Dazwischen freche kreischende Möwen. Ein Hafenidyll, wie man es sich kaum besser ausmalen könnte.
Auf diesem Pier soll sich der Nachbau der Ictineo II befinden. Es gibt zahlreiche Hinweise und Bilder im Internet. Wir machen uns auf die Suche - und finden nichts. Wir vergleichen mit den Bildern im Internet und identifizieren die Wiese und das Gebäude mit der Aufschrift Restaurant Mondo. Wir fragen Passanten, die so aussehen, als ob sie hier öfter sind, z.B. weil sie einen Hund Gassi führen. Aber niemand hat je von dem Nachbau gehört. Wir treffen sogar einen Briten, der seit vielen Jahren hier regelmäßig spazieren geht und noch nie was von der Ictineo gesehen oder gehört hat. Letzte Chance: der Parkplatzwächter, aber auch der weiß nix (mit doppelt X).
Erst später löst sich das Rätsel als wir einen Wächter im Marinemuseum befragen. Der Nachbau war schon recht heruntergekommen. Anlässlich des Fußball Champions League Gruppenspiels am 24.11.2009 in dem Barcelona Inter Mailand mit 2:0 schlug, wurden italienische Fans hier auf der Pier untergebracht und demolierten aus Wut und Frust das U-Boot.
Ein vollkommen sinnloser Akt der Fans und es erscheint ungerecht, dass hinterher Inter Mailand die Champions League in 2009 gewonnen hat. Ausgerechnet 150 Jahre nach der ersten Tauchfahrt der Ictineo I im Jahr des Narcís Monturiol i Estarriol, mussten hier die Vandalen an dem Denkmal randalieren.
Das Wrack der Ictineo II wurden dann mit Graffiti besprüht und weiter zerstört, sodass man den traurigen Rest im Frühling 2010 abmontierte verschrottete.
Nichtsahnend von der Lösung des Rätsels flanieren wir weiter zum Passeig de Colom, vorbei am grinsenden Hummer Gambrinus, der 1992 anlässlich der Olympiade hier aufgebaut wurde. Unweit davon befindet sich die rote Zugbrücke über die vielbefahrene Straße Ronda Literal. Da aber der gesamte Hafenbereich wegen Renovierung gesperrt ist, ist die Zugbrücke gesperrt.
Der Passeig de Colon ist ein unglaublicher Lauf- und Fahrsteg. Wer mal wissen will, wie sich der moderne Städter fortbewegt, muss hier nur wenige Minuten warten und hat den Überblick: Rikschas, Skateboards, normale Fahrräder, Mountain Bikes, Klappräder, E-Bikes, E-Scooters, normale Tretroller, Miniroller mit Sitz usw. usw. Alles strömt vorbei. Wir lassen uns mittreiben bis zu unserem Restaurant auf der La Rambla. Noch scheint alles ruhig - aber im Lokal ist es auffällig leer. Offensichtlich weniger Touristen in der Stadt und die Einheimischen haben besseres vor. Wir sehen immer mehr Richtung Hafen ziehen. Bei gutem spanischen Essen begleitet von einem Wein aus dem Anbaugebiet Montsant (grenzt an das Priorat) lassen wir den Abend ausklingen.
Im Hotel bekommen wir tatsächlich nichts mit, auch um das Hotel herum ist es auch ruhig. In der Ferne hört man Tumulte. Schaltet man den Fernseher an, kann man kaum glauben, was alles nur wenige Meter von der La Rambla passiert. Man sieht brennende Mülltonnen, brüllende Demonstranten, prügelnde Polizisten und dazwischen die Presse mit den Warnwesten. "Barcelona brennt" wird der Aufmacher der Tageszeitungen in Europa sein.
Wir werden morgen den Tag überwiegend im Cosmo Caixa, dem technisch-naturkundlichen Museum von Barcelona verbringen ...
© 2021 Sixta Zerlauth, Großbild Ictineo II: Commons Wikimedia Álvaro Ibáñez