Tag 1: Vorbereitungen ...
Am Montag, den 8. September ´08, trafen wir uns wie verabredet auf einem Campingplatz in Älmhult im südlichen Småland und fuhren nach der Begrüßung und einer Tasse Kaffee bald weiter nach Svenarum. Die 130 Km dahin waren schnell heruntergespult und schon bald standen wir auf dem schönen Gelände der Kanustation. Ich hatte mich vorher noch über das zu erwartende Wetter informiert. Es war am Anreisetag sehr schön, aber das sollte leider nicht so bleiben: Für den nächsten Tag war mehr oder weniger Dauerregen angesagt. Dann sollte es aber etwas besser werden. Wir beschlossen, den Dienstag noch abzuwarten um sozusagen "abzuwettern". Im Schutz der beiden Markisen links und rechts an Thomas´ Wohnmobil konnten wir dann die Ausrüstung noch trocken sortieren und anfangen, die Boote zu beladen ...
So mancher Hausfrau mögen die Ohren klingeln! Thomas und ich kochten am Dienstagnachmittag eine ordentliche Portion Grünkohl vor: Die würde uns am nächsten Abend des ersten Paddeltages garantiert gut schmecken. Am aktuellen Abend gab es dann Currywurst mit selbst gekochter Soße und frischem Landbrot. Lecker! Sehr lästig waren während des gesamten Tages und in der Dämmerung die für die Jahreszeit noch ungewöhnlich vielen und stechlustigen Mücken. Ein Teich auf dem Gelände des Lagerplatzes war die Quelle dieses Übels. Die Nacht wurde sternenklar und recht frisch, aber leider noch nicht frisch genug, um das Treiben der Mücken zu beenden ...
Tag 2: Es geht los!
Die Mücken erwarteten uns schon zum gemeinsamen Frühstück. Da am Vortag schon das Meiste gepackt war, dauerte es nun nicht mehr lange: Wir räumten den Lagerplatz und parkten unsere Wagen an der vom Kanuverleiher bezeichneten Stelle. Gegen 11:00 Uhr wasserten wir die Boote und vertrauten uns dem flott strömenden Fluss an.
Der Härån führte durch die Regenfälle der letzten Tage Hochwasser und so ging es die erste Strecke recht zügig los: Hier war der Fluss sehr schmal, nur etwa 5-6 Meter breit, und er schlängelte sich auf den ersten Kilometern durch Wiesen und Weiden. Durch die gute Strömung reagierten die Boote auf jeden Paddelschlag und es machte einen Riesenspaß, durch die teils engen Kehren zu driften.
Einen Moment der Unachtsamkeit bezahlte man allerdings sofort mit unfreiwilligem Kontakt mit der Ufervegetation. Da der Fluss zu schmal war um nebeneinander zu paddeln, zog es uns schnell etwas auseinander. So paddelten wir in Sichtweite, falls nicht gerade wieder eine der engen Kehren anstand, aber ansonsten alleine auf diesem wirklich schönen Fluss.
Inzwischen waren die Wiesen urigem Wald gewichen und man tat sich schwer zu glauben, im relativ dicht besiedelten Südschweden zu sein.
Felsbrocken türmten sich am Ufer und der Charakter des Flusses änderte sich stetig. Immer wieder lagen Baumleichen im Wasser, die es zu umfahren galt. Mehr als einmal blieb nur, sich flach nach vorne zu beugen und unter den Ästen durch zu "tauchen". Die Ufersäume waren sandig und in den Prallhängen des teilweise mehrere Meter hohen Ufers hing so mancher unterspülte Baum schon "auf halb Acht": Das nächste Hochwasser würde sich auch diese Bäume holen.
Kaum eine Stunde unterwegs, trabte am rechten Ufer plötzlich ein junger Elchbulle aus dem Unterholz und näherte sich dem Ufer. In dem Moment kam ich um die Kehre und er erschrak, drehte sofort ab und lief einen Hang hinauf und verschwand hinter einer Kuppe. Die Kamera lag wie so oft in solchen Fällen noch sicher verpackt im wasserdichten Fotokoffer ...
Nach und nach trat der Wald zurück und die Landschaft öffnete sich wieder zu einer Wiesen- und Weidelandschaft. Ein Bauernhof kam in Sicht und die Kühe auf der Weide trabten neugierig heran, um zu sehen was da den Fluss herunter trieb. Das Gehöft blieb zurück und der Fluss verwandelte sich langsam in eine Selstrecke, wie die Schweden solche Stellen nennen. Er wurde immer breiter und die Strömung ließ merklich nach.
Rauschen machte auf die nun anstehende erste Umtragestelle aufmerksam. Das Wehr Blomfors war erreicht. Es ist unfahrbar und ein paar Meter vor der Abbruchkante legten wir rechtsseitig an einer Einbuchtung an.
Die Boote waren an Land zu ziehen und auf die Bootswagen zu wuchten, das kurze Stück Weg zur Einbootstelle zu rollen und wieder ab ins Wasser zu lassen. Nach 15 Minuten war alles erledigt. Auch unsere Knie erholten sich bei der Aktion wieder und so konnte es weiter gehen: Ein Canadier lässt sich nur vernünftig kniend paddeln und wir kennen und wollten es auch nicht anders. Aber wir merkten nun beide, dass es doch etwas anstrengender war als noch vor 20 oder 30 Jahren. Die Umtragungen waren also auch willkommene Knieerholungspausen. Allerdings: Unsere Rücken waren da anderer Meinung ...
Der Härån mäandrierte nun wieder spürbar flotter fließend durch eine schöne, offene und moorige Landschaft. Aber nach etwas mehr als einem Kilometer erweiterte er sich seeartig und es sah aus, als hätte der Härån hier eine große Wiesensenke überflutet. Lauter werdendes Rauschen kündigte die am Ende dieses Sees auf uns wartende nächste Umtragestelle an, das Wehr Munkabo ...
Die kurz vor dem Wehr auch am rechten Ufer liegende Aussatzstelle war nicht sehr materialfreundlich: Der Bootswagen war nicht anwendbar und so mussten wir die Boote über die Steine und zum Glück auch über einige offen liegende Wurzeln, die als Rutschhilfe dienten, unterhalb dieses unfahrbaren Wehres zur Einsatzstelle ziehen. Ohne größere Pause brachten wir das Hindernis hinter uns und es ging weiter.
Würde ich mein Boot weiter so abradieren, könnte ich es am Ziel wohl zusammenfalten ...
Bald kamen wir in ein absolut unübersichtliches Schilffeld mit einer Fahrrinne, die kaum mehr als Bootsbreite hatte: Die Strömung war knackig und so wurde es ein rasanter Blindflug in das über zwei Meter hohe Schilfdickicht. Man musste blitzschnell entscheiden, welcher Rinne man folgen wollte. Manchmal teilte sich die Rinne auch: Eine führte nach links, anscheinend zurück, die andere nach rechts in eine kleine Kehre. Eine falsche Entscheidung und man hätte im Schilf gesteckt.
Die Strecke forderte unsere ganze Manövrierkunst. Ich hatte es mit dem Einer deutlich leichter: Mein Boot hängt quasi am Paddel und ich kann fast auf der Stelle wenden. Thomas, der sein größeres Boot, den Zweier-Canadier "falsch" herum paddelte, um dadurch mehr in die Bootsmitte zu rücken, hatte etwas mehr zu kämpfen. Aber er hatte sein Boot perfekt im Griff und wir kamen beide heil durch, ohne in die Botanik zu sausen ...
Der Blindflug machte aber trotzdem großen Spaß. Wir hatten jedoch alle Hände voll zu tun und so gab es hier leider keine Möglichkeit zu fotografieren. Der Härån floss nun in ein Seensystem: Zuerst in den zerklüfteten Hubbestadsjön. Diesen mussten wir der Länge nach durchqueren, um durch einen schmalen Durchlass in den Rolstorpasjön zu gelangen. Es war ein wenig Navigation nötig, um nicht in die falsche Bucht zu geraten. In der Mitte des lang gestreckten Rolstorpasjön lag auf der rechten Seite unser Tagesziel - ein Rast- und Badeplatz, der um diese Jahreszeit ganz sicher sehr einsam sein würde. Eine Landzunge musste noch umrundet werden und da lag er: Zur Hälfte ein langer Sandstrand mit lichtem Kiefernbewuchs. Im Sommer wäre es hier sicher ganz toll und garantiert auch voll. Die andere, linke Hälfte, war eine kleine sandige Landebucht mit dahinter liegendem, ebenem und festem Grasboden, sowie zwei der auf schwedischen Rastplätzen üblichen Tisch/Bank Kombinationen ...
Das Wetter war während des ganzen Tages etwas nieselig und unbeständig. Wir nutzten die trockene Ankunft und bauten zu allererst das Zelt auf. Die in Schweden an Kanurastplätzen verbreiteten Vindskydar, auf Neudeutsch "Dackelgaragen" genannt, gab es hier nicht. Wegen der sich schon wieder um uns herum tummelnden aufdringlichen Mücken wäre das aber auch kaum ein gemütlicher Schlafplatz geworden. Danach zog Thomas unseren Joker aus dem Boot: Die große Tarpplane. Die hatte uns schon 2001 am Svartälven die Abende gerettet. Wir bauten das Tarp über den Tischen und Bänken auf. Kaum vollendet, fing es auch schon an zu schütten. In den nächsten Stunden waren die trockenen 12 qm Plane unsere "Küche sowie Ess- und Wohnzimmer" ...
Unser Grünkohl mit Wurst und Bauchspeck war genau das Richtige für das kühle und nasse Wetter. Dazu noch Kartoffeln gekocht und dann … "aber Hallo". Das deftige Essen hatte sicher genug Kalorien, um auch noch den halben nächsten Tag die Energiebilanz im Lot zu halten. Aber jetzt war das einfach nötig: Ein Bier und noch eines, oder waren es doch mehr ..? Dazu Grappa hinterher und wir sahen dem nächsten Tag etwas gelassener entgegen ...
© 2008 Bernd van Ooy (Lodjur)