Tag 3: Seen und Wehre

Es hatte in der Nacht aufgehört zu regnen und so konnten wir das zumindest äußerlich fast wieder getrocknete Zelt und auch das Tarp wieder eintüten. Innen war das Zelt leider noch feucht. Die kühle Temperatur und zwei Männer im Zelt hatten einiges an Kondenswasser erzeugt. Bei der Bauform des Zeltes ist das aber kein Problem: Das Wasser läuft ab, ohne zu tropfen. Wir hofften auf den nächsten Aufbau und besseres Wetter.

Beim Frühstück riss der Himmel auf und einige große blaue Löcher ließen die Hoffnung aufkommen, dass der Tag ohne Regen verlaufen könnte. Wir peilten den Ausfluss aus dem Rolstorpasjön an. Er lag schräg gegenüber dem Rastplatz und so starteten wir in die nächste Paddeletappe. Es ging in den kleinen trichterförmigen Gärdssjön und weiter in den Ossingsjön, der einen langen Auslauf ausgebildet hatte und dann nahtlos wieder in den schmalen Härån überging ...

Dank Begleitung nun auch mal ein Bild des Schreiberlings ... ;-)) Stromschnelle voraus, aber das Hochwasser hatte sie ertränkt ... Pause am Agnsjön, das Wetter wird endlich besser ...

Es war etwas mühsamer, über die Seen zu paddeln: Es gab keine spürbare Strömung. dafür aber leicht böigen Wind. So drifteten wir mit etwas seitlichem Versatz durch den Wind über die beiden Seen und freuten uns, als der Härån uns wieder mit seiner stetigen Strömung aufnahm und das Spiel mit der Strömung, den Kehren und Wendungen wieder begann. Kurz nachdem wir den Seeauslauf verlassen hatten, kam die in der Karte eingezeichnete Stromschnelle zunächst in Hörweite und nach der nächsten Kehre war sie auch schon da. Wir hielten uns an die Angaben in der Karte und nahmen den vorgeschlagenen linken Arm des sich hier gabelnden Flusses ... 

Der hohe Wasserstand hatte die Schnelle ziemlich "ersaufen" lassen. Es war kein Problem, dem Stromzug zu folgen. Ein großer Stein war zu umkurven. Über eine kleine Schwelle gerutscht und schon war man im Unterwasser. Der Fluss schlängelte sich nun wieder abwechselnd durch offenes und mooriges Waldland, dann wieder durch kurze Schilfpassagen. Konzentriert der Strömung folgend, hätte ich beinahe die "Ausfahrt" nach links aus dem Stromzug heraus verpasst. Gerade noch so die Kurve gepackt, etwas unelegant - aber geschafft. Gegen die momentane Strömung im weiteren Verlauf wäre ich nicht angekommen.

Einsatzstelle hinter dem Wehr Dammen ...

Thomas folgte mit etwas Abstand und nahm die Kurve wesentlich routinierter als ich. Wir trieben nun im Einlass eines kleinen ovalen Sees, dem Angssjön. Dessen Südufer war als alternativer Rast- und Übernachtungsplatz eingetragen. Unsere Knie bettelten um eine kleine Pause und wir waren natürlich nicht abgeneigt ...

Das Wetter war immer besser geworden und so hockten wir uns etwas in die Sonne und überlegten unter Zuhilfenahme der Karte unsere weiteren Schritte.

Als wir nach einer Viertelstunde wieder starten wollten, rief Thomas, der sich zur "Entsorgung" ins Hinterland verdrückt hatte, ob ich Hunger auf Pilze hätte. Es war unglaublich: Der mit einer dicken Moosschicht bedeckte Waldboden war geradezu übersäht davon. 

Nach nicht einmal 20 Minuten war ein schnell aus dem Gepäck gekramter Beutel voll mit feinsten Maronen, Steinpilzen und Birkenröhrlingen. Auch ein schöner Pfifferling fand sich dabei. Nun, die Speisekarte für heute Abend hatte sich soeben geändert!

Wir schwenkten wieder in den Stromzug ein und ließen uns die paar hundert Meter bis zum nächsten verfallenen Wehr Dammen und somit der nächsten Umtragestelle treiben.

Die Umsetzaktion verlief problemlos: Die Bootswagen konnten benutzt werden und nach kurzer Zeit ging es weiter in Richtung Hemmershult und das dortige auf uns wartende große Wehr. Die nun folgende gut 4 Km lange Strecke führte durch ein Moorgebiet und gehörte definitiv mit zum schönsten Abschnitt der Tour. Es würde den Rahmen der Beschreibung sprengen und mir fehlen irgendwie auch die Adjektive, um die Schönheit dieses Geländes zu beschreiben: Das war einfach ein Flusspaddelparadies!    

Bei Hochwasser kein Problem: Bei normalem Wasserstand eng ... Wind und Wasser arbeiten an der Umgestaltung des Ufers ... Aus dem Wald wieder ins offene Land: Steter Wechsel der Aussicht ...

Wir genossen schweigend die herrliche Strecke und bedauerten beinahe, als von links der Ruskån in den Härån einmündete. Dies zeigte uns, dass wir Hemmershult fast erreicht hatten. Der Ruskån entwässert den Moorsee Rusken, fließt einsam und fast strömungslos durch das weg- und stegloses Moor. Mit mehr Zeit könnte man hier einen Abstecher stromauf ins einsame Moor machen. 

Wehr Hemmershult: Ausbootstelle genau vorm Haus ... Kurz darauf machte die große Stromschnelle mit Wasserfall schon akustisch auf sich aufmerksam: Wir mussten ziemlich knapp am beginnenden starken Sog des Wasserfalls vorbei ans linke Ufer kreuzen und sofort hinter einer kleinen Schilfinsel scharf links einschwenken und direkt anlanden. Keine 5 Meter weiter tobte das Wasser schon über die erste Kante. Wer hier hineingerät, der paddelt - wenn überhaupt noch - so schnell nicht mehr ...

Auch hier waren die Bootswagen anwendbar. Wir mussten die Boote etwa 75 Meter vorbei am Wasserfall über eine Straße und hinter dem Wasserfall auf einer aus zwei Balken gebildeten Rutsche ins wesentlich tiefer liegende Unterwasser gleiten lassen. Ohne die Rutsche wäre das mit den beladenen Booten eine mühsame Kraxelei geworden. Der Fluss setzte sich nun sehr ruhig, aber immer noch spürbar strömend durch eine schöne, erst Wiesen- und Weiden-, dann wieder moorige Waldlandschaft fort ...

Nach etwa 1 Km sollte ein schöner Rastplatz am linken Ufer zu finden sein: Dieser war unser angepeiltes Tageziel. Es war inzwischen fast 17:00 Uhr und wir waren hungrig und auch ein wenig erschöpft. Aber die Betonung lag auf "sollte": Obwohl wir beide angestrengt nach links spähten, war weit und breit kein Rastplatz auszumachen. Zur Ehrenrettung der Karten der Kanustation: Die Angabe über den Platz stammt aus einem neueren Kanuführer. In den Karten war er nicht verzeichnet. 

Ein Teil des Wehres bei Hemmershult ... Hinter dem Wehr: Keine Strömung sichtbar, aber es zieht uns trotzdem weiter ...

Die Ufer lagen etwas erhöht und es gab nur sehr schlechte Möglichkeiten, hier anzulanden. Ich hatte zum Glück einige Minuten und ein paar hundert Meter vorher auf der rechten Seite eine kleine Bucht gesehen: Diese sah aus, als könnte man hier anlegen. Auch die Landschaft oberhalb der Böschung sah viel versprechend aus. Mir war es bei unserer Starrerei nach links nur aufgefallen, weil dort zwei Rehe aufgesprungen und ins Hinterland davongelaufen waren.

Wir wendeten und paddelten gegen die Strömung bis zur besagten Stelle zurück. Es war nicht die bequemste Aussatzstelle, aber schon bald lagen beide Boote hochgezogen auf der ebenen Fläche. 

Unsere Lavvu mit Regenvordach ...

Der Platz war sehr schön zum Zelten. Trockener, grasiger Grund und genug Platz zwischen den Bäumen und Büschen für meine Lavvu, wie diese Art Zelte in Skandinavien genannt werden. Nach vorne schöne Sicht auf den Fluss, hinter uns lichter Baumbestand und eine moorige weitläufige Senke. Und wenn mein Orientierungssinn nicht völlig daneben lag, würde die Sonne morgen früh direkt gegenüber von uns aufgehen ...

Kein Regen, 5°C: Echtes Feuer wärmt am besten ...Wir bauten schnell die Lavvu auf und da wir dem Wetter nicht über den Weg trauten, auch das Tarp dazu: Wir stellten es so auf, dass auch der Zelteingang vor eventuellem Regen geschützt wäre. Als nächstes wurde mein Boot zum Tisch zweckentfremdet und schon saß Thomas da und begann, die Pilze zu putzen. Der Hunger machte fleißig!

Sehenswert im Pilzallerlei war ein Birkenröhrlingsmutant, der drei Stiele unter einem Hut besaß. Ich übernahm als Herr über den Hobo-Ofen und ausgewiesener "Pyromane" die Funktion als Koch und schon bald brötschelte die Pilzpfanne munter vor sich hin. Zwiebel, Schinkenwürfel und noch ein paar Eier darüber. Alles gut gemischt und dazu frisches Sauerteigbrot, dass Thomas mitgebracht hatte. 

Es waren so viele Pilze, dass wir sie in zwei Portionen braten mussten. Auch hier rundete der Rest vom Grappa unser Festmahl ab ... 

"Natürlich" regnete es nach dieser Vorbereitung nicht: Nein, es wurde wolkenlos und "schweinekalt" in der Nacht. Und der Vollmond schien dazu. Uns war es egal. Der Hobo machte es uns ein ums andere Mal wieder gemütlich und die Aussicht auf nun mückenärmere oder sogar -freie Tage war erfreulich. In dieser Nacht schliefen wir herrlich ungestört und ruhig!

400 Gramm Birkenröhrling: Hoffentlich kein Tschernobyl Mutant ... ;-)) Pilze satt: Nicht nur reichlich, sondern auch sehr schmackhaft ...

Tag 4: Endspurt ...

Wie erhofft ging die Sonne tatsächlich genau gegenüber von uns auf: Wir frühstückten in aller Ruhe und machten uns dann an den Abbau des Lagers. Die Sonne und ein perfekt dazu passender leichter Wind trockneten die Ausrüstung. Alle Handgriffe saßen nun und es dauerte nicht lange und wir waren wieder unterwegs ...

Wir hatten beim Frühstück die verbleibende Entfernung bis zum angepeilten Ziel in Värnamo abgeschätzt und bekamen Bedenken, dass wir die noch folgende Strecke nicht in der verabredeten Zeit schaffen würden. Gut 8 Km müssten auch noch durch eine fast strömungslose Deltalandschaft mit Schilflabyrinth zurückgelegt werden. Wir sollten den Kanuverleiher heute zwischen 14:00 und 14:30 Uhr anrufen: Das könnte knapp werden. 

Sonnenaufgang: Was für ein Start in den Tag ..!

Wir beschlossen also nicht am angepeilten Endpunkt, sondern etwa 10 Km davor bei der nächsten großen Umtragung am Wasserfall von Fryele Kvarn die Tour zu beenden. Etwa einen Kilometer nach dem Start folgte nochmals eine Umtragung beim zerfallenen Wehr von Gustavsberg. Etwas mühselig, weil die ungefähr 75 Meter sehr matschig waren und die Reifen der Bootswagen kaum rollen wollten. Zum Wasser ging es wieder über Steine und mein Canadier kam der Faltbarkeit wieder etwas näher ...

Als auch diese Stelle geschafft war, folgten wieder einige Kilometer sehr schöner Landschaft: Wobei der Fluss noch einmal alles aufbot, was es an Kringeln und Kehren gab. Als sich so langsam auch die Knie wieder meldeten, vernahmen wir schon das immer lauter werdende Rauschen des Wasserfalls bei Fryele Kvarn. Etwa 50 Meter, bevor der Sog einsetzte, konnte man rechtsseitig bequem anlanden. Es folgte eine etwas mühselige Portage, die auch hier wegen des matschigen Weges nur mehr Ziehen als Rollen ermöglichte. Wir zerrten die Boote etwa 150 Meter weit bis auf die Höhe des Wasserfalls und überquerten dann die Straßenbrücke. 

Dort war ein kleiner Platz an einem abgehenden Weg, wo wir uns - ohne zu stören - niederlassen konnten. Es war 13:30 Uhr und ich rief den Kanuverleiher an. Er konnte uns aber erst, wie ja auch verabredet, gegen 14:30 Uhr abholen. Wir betrachteten uns also noch in aller Ruhe den imposanten Wasserfall und die Ruine einer alten Mühle aus früheren Zeiten.

Durch das Hochwasser und die große Wassermenge war dieser Fall im Moment schon ziemlich kräftig: Das Tosen war so laut, dass ich mich zum Telefonieren ziemlich weit entfernen musste. Als der Kanuverleiher mit dem Bootstrailer kam, waren unsere beiden Boote im Nu aufgeladen. Das Gepäck teils im Zugfahrzeug und teils in den Booten verstaut und schon viel zu schnell standen wir wieder in Svenarum und diese tolle Paddeltour war beendet ...   

Stromschnelle bei Fryele Kvarn: Viel Wasser, viel Getöse ... Reste des alten Mühlengebäudes mit Kanal für´s Wasserrad ...

Fazit: Ich kann diese Kanutour wirklich empfehlen. Die beste Zeit dafür ist das Frühjahr und der Herbst. Der Wasserstand ist besser und normalerweise gibt es zu dieser Zeit auch noch keine oder schon keine Mücken mehr. Im Sommer ist der Fluss zum Teil deutlich schmaler und auch langsamer. Dafür aber an den Raststellen eventuell auch voller, besonders an dem Badeplatz. Von Mücken rede ich da schon gar nicht mehr ...

Man kann auch gut eine Weiterfahrt auf dem Lagan, in den der Härån kurz vor Värnamo einmündet, einplanen. Infos und z.B. Bestellung von Canadiern in der Kanustation von Svenarum. Dort bekommt man auch gutes, wasserfest eingeschweißtes Kartenmaterial und eine deutsche Übersetzung der Tourbeschreibung mit Angaben zu Rastplätzen und Umtragestellen. Thomas Lungberg spricht auch etwas deutsch. Er arbeitet daran. Ansonsten natürlich Schwedisch und Englisch ... 


© 2008 Bernd van Ooy (Lodjur)


Anm. der Red.: Inzwischen gibt es bereits so viele Beiträge von unserem Autor Bernd van Ooy, dass wir Google bemühen müssen in unserem eigenen Magazin! In diesem Sinne hier also für alle Interessenten einen Überblick über weitere Beiträge von Bernd - und es lohnt sich, sie zu "suchen" ..!