15. Tag - Do, 19.06.03

Leider war Mr. Hilly gestern den ganzen Tag unterwegs: Gerne wäre ich mit ihm aufs Eismeer gefahren, doch sein Boot ist zur Zeit nicht einsatzfähig. So erledige ich vor der Abfahrt noch einen Auftrag vom Explorer-Magazin und quetsche Mr. Hilly detailliert zur ehemaligen deutschen Bewaffnung hier oben aus.


Geschütz wie in Gamvik ...Anm. der Red.: Wir hatten Karsten gebeten, Mr. Hilly unseren Beitrag von den Hinterlassenschaften - Überreste deutscher Aktivitäten aus dem Bericht Skandinavien 2000 zu zeigen und ihn zu befragen, ob die dort abgebildeten Geschütze denen von Gamvik entsprechen. Hier ein Auszug aus seiner Antwortmail:

Er kann sich noch an Euch erinnern, er hat sogar noch das Original Fax, von dem er heute noch (seine deutschen) Flyer kopiert. Natürlich grüßt er Euch auch!

Er hat mir eindeutig bestätigt, dass die abgebildeten Geschütze von der Art sind, wie sie in Gamvik verwendet wurden. Neben diesen 6 (großen), gab es auch noch 5 weitere und anders gebaute zur Luftabwehr. An denen zur Luftabwehr waren große Scheinwerfer installiert. Gamvik war also für beides ausgelegt: Luft- und Seeabwehr.

Ich hoffe diese Erkenntnisse helfen Euch weiter!


Einmal mit dem Thema angefangen, erfahre ich noch viel mehr: Ein langes Kabel führte damals von den Bunkern bis nach Gamvik und war dort mit Sprengladungen verbunden. Im Falle eines russischen Angriffs hätte man als allerletzte Maßnahme den Ort in Schutt und Asche gelegt, nur damit der Feind nicht in den Besitz der deutschen Technologie kommt.

Er macht mit mir noch eine Führung durch die Ruinen hinter seinem Haus. Auch hier erfahre ich noch viel Neues: Er zeigt mir den Bunker, in dem früher 9 Soldaten untergebracht waren, in dreistöckigen Betten. Auch die kleinen Munitionsbunker, in denen er auch mal kurzzeitig nach dem Krieg gehaust hat.

Aber er erzählt mir auch noch von deutschen Campern, die zwar nicht auf seinem Platz übernachten, dafür aber kostenlos ihren Wassertank aufgefüllt haben möchten. Denen sagt Mr. Hilly dann, sie könnten ihr Wasser aus dem Fluss schöpfen, und wenn sie schon mal da sind, auch gleich den Müll, den ihre Väter und Großväter hier hinterlassen haben, wieder mitnehmen.

Dieser Mann hat in seinem Leben viele schlechte Erfahrungen mit deutschen Besatzern und deutschen Wohnmobilbesatzungen gemacht. Trotzdem urteilt er nicht voreingenommen. Und sein Angebot steht: Jeder Deutsche soll vorbei kommen, und sich von ihm zeigen lassen was seine Vorfahren hier angestellt haben. Fest steht: Wer nach Gamvik fährt, ohne Mr. Hilly besucht zu haben, war eigentlich gar nicht in Gamvik. 

Statt auf den Euro einigen wir uns für diese Nacht gleich auf eine Flasche Wein: Für uns beide ein gutes Geschäft. Es macht Spaß, mit Mr. Hilly Geschäfte zu machen und natürlich fahre ich nicht ohne den Gamvik-Aufkleber am Auto davon. 


Heute ist mal richtig schönes Wetter: Schon beim Aufstehen war kein Frösteln angesagt. Die Sonne scheint und das Wasser der Fjorde hat die Farbe, wie man sie normalerweise nur von Adria-Postkarten kennt. Weiter geht´s, Richtung Inari. Auch heute fahre ich zeitweise die E6. Hinter dem Nordkap ist sie aber viel leerer - die ganzen Nordkap Raser sind verschwunden ...

Die E6 war eine Therapie für mich. Wahrscheinlich empfinde ich jetzt jede Strecke vor Deutschland als ruhige Nebenstrecke.

So komme ich denn am späten Nachmittag auch ganz entspannt in Inari an, flüchte aber gleich wieder aus dem Ort: Hier gibt es vor allem Souvenirgeschäfte. Kurz hinter Inari finde ich schließlich einen Campingplatz (N68° 44.437' E027° 29.034').

Camp vor Ivalo ... Glücklicher Touri ...

Hier gibt es leckeren Lachs, ein kühles Lapin Kulta und Internet über Wireless LAN. Ich genieße die Zivilisation, erschlage zahlreiche Mücken und lasse es mir den Abend über gut gehen ...

16. Tag - Fr, 20.06.03

Frühstück gibt es hier auch: Anstatt im Zelt, frühstücke ich heute im Restaurant des Platzes. Das einzig teure ist hier übrigens das Bier (für Finnland aber vergleichsweise billig) mit 3,40 Euro pro Glas. Stellplatz 6 Euro, Frühstück 2,50 Euro, da kann man wirklich nicht meckern!

So sitze ich heute morgen im mückenfreien Restaurant wie schon gestern Abend und philosophiere über die beiden Standorte Deutschland und Finnland. Schön, die Leute haben hier lange und entsetzlich kalte Winter, im Sommer eine Mücken- und Touristenplage, aber trotzdem haben sie es einfach besser als wir in Deutschland. Nicht nur wegen der Natur, sondern zum Beispiel auch beim mobilen Internet: So habe ich gestern Abend noch ein längeres Fachgespräch mit dem Besitzer eines Internet Providers aus Ivalo gehabt, eben jenem, der auch das Wireless LAN an dem Camp installiert hat. 

Da kann man richtig neidisch werden: Zum Beispiel GPRS, womit man von unterwegs wirklich schnell ins Internet kommt. In Deutschland einfach unbezahlbar, hier in Finnland für wenig Geld auch oberhalb des Polarkreises zu haben. Hier gibt es Tarife für 10 Euro im Monat, mit 100 MB Inklusivvolumen. Zum Vergleich: In Deutschland sind mir Tarife für 50 Euro mit 10 MB Freivolumen bekannt, aber nichts Günstigeres. Am Anfang, sagte er, hätte es gar keine Mengenbegrenzung gegeben. Da hätte er insgesamt 400 Gigabyte Traffic (Tauschbörsen etc.) über sein Handy erzeugt, denn dies war günstiger als über ISDN ...

Auf nach Rovaniemi ...Bei diesen Bedingungen ist es kein Wunder, dass hier jeder Finne dauernd am telefonieren ist, und über sein Smartphone jeden gefangenen Fisch an Hunderte andere Angelfreunde verschickt. Langsam denke ich echt ans Auswandern!

Heute ist nicht nur der längste, sondern auch seit langem der wärmste Tag auf meiner Reise. Bei 20°C fange ich schon fast wieder an zu schwitzen. Das nächste größere Mittsommerfest ist in Inari, sagt man mir an der Rezeption. In dieses von Touristen völlig überlaufene Kaff will ich aber auf keinen Fall. Dann, sagt sie, ist Rovaniemi das beste.

Also mache ich mich auf, in die 300 Kilometer entfernte Stadt Rovaniemi, die sich selbst als das Tor zum Norden bezeichnet. Anders als sonst, ist heute weniger der Weg das Ziel, und außerdem bin ich jetzt ja ein erfolgreich E6-Therapierter. Ich fahre also knallhart die E75, bei mäßigem Verkehr, und bin drei Stunden später schon angekommen.

Zwar gibt es hier einen Campingplatz, aber ich mache heute mal was ganz verrücktes, ich gehe in ein Hotel. Das Hotel Cumulus zählt wohl zur oberen Mittelklasse, ist von außen ziemlich hässlich, hat aber eine schöne Lobby, ebenso wie schöne Zimmer.

In meinem Zimmer vollziehe ich noch die letzte Stufe der Evolution, vom zivilisierten Menschen zum zivilisierten Stadtmenschen und mache anschließend einen Stadtbummel. 

Rovaniemi könnte auch eine deutsche Kleinstadt sein. Eine sehr überschaubare Fußgängerzone mit zahlreichen Restaurants und Boutiquen. Übermäßig schön ist diese Stadt nicht, eher funktionell. Ihr Wahrzeichen ist die Jätkänkynttilä-Brücke, ein zwar funktionales, aber ausnahmsweise weniger schlichtes Bauwerk.

Ein Hotelaufenthalt führt übrigens zu interessanten Eindrücken: So habe ich heute Nachmittag natürlich auch mal kurz die Fernsehkanäle durchgezappt und bin plötzlich bei einem deutschen Heimatfilm hängen geblieben. Das kann nur etwas für hartgesottene Finnen sein, natürlich wegen des Inhalts, aber er wird auch nicht synchronisiert, sondern nur mit Untertiteln gezeigt. Finnen, die Deutsch sprechen, dürften wohl spätestens am bayrischen Dialekt scheitern. Allerdings hätte ich heute wirklich gerne mal Finnisch gekonnt. Denn es hätte mich wirklich interessiert, wie bayrische Flüche wie etwa "Krutzedürken" (oder wie immer das geschrieben wird) ins Finnische übersetzt wurden ...

Statt zum Fernsehen, bin ich ja eigentlich wegen der Mittsommerfeste hier, und deswegen hab ich mir an der Rezeption die Standorte der Feste in meine Citymap einzeichnen lassen. Was bis 19:00 Uhr dort stattfand, ist aber am ehesten mit einer Kirmes, wie wir sie in Deutschland von den Dörfern kennen, vergleichbar. Also ziemlich langweilig. Für den späteren Abend sind aber noch Tänze und vieles mehr angekündigt. Ich werde später dorthin zurückkehren und meine Eindrücke, soweit erwähnenswert, dann eben morgen nachtragen.

Bis dahin sitze ich gemütlich in der absolut mückenfreien Hotellobby, schreibe meinen Bericht und trinke dazu ein kühles Lapin Kulta. Daran könnte man sich echt gewöhnen!


Anm. der Red.: Karsten, wir wünschen dir noch ein angenehmes Mittsommernachtsfest mit ausreichender Menge Lapin Kulta, auch wenn es sicher in Schweden noch wilder zugegangen wäre als vielleicht in Rovaniemi! 

Aber auch bei uns ist was los: So senden wir dir einige Bilder vom Globetrottertreffen in Zellerreit, wo wir heute mal vorbeigeschaut und ganz spontan unser privates Mittsommernachtsfest veranstaltet haben.

Gruß auch von deinem treuen Leser Walter Troll, der ebenfalls hier heute eingetroffen ist!

Gruß vom Mittsommernachtsfest ...

Ohne Lapin Kulta ... ... aber mit Sonnenwendfeuer! :-))

© 2003 Karsten Franke, Bild Geschütz: British Wargames (siehe dazu auch Beitrag Hinterlassenschaften - Überreste deutscher Aktivitäten)