Frühling in Schweden: Gedanken zum Lande ...

Wie gerne würden wir hierhin in die Einsamkeit Lapplands ziehen! Glauben wir zumindest. Aber da wäre vorher doch einiges zu bedenken. Natürlich, da ist zunächst einmal die Sprache - Englisch verstehen hier zwar so gut wie alle, aber wenn man hier lebt, geht es eben nicht ohne Schwedisch, ist doch klar.

Osterschmuck allerorten ...Und dann hier draußen auf dem Land? Natürlich, die Grundstücke und Häuser in traumhafter Umgebung sind spottbillig für unsere Verhältnisse - in München bekäme man nicht einmal ein Apartment für das Geld, das hier ein gewaltiges Grundstück mit Farmhaus darauf kostet - nein, das alles ist hier sogar viel viel billiger als bei uns zuhause selbst ein ordentliches Auto.

Und dafür würde man selbst die Grundrechte der Samen in Kauf nehmen, oder etwa nicht? Nun ja, die dürfen hier ihre Tiere in deinem Garten weiden lassen, und da es im Laufe der Jahre merkwürdigerweise immer mehr Tiere werden, die den Samen gehören, werden auch die Streitigkeiten häufiger: Da soll es schon mal Schießereien gegeben haben, bis derartige Weideaktionen dann seltener wurden. Aber auch mit der Haltung von vielen, vielen Hunden kann das in diesem Umfeld schon einmal so eine Sache sein ...

Wir fragen Stefan, was man beim Hauskauf hierzulande und insbesondere in dieser Gegend beachten sollte. Nun, er weiß von eigenen Fehlern zu berichten: Wer sich hier ein Haus im Winter kauft, ist selber schuld. Er weiß nicht, was ihn unter der Schneedecke im Frühjahr erwarten wird - so kann er kann froh sein, wenn das Dach den Angaben des Verkäufers dann tatsächlich auch entspricht oder überhaupt eines da ist ...

Hauskauf im Winter? Würde uns schon aus einem anderen Grund hier niemals einfallen: Wer zu dieser Jahreszeit kauft, weiß nicht, was ihn im Sommer erwartet - und wenn er dann mitten in einem Mückenloch sitzt, kann er auch etliche der hellen und warmen Monate abschreiben, was die Aufenthalte im Freien angeht. Nein, ein Hauskauf in Lappland kann nur zu einer Jahreszeit stattfinden: Im Hochsommer, wenn alles aus der Deckung kriecht. Wenn man alles sieht, alles spürt, egal was kreucht und fleucht. Und wenn dann der Winter kommt, hat man hoffentlich an alles gedacht, wenn die vielleicht meterhohe Schneedecke dafür sorgt, dass man ohne gut organisierte Schneeräumung kaum noch bis zum Weg vor dem eigenen Hause kommt.

All dieses will bedacht sein, stellen wir mal wieder fest. Aber ebenfalls erneut bekennen wir, dass das alles für uns kein Hindernis wäre, hierhin zu ziehen. Aber dennoch: Infrastruktur ist kaum vorhanden, der nächste "Konsum" 11 km entfernt. Erstaunlich dort für unsere Verhältnisse: Die erhebliche Anzahl abgelaufener Lebensmittel, wenn man sie denn dann bekommt - eine bekannte Unsitte, an der sich hier niemand zu stören scheint, wovon wir uns selbst überzeugen können. Und Kinos, Kneipen, etwas Kultur? Fehlanzeige! Sicher nicht ganz verwunderlich, wenn sich die Jugend dann beim Selbstgebrannten zusammen findet und sich möglicherweise nur noch besäuft, und das natürlich bis zum Umfallen - wer will es ihnen verdenken?

Klar, hier gibt´s auch abgelegene "Zweigstellen" des "System Bolaget", den wir schon anlässlich Skandinavien 00 und unserem Aufenthalt in Kiruna vorgestellt hatten. Aber wenn man nun in Bastunäs einen Rotwein trinken möchte, geht man dort halt hin und bestellt sich einen Rotwein, Marke Italien. Mehr kann man sich nicht wünschen und was man dann bekommt, ist eben Glücksache - ein für uns und unseren Weinkeller doch kaum vorstellbarer Sachverhalt, oder?! Man muss dann schon bis Umeå reisen, um auf ein umfangreicheres Angebot zu treffen ...

Aber vielleicht hilft ja auch der "Selbstbausatz": Im Supermarkt zu haben ist die Fertigpackung, mit der man seinen Rotwein selbst ansetzen kann - aber vielleicht greift man dann doch lieber zum überall erhältlichen 3,5% Pripps-Lagerbier, was bereits nach kurzem Aufenthalt im Land gut schmeckt und völlig problemlos die Fortführung alter Gewohnheiten erlaubt ...

Rotwein als "Selbstbausatz" ... ... doch 3,5% Pripps ist gut zu trinken ...

Noch einmal zu den Betrunkenen: Auch sie sind, wie bisher bei jeder Schwedenreise, ein deutliches Signal am Straßenrand, dass in Bezug auf den Alkohol etwas nicht stimmt im Lande. Da ist auf der einen Seite die EU, die Druck ausübt, die harschen Regelungen aufzuweichen, was insbesondere auch betrieben wird von Frankreich und Italien. Die können natürlich ihre Weine hierhin nicht in dem Maße exportieren, wie sie es sich wünschen würden.

Auf der anderen Seite die Befürworter der strikten Reglementierung: Sie argumentieren, dass die Exzesse hierzulande noch ungleich schlimmer wären, könnten die Bewohner sich uneingeschränkt auch in den langen dunklen Wintermonaten mit dem Stoff versorgen - wie dem auch sei, die schwedische Bevölkerung neigt nicht zu Revolutionen und die Regelungen sind heute eben noch so rigoros wie auch vor Jahren und der "System Bolaget" ist noch unverändert wichtig so wie früher.

Explorer mit Stammhalter Bensch - ein schönes Paar! :-))Man muss also wissen, was man tut, wenn man hierhin übersiedeln will. Dies und vieles mehr geht uns mal wieder durch den Kopf bei etlichen Osterspaziergängen, die wir rund um die Farm und mit und ohne Hund vollbringen.

Aber den guten alten Funny-Trail-Stammhalter Bensch zu bewegen, macht eben Spaß: Ihm und uns. Und die anderen Burschen? Nun, vom alten Explorer-Team des Millennium Events sind nur noch drei auch hier vor Ort: Während Frosty und Merlin wegen Prügeleien ab und zu nicht raus dürfen, ist Venus freiwillig nicht bereit, ihre Hütte zu verlassen, als ihr ehemaliger Musher, der Explorer, nach ihr ruft - die Zeiten sind eben auch nicht mehr, was sie mal waren oder ist sie immer noch beleidigt?

Insgesamt erscheint der Betrieb einer Huskyfarm hier nicht ganz unproblematisch: Nicht wegen der Nachbarn, denn die sind freundlich und auch weit weg, ganz anders als es damals war in Särna, weit unten im schönen Dalarna ...

Aber die vollständige Einsamkeit ist hier eben auch nicht gegeben, wie dies schon vom einen oder anderen Gast bemängelt wurde. Denn immerhin sieht man Häuser in der Umgebung und auch die E12. Ach ja, die E12! Während wir am Ufer des noch zugefrorenen Umeälven sitzen, donnert ein Fahrzeug nach dem anderen am gegenüber liegenden Ufer vorbei - der Schall wird dabei sehr gut über das Eis des Flusses herüber getragen. Wie man uns sagt, ist dies nur besonders intensiver Osterverkehr, fast jedes der Fahrzeuge hat einen Anhänger mit ein bis zwei Scootern darauf - die Wintersaison geht zu Ende und der Schnee verschwindet!

Aber ob es zu anderen Jahreszeiten wirklich soviel ruhiger ist auf der anderen Seite des Flusses? Die E12 bleibt die E12, was ja auch ein Vorteil ist: Eine derartig gute Verkehrsanbindung hat sicherlich auch ihre Vorteile und wenn man dann noch die viel gepriesene Mückenfreiheit im Sommer berücksichtigt, die durch einen ständigen Wind über den Fluss hinweg hier sichergestellt sein soll ...

Wenn auch weniger die Infrastruktur, aber die Preise und alles andere sprechen eindeutig für die Gegend: Im Norden gibt´s sicher viel mehr Mücken, wie wir wissen - mit Schaudern denkt man noch an Nedre Soppero, einem der Mückenhöhepunkte unserer damaligen Tour! Aber auch anderes ist zu beachten: In Orten wie Kiruna herrschen wieder andere Preise als hier, fast so wie in Stockholm. Aber dafür ist das Huskyfahren dann wieder einträglicher für die Veranstalter, wenn auch bestimmt nicht für die Kunden: Gern dort gesehen sind Japaner, die für ein "Schweinegeld" ein paar Minuten "um den Block fahren" ...

Nun ja, alles nicht unser Problem - bis auf weiteres wird Schweden für uns sicherlich nur ein Reiseland bleiben. Wir verabschieden uns von Stefan und den Huskies - sicherlich wird es  sehr, sehr lange dauern, bis wir noch einmal in diese Gegend kommen und wer weiß, wie die Verhältnisse dann sind, hier an der abgelegenen E12-Strecke und in der näheren Umgebung ...


Wie wir schon in unserem Beitrag zur Eurotour berichtet haben, empfängt uns Teuroland in alter Herzlichkeit, als wir am Ostermontag zurück fliegen und in Stockholm-Arlanda aus unserer Inlandsflug-Riesenröhre steigen: Im Pub im Abflugbereich zahlt man für zwei irische Kilkenny-Biere mehr als 15,- Euro - der Begriff der "Euro-Extratour" erscheint gerechtfertigt!

Trost zur Rückkehr: Spätburgunder aus der Pfalz ...Doch zum Ausgleich wird man auch verwöhnt, nach den Tagen in der Wildnis: Die heißwassergespülten Pissoirs auf dem Stockholmer Flughafen am Gate 3A/B sind ein Erlebnis. Der Duft von frisch gebackenem Kuchen durchzieht dazu das Herrenklo: Ein wirklich empfehlenswertes Besucherziel!

Auch im Flieger nach München ist alles ok: Der Spätburgunder aus der Pfalz, den wir uns in der Lufthansa-Maschine schmecken lassen, ist vorzüglich - er wird auf der Stelle in unsere Sammlung aufgenommen.

Alles wäre also ganz problemlos gewesen, wenn nicht, ja wenn wir nicht bereits in Umeå doch etwas vergessen hätten: Die Schweizer Messer, nach den Tagen in Lappland natürlich wie verwachsen mit dem Explorer Team! Die Messer, anschließend aufwendig separat durchgecheckt, schaffen es diesmal ganz ohne unsere Hilfe allein bis München.

Eine Angestellte bringt sie dort bis zu einer Sicherheitstür - ganz klar, schließlich könnte man ja sonst wieder damit reinlaufen, in den Hochsicherheitstrakt, und Flugzeuge entführen, sympathische Mitreisende gefährden und auch sonst jede Menge Unsinn damit veranstalten, auf den ein normaler Mensch nie kommen würde.

Während wir noch über die Gefährlichkeit unserer Plastikzahnstocher und der tollen Nadel in unseren Schweizer Messern nachdenken, fragen wir uns ganz plötzlich, was hätte passieren können, wenn die Messer ganz vorschriftsmäßig in unserem aufgegebenen Gepäck gewesen wären? Und wir sie dann direkt am Gepäckband wieder ausgepackt hätten? Doch ja, wir brauchten dann nicht einmal mehr reinlaufen, denn wir wären mitten drin, im Hochsicherheitstrakt, wir könnten Flugzeuge entführen, sympathische Mitreisende gefährden und auch sonst jede Menge Unsinn damit veranstalten, auf den ein normaler Mensch nie kommen würde - irgend wie muss man da was übersehen haben: Eine gefährliche Sicherheitslücke ..?

Ach ja, und noch was: Als wir nach dem Verlassen des Münchner Flughafen-Parkplatzes (Aber nein, München hat ja gar keinen Flughafen mehr, aber Hallbergmoos dafür einen sehr schönen!) die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h in Richtung Fischerhäuser mit 90 km/h deutlich zu wenig überschreiten, werden wir von einem anderen Fahrzeug auf der Landstraße mit weit über 130 km/h überholt: Wir sind wieder zuhause, aber zum Glück sind wir ja diesmal kaum entwöhnt ...


© 2003 J. de Haas