Ia, Ia, Ia - Diekirch!
Wer nicht nur die Stadt Luxemburg kennenlernen, sondern auch mehr vom Land sehen will, der ist gut beraten, die Bahn zu nehmen.
Ein Tagesticket für das gesamte Bahn- und Busnetz einschließlich des öffentlichen Verkehrs in den Orten (!) kostet pro Peron lediglich 4 Euro. An der Information im hübschen Bahnhof erhält man die Karten einschließlich einer detaillierten Einweisung, wie man sie im Gerät entwertet, welche Menüs erscheinen und wie man das Ganze bedient. Soviel freundlicher Service kann Besucher aus München - wie uns - nur überwältigen, haben wir es doch schließlich häufig mit den überwiegend stießeligen MVV-Bediensteten dieser Stadt zu tun ...
Der Zug ist modern, recht neu und sehr sauber: Nach knapp 30 Minuten Fahrt Richtung Norden erreichen wir Diekirch, die Stadt der Esel und des Bieres. Wer aber glaubt, das eine hängt mit dem anderen zwingend zusammen, der irrt: Es ist nicht übermäßiger Bierkonsum, der Diekirch zur Stadt der Esel gemacht hat.
Man vermutet vielmehr, dass die Bauern einst Esel als Zugtiere eingesetzt haben, um die Hügel und Weinberge in der Umgebung zu bewirtschaften.
Der Esel wurde zum Maskottchen der Stadt und sogar beim jährlichen Reiterzug - der Kavalkade - steht der Esel im Mittelpunkt und nicht das Pferd. Überall in der Stadt begegnet man den Tierskulpturen: Am beweglichen Brunnen, als Malerei auf dem Pflaster, als Skulpturen am Straßenrand und natürlich auf allerlei Andenken.
Sogar auf der alten Laurentiuskirche in Diekirch durfte der Esel den Wetterhahn ersetzen, was im Jahr 2013 zu heftigen politischen Auseinandersetzungen führte. Die damalige Kulturministerin wollte den Esel wieder ersetzen lassen, das Amt für Denkmalschutz fühlte sich übergangen, der Stadtrat wurde als Gesetzesbrecher betrachtet - eine riesige Eselei! Nun haben sich die Bürger durchgesetzt, die Ministerin für Kultur hat gewechselt und andere Prioritäten, der Esel darf bleiben.
Unser Weg führt vorbei an der "neuen" Laurentiuskirche, die im 19. Jhdt. erbaut wurde. Ein Turm ist eingerüstet und auf dem Gehweg liegt eine geschmiedete Kirchturmspitze mit goldener Kugel, Kreuz und Wetterhahn. Zwei Kräne stehen bereit: Offensichtlich soll die Kirchturmspitze jetzt montiert werden, was wir uns natürlich nicht entgehen lassen können. Wir erfahren, dass die alte Kirchturmspitze im Sommer 2014 vom Blitz getroffen wurde und abmontiert werden musste. Die Montage ist offensichtlich kein alltäglicher Auftrag, denn die Monteure lassen sich mit dem beeindruckend großen Gebilde ablichten, wohl als Werbemaßnahme für die ausführende Firma und als private Erinnerung.
In Gurte gewickelt wird die Spitze angehoben und vorsichtig hochgehievt: Es geht leichter Wind, die Spitze dreht sich, aber die Monteure sind zuversichtlich, das Gebilde auf den Turm zu bekommen. Immer wieder wird die Spitze justiert, Millimeterarbeit ist erforderlich, um das Schmiedeeisenteil in die Haltevorrichtung einzupassen. In ca. einer Stunde sind die wesentlichen Arbeiten geschafft.
Es geht endlich weiter, die Gedenktafel für die Opfer des Zweiten Weltkriegs an der Kirchenmauer erinnert uns daran, weshalb wir nach Diekirch gekommen sind: Der Besuch des Musée National d'Histoire Militaire wartet. Während des Zweiten Weltkriegs war Diekirch Teil der Ardennenschlacht. Mit viel Liebe zum Detail hat man hier unzählige Relikte deutscher und alliierter Soldaten zusammengetragen und in 1:1-Dioramen ausgestellt. So bekommt man unter anderem einen Eindruck vom Thanksgiving Day der amerikanischen Soldaten, Bewohnern auf der Flucht, dem kombinierten deutschen Funkerstand mit Küche in einem Stall und dem damaligen Winter in den Ardennen überhaupt. Zahlreiche Infotafeln bieten den nötigen Überblick.
Von löslichem Kaffee über Kochgeschirr, Lazarettausrüstung, Fahrzeuge, Waffen bis hin zur Enigma kann man hier viel bestaunen. Allein die unzählige Sammlung von unterschiedlichsten Granaten lässt ahnen, womit sich die Industrie während des Dritten Reichs hauptsächlich beschäftigt hat, wobei die Normung von Geschossen offensichtlich kein Ziel war, das man seinerzeit bei der Entwicklung und Produktion von Bomben und Granaten verfolgte ...
In einer Sonderausstellung wird des Koreakrieges gedacht, da ca. 100 Luxemburger als Freiwillige dort dienten. Das Museum ist so interessant, dass wir in unserer Rubrik Hinterlassenschaften - Auf den Spuren von WWII einen eigenen Bericht gewidmet haben: Luxemburg - Schlacht in den Ardennen 1944 ...
Viele Stunden kann man hier zubringen, ziemlich durstig verlassen wir schließlich das Museum Richtung Fußgängerzone, um uns einem weiteren wichtigen Thema von Diekirch zu widmen: Dem Bier. Seit Jahrhunderten wird hier Bier gebraut, mehrere kleinere Brauereien versorgten die Region mit Gerstensaft. Im Jahr 1871 entstand durch Übernahme der Brauerei Drüssel die Brauerei Diekirch, die sich mittlerweile zu einem der bedeutendsten Arbeitgeber für die Stadt und die Region entwickelt hat. Wie bei vielen anderen Brauereien auch klopfte im Jahr 2005 Anheuser-Busch an und gliederte die Brauerei in seinen Konzern ein.
Anheuser-Busch plante ursprünglich, die Brauerei in Diekirch zu schließen und die Produktion nach Belgien zu verlagern. Massiver Wiederstand in der Bevölkerung und der Politik führten letztendlich zu einem Kompromiss mit Erhalt der Brauerei. Leider sind wir mittlerweile zu erschöpft, um das Biermuseum hier im Ort zu besichtigen - vielleicht beim nächsten Besuch ..?
Auf den Wegen durch die Stadt fallen nicht nur die Esel auf, nein, hier wird auch das sogenannte Guerilla Knitting betrieben, eine Art von Strickgraffiti, bei denen Objekte im öffentlichen Raum durch Strickarbeiten verziert werden. Die Motivation reicht von Kunst bis zu Protest. Was die Beweggründe der Strickkünstler in Diekirch waren, können wir bei unserem Besuch nicht erfahren.
Zurück in der Stadt Luxemburg kann man dem Bierthema nur treu bleiben, deshalb ist das Ziel des Abends: The Big Beer Company, inmitten des Vergnügungsviertels Clausen gelegen. Was sich zunächst nur als uriger Brauereigasthof präsentiert, entpuppt sich schnell als Luxemburger Interpretation eines Dauer-Oktoberfestes: Die Brauerei Mousel, seit mehr als 500 Jahren im Biergeschäft, betreibt dieses kuriose Etablissement.
Eine alte Brauereihalle hat man in ein riesiges Bierlokal verwandelt, alte Maschinen und Messgeräte verbreiten ein uriges Flair. Warum man aber ausgerechnet so bayrisch daherkommen muss, ist rätselhaft: die Kellner in karierten Hemden, die Speisekarte in Lederhosenform und einem Crossover Speisenangebot zwischen Luxemburger Schlachtplatte und bayrischer Schweinshaxe. Auf den Sets erfährt der Gast, dass hier alles an das legendäre Münchner Oktoberfest erinnern soll, das Ambiente, das Bier und die Speisen ...
Im Gegensatz zu allen anderen Lokalitäten, die wir besuchen, wird hier kaum Deutsch gesprochen (geschweige denn gar Bayrisch), nur in Französisch klappt die Kommunikation einigermaßen.
Aber den Gästen gefällt es offensichtlich, sie verzehren mit Vergnügen die teilweise riesigen Portionen und wir staunen nicht schlecht, als sich am Nachbartisch ein Gast die Champignonrahmsauce über die knusprige Schweinshaxe kippt - wohl bekomm's!
Das Bier war gut (es gab sogar naturtrübes Zwickel), ebenso die Steaks mit Bratkartoffeln. Für Touristen aus München insgesamt sicherlich ein Ort zum Staunen ... ... aber vielleicht auch gerade deshalb die perfekte Vorbereitung für den morgigen Besuch bei den Halbaffen im Zoo!
© 2015 Sixta Zerlauth