Korsika im Herbst ...

Begegnungen mit der Insel der Schönheit 


Île de Beauté ...

Gehört hatte ich von der Insel schon vor langer Zeit; eine Klassenkameradin erwähnte sie als Urlaubsziel der Familie. Das mag im Sommer 1969 gewesen sein. Ich meine mich jedenfalls an ausschmückende Beschreibungen des Eilandes erinnern zu können, auch der Begriff Île de Beauté wurde erwähnt; muss wohl in einer Französischstunde passiert sein ...

Französisch als Sprache erlernen zu dürfen, gehörte damals nicht zu den Dingen, die mein Interesse erwecken konnten, von daher machte ich alsbald mit dem Maschinenbau Bekanntschaft; die damals vortragende Eva Maria verblasste in meiner Erinnerung und somit auch die Insel ...

Nur 10 Jahre später, während einer Motorradtour in einem September nach Elba, erblickte ich zum ersten mal die Insel der Schönheit: Allerdings nur aus weiter Ferne, nach einer zünftigen Gondelfahrt den Monte Capanne hinauf, lag sie eingebettet in den für das Mittelmeer so typischen Grauabstufungen im Nachmittagslicht vor mir. Da wollte ich hin!

Bonifacio vor Jahren ... Erinnerungen an die Insel der Schönheit ...

Schon im darauf folgenden Jahr war es dann endlich soweit: eine Umrundung der Insel mit dem Motorrad wurde kurzfristig beschlossen und in die Tat umgesetzt. Jedoch war damals weder der freie Grenzverkehr schon erfunden, noch gab es einen Gotthardtunnel für den Individualreisenden ...

Mühsam war also der Weg durch die ach so schöne Schweiz. In Göschenen war damals noch Bahnverladung durch den Gotthard angesagt: Vier Grenzübergänge gab es zu bewältigen, mit allen Unwägbarkeiten!

Drei, mit der eigenen vier, unterschiedliche Währungen galt es vorrätig zu halten oder zumindest deren Beschaffung sicher zu stellen ...

Da wollte ich hin ..! Eingebettet in den typischen Grauabstufungen im Nachmittagslicht ...

Geblieben ist, damals wie heute, die doch recht lange Anfahrt aus dem Norden. Wohl dem, der einen geruhsamen Anlaufpunkt für die Zwischenübernachtung hat! Stuttgart war es damals, zwischenzeitlich Örtlichkeiten entlang der A5 zwischen Karlsruhe und Freiburg, in der Jetztzeit eine Wiese, deren Koordinaten nicht preisgegeben werden sollen ...

Anreise

Diese sollte lange im Voraus geplant werden: Sowohl Fährenkalender wollen berücksichtigt werden wie auch Ferien- und Feiertagstermine unserer Nachbarn.

Wenn es sehr schnell gehen muss, sollten 20 Stunden für die Distanz Norddeutschland / Fährhafen in Norditalien schon fast als ausreichend bemessen angesehen werden können (Also wenn das Navi eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 75 km/h anzeigt, aber dauernd über 100 km/h eingehalten werden kann, sollten dann bis zu 1.500 km Gesamtstrecke zusammenkommen können. 

Darin enthalten sind dann kurze Tankstopps mit ebensolchen Pausen, jedoch keine Staus. Empfehlenswert ist natürlich eine Zwischenübernachtung entlang der geplanten Route.

Geblieben ist, die lange Anfahrt aus dem Norden ...Fähre

1. Buchen oder lieber doch nicht?

a) ungebucht, aber dafür rechtzeitig den Hafen mitsamt Schiff erreicht: Herzlichen Glückwunsch! Jetzt gilt es nur noch eben schnell das Ticket zu ergattern. Benötigt wird dafür das Gedächtnis, denn man will ja auch wieder zurück, die Maße des Fahrzeugs, die Anzahl der Personen und deren Namen, Bargeld oder Credit Card (wenn sie denn funzt) und natürlich manchmal etwas Geduld!

b) gebucht und rechtzeitig angekommen: Cool! Nur noch den Anweisungen des Personals folgen zu müssen, kann auch entspannend sein ...

c) gebucht und verpasst: völlig uncool! Viel Spaß noch mit dem Ticket!

2. Tag- oder Nachtfähre?

Nichts ist langweiliger als endloser Meereshorizont in gleißendem Sonnenlicht! Ganz klar: Nachtfähre! Es gibt natürlich auch Zeitgenossen, die nicht in stockfinsterer Nacht ersaufen mögen: Tagfähre!

Wie herum um Korsika ..?Der eindeutige Unterschied liegt in der Ankunftszeit: Die Nachtfähren erreichen Bastia pünktlich um 7:00 Uhr am Morgen. Die Behauptung, der Flecken schliefe dann noch, mag als etwas zu kühn formuliert erscheinen, jedoch verglichen mit dem Empfang der Nachzügler im zumeist angehobenen Niveau der Tagestemperaturen und dem automobilen Temperament der Inselbewohner, möge mir dieser Hinweis gestattet sein ...

Die Insel

Langgestreckt, Nord-Süd ausgerichtet (böse Zungen behaupten, im Süden sei es noch sonnig, wenn der Norden im Regen unterginge), will erkundet werden:

1. Halb herum gegen den Urzeigersinn:
Dann geht es von Bastia aus Richtung Ils Rousse, Calvi, Porto, Ajacchio, Sartêne, Bonifacio: Ca. zwei Tagesetappen benötigt diese Schneckenhatz entlang einer sich ununterbrochen windenden Straße - atemberaubend, aber anstrengend für Mensch, Gemüt und Material.

2. Desgleichen clockwise:
die Strecke Bastia - Bonifacio ist in 3 bis 4 Stunden machbar, je nachdem wie viele Korsen schon agil sind ...

3. Egal welcher Küstenlinie gefolgt wird, einfach mal abbiegen ins Gebirge, der Straße folgend erreicht man irgendwann die ehemalige Hauptstadt Corte. Falls es die knapp bemessene Zeit zulassen kann, sollte unbedingt eine Wanderung mit eingeplant werden: Fast immer mit Meeresblick, deutlich oberhalb desselben, in angenehm kühler Luft, kann dann schon leicht der eigentlich geplante Badeurlaub in Vergessenheit geraten.

4. Man kennt schon das Ziel, das es schnellstmöglich zu erreichen gilt, um von dort aus Tagestouren zu unternehmen.

Persönlich bevorzuge ich seit Jahren die 4. Variante: Reisezeit ist der Herbst, Anfahrt am Wochenende mit Zwischenstopp im Süden, Nachtfähre ab Savona und Fixpunkt im Süden der Insel. Die Rückreise erfolgt dann wiederum mit einer Nachtfähre, wobei sich der Donnerstag dafür als sehr geeignet herausgestellt hat. Die Ankunft in Savona um 7:00 Uhr am nächsten Morgen lässt genügend Zeit für den Rückweg, einschließlich der obligatorischen Plünderung des Bennet Supermarktes in Como ...

Man kennt schon das Ziel ...

Allgemeine Infos zur Insel bei Wikipedia!


© 2010 Kurt Ohlendorf, Panoramabild oben: Volker Fütterer


Anm. der Red.: Weitere Berichte unseres Autors Kurt Ohlendorf: Er ist nicht nur ein begnadeter Autobastler, wie uns seine Berichte vom Rapsölabenteuer bis zur Verwandlung eines Sankey-Anhängers gezeigt haben, sondern er reist auch gern, wovon wir uns bei seinem Reisebericht ans Ende der Welt bei Neuseeland 2004 überzeugen konnten!


Nachtrag der Red., Juni ´13: Insel der Schönheit oder des Blutes ..?

Bei der Reise Frankreich 2010 machten wir auch einen Abstecher nach Korsika: Dass es sich hier bei der viel besungenen "Insel der Schönheit" um eine ganz spezielle Insel handelt, machten nicht nur "Kamikaze-Autofahrer" an der Westküste deutlich, die sich auch vor Kurven noch in mehreren Reihen parallel überholten.

Seit 10 Jahren verschlechtert sich die Atmosphäre ...Auch die vielerorts zerschossenen Verkehrs- und sonstigen Schilder zeigten, dass es hier nicht nur die Idylle gibt, die für den Touristen zumeist spürbar wird. Stichworte wie Nationale Befreiungsfront Korsikas (FLNC), Mafia, kriminellste Region Europas und anderes bekommt man zu hören und zu lesen, wenn man sich einmal nicht nur mit der touristischen Postkarten-Idylle befasst.

So konnte man nun auch in der Süddeutschen Zeitung v. 13.06.2013 einen SEITE DREI Artikel zu diesem Thema lesen: "In Schönheit sterben" trug er als Titel und beschäftigte sich in Form einer Recherche mit der beliebten Urlaubsinsel, auf der Clans und Banden die Mordrate hochtreiben: "Doch von Frieden kann keine Rede sein. Die Insel der Schönheit, wie Korsika sich nennt, ertrinkt im Blut. Auch wenn die Urlauber nichts mitbekommen und unbehelligt bleiben: Nirgendwo in der Europäischen Union wird, auf die Bevölkerung hochgerechnet, so viel gemordet wie hier. Seit Januar wurden auf der Insel mit ihren 310 000 Einwohnern elf Menschen umgebracht. In den vorangegangenen neun Jahren kam es zu 400 Morden und Mordversuchen."

Eine auf der Insel ansässige Unternehmerfamilie, deren Fuhrpark gerade erst von der örtlichen Schutzgeld-Mafia in Brand gesteckt worden war, kommt ebenfalls zu Wort: "´Seit 10 Jahren verschlechtert sich die Atmosphäre. Früher ließen wir die Türen offen. Heute haben wir eine Alarmanlage.´ Es gebe immer mehr Einbrüche. Drogen überschwemmten die kleinsten Dörfer. Die Jugendlichen gingen nicht mehr auf die Wildschweinjagd, sondern ballerten lieber auf Ortsschilder. ´Die Jungen im Inselinnern haben nichts. Keine Kultur, keine Sportvereine, keine Aussicht auf einen Job. Die Straßen sind schlecht. Wenn der Staat einen so vernachlässigt, was soll dann aus den Leuten werden?´"

Vielleicht sind diese Aspekte der Insel nicht gerade das, was der Urlauber zur Kenntnis nehmen will, aber wir meinen, es sollte ihm zumindest bekannt sein ...