"Ganz besondere" Keramik ...
Doch es gibt noch eine weitere Besonderheit an diesem Ort: Es befindet sich hier ein großes Tonvorkommen. Damit stellen die Portugiesen eine weltweit bekannte Keramik her, für die die Stadt im Jahre 2019 die UNESCO-Auszeichnung "City of Crafts & Folk Art" erhielt.
Die Bezeichnung "Keramik" stammt vom altgriechischen "Keramos" ab, dem griechischen Wort für Ton. Keramik ist der Überbegriff für alles, was man so mit Ton in einem passenden Ofen backen kann. Die Unterarten, wie etwa Steingut oder Porzellan, unterscheiden sich durch die verschiedene Zusammensetzung der Stoffe.
Bei Keramik kommt man in Portugal an einem Mann nicht vorbei: Rafael Bordalo Pinheiro. Er lebte von 1846 bis 1905 und war ein Multitalent in Sachen Publikationen, ob als Texter oder als humorvoller Zeichner. Sarkasmus und Ironie brachte er zu Papier oder realisierte er als Keramiker. Dafür gründete er etwa um 1885 seine Keramikfabrik im bis dahin braven Caldas da Rainha. Karikatur blieb dort durch seine Keramik dauerhaft bestehen. Er war ein rastloser Mensch und hatte immer wieder neue Ideen, gemeinsam mit seinem Bruder Columbano Bordalo Pinheiro.
Seine wohl bekannteste Kreation ist Zé Povinho, eine Figur, die zum Symbol der Portugiesen wurde. Weitere Keramikfirmen siedelten sich später an. Auf Keramik aus Caldas da Rainha stößt man heute überall, selbst bei Straßenschildern ...
Keramik vom Feinsten findet sich natürlich auch in den Geschäften der Stadt. Lustiges, Nützliches oder einfach nur etwas Schönes zum Ausstellen. Die Auswahl ist riesig, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Alles ist sehr fein gearbeitet. Selbst die Gesichtszüge der Figuren geben den Gedanken wieder, der den Künstler dazu animierte - tatsächlich Karikatur von ihrer besten Seite. Rafael Bordalo Pinheiro´s Idee, Ironie und Karikatur durch Keramik für lange Zeit haltbar zu machen, hat die Stadt Caldas da Rainha weltweit bekannt gemacht.
Die zusätzlich angesiedelten Keramikfabriken sind für die enorme Auswahl an Artikeln für alle Lebensbereiche verantwortlich. Ein großer Ideenreichtum schafft immer wieder neue Kunstwerke. Doch die Keramik aus Caldas da Rainha ist damit noch nicht am Ende: Da gibt es noch mehr zu entdecken...
Etwas nördlich der Stadt Caldas da Rainha befindet sich ein kleines Dorf mit dem Namen Cháo da Parada. Es hat nur 761 Einwohner und ist ebenfalls Teil von Caldas da Rainha. Zwei dieser Einwohner haben einen großen Anteil an der weltbekannten Keramik des Ortes.
Unser Bild zeigt Francisco Silva und seine Frau in ihrem Atelier mit erotischer Keramik. Er ist einer der letzten Künstler, der die traditionelle erotische Keramik in der Mitte Portugals in Caldas da Rainha geschaffen hat. Der Phallus aus Keramik ist eine Kreation von Francisco Silva, auch die Bemalung der Penisse wurde in seiner Werkstatt gemacht. Inzwischen hat er seine kleine Kunstwerkstatt schließen müssen: Es fand sich kein Nachfolger für seine Arbeit ...
Nun, sehen wir uns das doch einmal aus der Nähe an: Ein Bild mag für das ungeübte Auge vielleicht einen Billardtisch darstellen, gesehen von oben. Immerhin, der Queue und zwei Kugeln sind zu erkennen. Die beiden Flügel lassen dazu aber Zweifel aufkommen ...
Es stellt aber auch nicht den Flug des Phönix dar, etwas, dass man irrtümlicherweise durch die Flügel annehmen könnte. Ich habe es dann auf "Die Notlandung eines Phallus auf dem Billardtisch" getauft. Ein weiteres Bild zeigt eine komplette Erotikabteilung in seiner Auslage. Es ist gut, dass die humorvolle Erotik hier weiter ein Erfolg ist. Die will ich mir gleich einmal aus der Nähe ansehen! Doch erst noch zu einem weiteren portugiesischem Künstler der erotischen Keramik: Joáo Pereira.
Dazu muss ich in die Zeit von 1861 – 1889, der Zeit des portugiesischen Königs D. Luis I.. In dieser Zeit gab es bereits eine Keramikindustrie hier in Caldas da Rainha. Die Entstehung der ersten Penisse und alles, was noch kam, hat dieser König mit verursacht. Eines Tages besuchte er einen gewissen Manuel Cipriano Gomes in Caldas da Rainha, der eine Keramikfabrik betrieb. Der König kam mit der Bitte zu ihm, er möchte sich doch etwas Lustiges für die Freunde des Königs einfallen lassen. Manuel informierte umgehend den Keramikkünstler in seiner Fabrik, Joáo Pereira.
Dieser machte sich sofort ans Werk: Der Wunsch des Königs durfte nicht warten. So entstand Phallus um Phallus und Joáo bekam dadurch den Spitznamen "Der Abdecker", "O Bandalho". Das hatte auch einen Grund: Immer wenn Damen des Hofes die Fabrik besuchten, riefen die Leute in der Fabrik zu ihm: "Schnell, du musst die Tische mit den Penissen abdecken!". Dazu hatte er ein großes Tuch immer griffbereit, das Bandalho ...
Natürlich sollte man auf jeden Fall auch in so einen Laden heineingehen: Wenn auch nur, um sich einmal die weltbekannte Keramik aus der Nähe anzusehen. Die Bemalung der Stücke ist durchaus bemerkenswert. Ich selbst bin erstaunt, was sich die Portugiesen mit ihrer traditionellen erotischen Keramik alles haben einfallen lassen. Dem Humor sind keine Grenzen gesetzt. Die Vielfalt der Erotik hier ist eine Entdeckung aus nächster Nähe wert. Nur keine falsche Scheu. Zugreifen, ansehen und entdecken ..!
Für jeden ist etwas dabei: Wir sehen auf den Bildern Tassen, jeweils für die Damen und für die Herren. Deren Gestaltung hat mir etwas Bewunderung entlockt: Beide Trinkgefäße sind so durchdacht, dass man auch wirklich nur aus der dafür vorgesehenen Öffnung trinken kann. Einige nette und humorvolle Hinweise darauf runden die kleinen Kunstwerke ab. Eigentlich genau die richtigen Dinge, etwa für eine Junggesellenabschiedsfeier oder für eine Party bei Erreichen der Volljährigkeit ...
Mein Ausflug in die weltbekannte portugiesische traditionelle Keramik in der schönen Stadt Caldas da Rainha geht dem Ende entgegen. Eigentlich fehlt jetzt nur noch eines: Etwas Entspannung. Vielleicht bei einem Schachspiel portugiesischer Art und dazu einen guten portugiesischen Rotwein ..!?
© 2024 Jürgen Sattler
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