Portugal   Portugal 2024

Von Weiden, Schlamm und Keramik ...


Das Fest der Suppen habe ich noch in guter Erinnerung, als mich jemand fragt, ob ich mir einmal das Handwerk eines Stuhlflechters ansehen will. Wie immer neugierig, sage ich natürlich zu. Ich habe auch gerade nichts anderes zu tun. Meinem Womo LERRY geht es eigentlich gut, allerdings macht der lange Aufenthalt an der Atlantikküste zunehmend Probleme: Das gute Stück rostet! Ich werde mir das rollende Zuhause wohl einmal von unten vornehmen müssen ...

So mache ich mich mit LERRY am 16. März 2024 auf den Weg nach Mata: Ein sehr kleiner Ort mit etwa 450 Einwohnern nordöstlich von Castelo Branco. Das ist etwa 190 km von "meinem" Fischerort Praia da Vieira entfernt. Die Landstraße IC8 bringt mich von der Küste bis fast zum Ziel.

Hier erwarten mich Manuel und seine junge Frau Vera: Beide sind sofort sehr gastfreundlich und zeigen mir ihr Landgut. Hier pflanzen sie wirklich alles an, was man für ein gesundes mediterranes Essen braucht. Auf ihrem Gelände gibt es keine Chemie, dafür aber zwei große Hunde. Sie sind die Bewacher der ganzen Leckereien, denn es gibt hier viele Wildschweine. Auf den Bildern erkennt man die Hanglandschaft der beiden, ich stehe dort gleich inmitten eines Olivenhains ...

In Mata Mitten im Olivenhain Unterwegs mit Manuel und Vera
Genug Material vorhanden Das Flechten kann beginnen Stuhl fertig!

Anschließend zeigt mir Manuel seine Werkstatt unten in dem Haus, in dem sie leben: Ein größerer Teil des Wohnraums ist zur Werkstatt umgestaltet. Hier liegt auch genügend Material für ihn, um arbeiten zu können. Schon nimmt er einen Stuhl in die Hand, der eine neue Sitzfläche benötigt: Er hatte den vor sehr langer Zeit einmal selbst geflochten. Nun ist die Sitzfläche einigen Katzen zum Opfer gefallen. Während wir uns unterhalten, beginnt Manuel mit seinem Vorhaben: Er sitzt dabei im Schneidersitz und erzählt von seiner Arbeit. Er erklärt, dass er inzwischen ein sehr seltener Handwerker geworden ist: Wie in vielen anderen Ländern auch, finden sich keine jungen Leute mehr, die ein solches Handwerk lernen wollen. So muss dann alles aus einer Fabrik kommen. Dass die Qualität dabei nahezu wegfällt, wird in Kauf genommen ...

An diesem Nachmittag fertigt Manuel die gesamte Sitzfläche des Stuhles neu. Dabei verwendet er natürlich verschiedene Halmstärken der Weide, einer weit verbreiteten Pflanzengattung. Es gibt hunderte Arten. Während wir uns also unterhalten, bleibt Manuel im Schneidersitz, erzählt dabei und arbeitet. Am frühen Abend ist der Stuhl komplett fertig. Der Siebzigjährige steht nun erstmals auf: Ich hätte nach so langer Zeit im Schneidersitz sicherlich erhebliche Probleme dabei gehabt ...

Diesmal unterwegs in Portugal 2024 Balken im Sand als letzte Zeugen ...

Zurück in Praia da Vieira bekomme ich dann zu spüren, wie sich das Meer immer näher an den Ort heran arbeitet: Eigentlich haben wir schönes Wetter und nur eine normale Flut, doch der auflandige Wind kommt von See und drückt das Atlantikwasser weiter den Strand hinauf. Es erreicht schließlich den Uferschutz und der Strand verschwindet. Die Balken im Sand sind letzte Zeugen eines Bauwerks, das mittlerweile vom Meer wieder abgebaut wurde. Früher gab es hier noch sehr viel größere Bauten am Strand, die jedoch mit der Zeit alle der Atlantik geholt hat. Doch das wird eine andere Geschichte ...

Bevor ich nun wieder auf Tour gehe, darf ich den LERRY nicht vergessen: Die lange Zeit an der Atlantikküste ging nicht spurlos an ihm vorbei, die Luft ist immer salzhaltig. In Marinha Grande finde ich eine Werkstatt, die sich zuverlässig um alle angerosteten Bremsen des Fahrzeugs kümmert.

Werkstatt in Marinha Grande Verlassenes Gebäude eines Thermalbads

In dieser Zeit, es ist inzwischen Mitte April 2024, erhalte ich von einer niederländischen Freundin aus dem Dorf Alveite Grande einen Hinweis auf portugiesische Keramik. Offenbar eine ganz besondere Keramik, denn dabei kann sie sich das Lachen nicht verkneifen. Hier vor Ort erfahre ich mehr, und: Da muss ich hin! Schnell wird mir klar, dass ich für den Beginn dieses Abenteuer mit meinen Gedanken zurück in die Vergangenheit muss, und zwar in das Jahr 1484. An eine Stelle mit schlammigem Wasser!

Schlamm und Heilung ...

Am 15. Mai 2024 breche ich mit LERRY auf, um herauszufinden, was es mit dem schlammigen Wasser auf sich hat. Vielleicht fällt sogar ein Schlammbad für mich ab!?

Doch das schlammige Wasser ist längst nicht mehr zu finden, immerhin sind bereits 540 Jahre vergangen. An der gesuchten Stelle finde ich nur die verlassenen Gebäude eines ehemaligen Thermalbads inmitten der Stadt Caldas da Rainha. Im Volksmund einfach nur Caldas genannt.

Seit 1927 ist Caldas da Rainha eine Stadt, sie hat 51.000 Einwohner. Nach kurzer Zeit stehe ich vor den verlassenen Gebäuden eines alten Thermalbades. An dieser Stelle müssen die schlammigen Gewässer einmal gewesen sein. Der Zutritt ist gesperrt, also gibt es doch kein Schlammbad für mich. Der Ortsname bedeutet übersetzt: "Thermalbäder der Königin".

Hier müssen die schlammigen Gewässer gewesen sein ... Kein Zutritt!
Wer möchte hier nicht thermalbaden ..? Thermal Hospital in Caldas da Rainha (Bild: GoCaldas Touristic Guide) Spuren der Vergangenheit

Im Jahre 1484 soll Eleonore von Portugal, die Frau von König Johann II., an diesem Ort vorbeigekommen sein. Die Menschen dort badeten damals in dem sumpfigen Wasser und wussten offenbar bereits von der heilenden Wirkung. Daraufhin soll sich die Königin selbst in das heilende Nass begeben haben. Der Erfolg war für sie wohl so beeindruckend, dass sie ein Jahr später eine Badeanstalt und das erste Thermalkrankenhaus bauen ließ, genannt "Nossa Senhora do Pópulo". Mit Gründung dieses Krankenhauses im Jahr 1503 entstand auch der Ort Caldas da Rainha selbst. Dank ihrer lobenswerten Initiative hat sich Eleonore von Portugal wohl unbeabsichtigt ein großartiges Denkmal geschaffen.

Inzwischen wurde natürlich sehr viel neu gebaut. Der alte Park mit dem Namen Dom Carlos I., der einmal Teil des ersten Thermalkrankenhauses war, ist heute Treffpunkt für die Bevölkerung geworden. Eine Art Freizeitpark, für jedermann zugänglich und trotzdem noch ein Bereich, wo man Ruhe finden kann. Ein großer künstlicher See, ein Musikpavillon und breite Alleen sind hier genauso vorhanden wie Möglichkeiten zur Erfrischung.

Auf der Wasserfläche des Sees sind keine badenden Menschen zu sehen. Ein Hinweis, dass das gute heilende Wasser nicht in den See geleitet wird. Man sollte sich da also keine falschen Hoffnungen machen ...


© 2024 Jürgen Sattler