Portwein satt ...
Am Morgen regnet es wieder, das hindert uns aber nicht im Geringsten, zum Miradouro de Casal de Loivos zu fahren, einem Aussichtspunkt hoch oben im Dourotal. Trotz des Wetters ist der Ausblick herrlich. Weiter geht es bergauf, bergab zum berühmten Weingut Niepoort Vinhos mit seiner modernen Architektur, die sich durch die Natursteinmauern, wie sie bei den Terrassen des Dourotals zu finden sind, so gut in die Landschaft eingliedert. Am Ziel werden wir herzlich willkommen geheißen und da der Regen wieder einmal genau im richtigen Moment aufgehört hat, werden wir vom Weinmacher Carlos Raposo durch die Weinberge von Dirk van der Niepoort geführt.
Auch hier wird Wein industriell gefertigt, allen voran die berühmte Marke Fabelhaft. Der Name wurde ursprünglich tatsächlich für den deutschen Markt erdacht, ist aber so erfolgreich, dass er sich weltweit gut verkaufen lässt. Dazu das auffällige Etikett mit den Perforationen, die man auch auf den Visitenkarten des Weinguts wiederfindet. Corporate Identity total und gelungenes Marketing sind hier gegeben. Neben den üblichen Stampfbecken, Stahltanks und Holzfässern sind die Keller beeindruckend: 15 Meter tief in den Felsen getrieben bieten sie das perfekte Klima für die Lagerung der Weine ...
Wir erhalten Einblick in den privaten Weinkeller von Dirk van der Niepoort, der in den Boden eingelassen ist und in dem neben den eigenen Produkten auch allerlei Weine aus der ganzen Welt - auch aus Deutschland - gelagert werden. Hier eingeschlossen zu werden, könnte so mancher Weinliebhaber für einen Glücksfall halten ...
Wir bekommen eine umfangreiche Fassweinprobe, bei der der Wein mit einem Weinheber direkt aus dem Fass in die Gläser eingeschenkt wird. Wir vergleichen junge Weine, gereifte Weine, dazwischen einen Muskat - Niepoort hat ein breites Spektrum. Wer das hier durchstehen will, kann leider nicht alles schlucken - ausspucken ist hier angeraten!
Nach dem informativen und durchaus feuchtfröhlichen Vormittag tischt Niepoort auf: Uns wird ein mehrgängiges Essen kredenzt ("the french way"!), mit traditionellen portugiesischen Gerichten und allerlei Weinen, die wir diesmal aber zum Essen trinken. Rundum köstlich! Eine gute Gelegenheit, mal nach dem Niepoort Garrafeira 1977 zu fragen. Man bestätigt uns, dass mit dem Portwein alles in Ordnung ist. Dieser Portwein ist noch traditionell in Lagares gestampft worden und lag 5 Jahre lang in Holzfässern in den Lagerhallen von Vila Nova de Gaia, um anschließend 28 Jahre in deutschen Glasballons aus Oldenburg aus den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts weiter zu reifen. Dabei wurde die Qualität immer wieder kontrolliert, um den richtigen Zeitpunkt für das Abfüllen in Flaschen zu finden. Im Jahr 2007 wurde der Wein dann schließlich in Flaschen abgefüllt und bis 2011 weiter in Vila Nova de Gaia gelagert. Ein Tropfen mit Geschichte!
Nun müssen wir aber weiter, obwohl es uns hier so gut gefallen hat, die Quinta de Seixo von Sandemann erwartet uns schon. Von weitem erkennt man bereits den typischen Don mit breitkrempigem Hut im Studentenumhang von Porto, die Quinta kann man nicht verfehlen. Sandemann, 1790 von einem schottischen Auswanderer gegründet, ist ein großer Konzern, der neben Sherry in Spanien hier auch Portwein produziert. Wenn wir zurückblicken auf unsere Besuche bei Mónica Figueiredo, Quinta Nova und Niepoort Vinhos, so sind wir hier bei einem echten Massenproduzenten zu Besuch, der nicht nur selbst angebaute Trauben verarbeitet, sondern sich auch bei vielen kleinen Winzern eindeckt.
Die maschinellen Stampfbecken sind riesig und wir stellen fest, dass hier keine Silikonstampfer zum Einsatz kommen, die ja die Füße ersetzen sollen, sondern spezielle Edelstahlplatten. Alles wirkt eher wie eine Fabrik. Erst im Keller mit seinen Felswänden hat man wieder das Gefühl, auf einem Weingut zu sein.
Bei der anschließenden Verkostung bekommen wir den Tipp, Cocktails mit Portwein zu mixen. Sandemann hat da allerlei Rezepte ausgearbeitet. Wir probieren uns durch die verschiedenen Qualitäten, merken aber bereits, dass sich eine eine gewisse Portweinsättigung breit macht und Phantasien von einem frisch gezapften Bier kommen in den Köpfen auf ...
Am Abend werden wir dann wieder von Maria bekocht, unter anderem gibt es geschmortes Zicklein. Gerhild versorgt uns mit Wein, den ihr Mónica Figueiredo mitgegeben hat. Diesmal sitzen wir im Wintergarten und speisen mit herrlichem Blick ins Tal - unser letzter Abend im Dourotal ...
Bevor es zurückgeht nach Porto legen wir einen Zwischenstopp in Regua ein bei der Quinta da Vallado, einer der ältesten Kellereien im Dourotal. Seit 1716 kümmert man sich hier um Wein und seit dem Jahr 2006 betreibt man zusätzlich ein kleines Hotel. Die Architektur der neuen Gebäude ist wie bei Niepoort modern gehalten mit Schiefermauern.
Die Quinta da Vallado gehört wie die Quintas von Niepoort zu den Douroboys, einem Zusammenschluss von ambitionierten Winzern, die moderne Weine produzieren.
Wir werden durch die Quinta da Vallado geführt, vorbei an den Lagares, wo noch Füße stampfen, vornehmlich Füße von Studenten, denn die Jobs hier sind gut bezahlt und heiß begehrt. Weiter geht es zu Stahltanks und Holzfässern in einem modern gestalteten Keller und es endet im Verkostungsraum, wo wir - erholt vom gestrigen Tag - die Weine wieder mit Genuss probieren können. Unvergessen werden Pedros Abschiedsworte in Portugiesisch bleiben, unsere Führerin ist ganz gerührt ...
Nun müssen wir Abschied nehmen vom Dourotal, es geht zurück nach Porto in die Vila Nova de Gaia zu einem Besuch bei Quevedo: In dem großen Verkostungsraum können all jene, die nicht an Weinreisen wie unserer teilnehmen, auf großen Schautafeln alles Wichtige über den Portwein erfahren. Uns werden Portweine zum Verkosten angeboten - ein kurzer Hinweis Gerhilds: Wir wären ja eine Gruppe von Sommeliers - und schon wird uns noch ein besonderer Tropfen serviert. Im direkten Vergleich können wir uns nun durch die verschiedenen Qualitäten eines Herstellers durchprobieren vom Ruby über Tawny zu Vintage und LBV.
Den Abschluss bildet eine Fahrt mit der Seilbahn entlang des Douro: Ein schöner Auftakt für den Abend, den wir im Restaurant Miradouro Portucale verbringen. Das Restaurant ist hoch oben in einem schon recht betagten Hochhaus untergebracht, dessen Fassade mit den typischen Azulejos verziert ist. Von hier oben hat man einen phantastischen Blick auf Porto. Das Restaurant ist berühmt für seine regionale Küche. Der Koch meint es gut mit uns und große Platten mit Essen werden hereingetragen. Doch die Kellner machen die Bemühungen des Kochs teilweise zunichte. Sie häufen ("portugiesische Portion"!) recht lieblos das Essen auf die Teller der Gäste. Da muss man an der Präsentation noch arbeiten! Geschmeckt hat es - und mit den Weinen, die Gerhild ausgesucht hat, war es wie immer eine runde Angelegenheit.
Am nächsten Tag müssen wir abreisen, zum Glück erst am Nachmittag. Wir versuchen morgens unser Gepäck am Flughafen unterzubringen (siehe dazu unsere Euro-Tour!), was aber an der portugiesischen Bürokratie scheitert. Trotzdem haben wir Zeit für einen Spaziergang am Meer mit anschließendem Imbiss bei einem der typischen Straßengrill-Restaurants, wo man den frisch gegrillten Fischen kaum widerstehen kann. Fast brechen wir zu spät auf zum Flughafen - zu schön ist es hier in der Sonne.
In unserem Mercedes-Taxi können die drei Koffer kaum verstaut werden (!), aber wir erreichen rechtzeitig den Flughafen, quälen uns durch die Schlange bei der Fluggastkontrolle und sitzen schon bald im Flieger zurück nach München: Nun, jede noch so schöne Weinreise geht mal zu Ende. Aber diesmal gilt: Nach der Weinreise ist vor der Weinreise (mit Gerhild) - vielleicht das nächste Mal in der Provence!
© 2012 Sixta Zerlauth