Der Douro lockt ...
Kurze Zeit später sind wir der Verkehrshölle von Porto entronnen, denn ein Unfall direkt an einer Polizeistation lässt dem Chaos freien Lauf: Diesem Gewirr können wir (und insbesondere unser schon von allen anderen Touren her bekannter Mitreisender Lothar) durch beherzten Sprung in den Bus und flotter Anfahrt durch Gerhild mit halb geöffneter Tür und halb eingestiegenem Lothar - schon fast James Bond mäßig - entfliehen ...
Die Landschaft versteckt sich im Nebel, was gut passt zum leichten Nebel im Kopf von den Weinen des Mittagsimbisses.
Unser Ziel ist Pinhao, am Ufer des Douro gelegen im Zentrum des Portweinanbaus. Am Ufer des Douro liegen auch die Ausflugsdampfer und bei uns steht am nächsten Tag ein Bootsausflug auf dem Plan. Angesichts des trüben und nassen Wetters vermuten wir, dass die Bootsfahrt wohl überwiegend an der Bordbar stattfinden wird. Gerhild beteiligt sich mit keinem Wort an der Diskussion, sie fährt ungerührt weiter zu unserem Hotel.
Dort werden wir von Frau Böcking in ihrem Hotel Casa do Visconde de Chanceleiros erwartet: Das Hauptgebäude des Hotels ist ein Herrenhaus aus dem 18. Jahrhundert, das die Besitzerin zusammen mit ihrem Mann mit unendlicher Liebe zu Details aus Ruinen wieder aufgebaut hat. Das Hotel ist ein Traum mit herrlichem Blick in das Dourotal. Auf dem Gelände finden sich allerlei Kräuter, ein Gemüsegarten, herrliche Bäume die Oliven, Mandeln und Orangen tragen, die man zum Frühstück frisch gepresst genießen kann. Die Terrassen des Geländes sind mit den typischen Trockenmauern aus den Steinen des Bodens abgestützt. Die Zimmer sind geräumig und wunderhübsch ausgestattet in portugiesischem Countrystyle. Überall stehen Heizkörper, für portugiesische Verhältnisse ist es derzeit sehr kalt - wir schalten die Heizung aus, offenbar hatte man Angst, wir könnten frieren.
Für uns ist es jedoch warm genug, ebenso für eine französische Familie, die trotz Regen, Wind und Temperaturen unter 20°C () munter in Badekostümen durch das Gelände tobt: Sie haben den Hotspot entdeckt, ein Becken mit heißem Wasser, in dem sie sich immer wieder aufwärmen ...
In der Küche beginnen bereits die Vorbereitungen für unser Abendessen. Die Köchin Maria spricht recht gut deutsch und erklärt uns, dass heute der Fischhändler allerlei Köstlichkeiten für uns geliefert hat.
Eigentlich sollten wir zu einer Weinverkostung auf die Quinta do Vale D. Maria (Quinta, so heißen die Weingüter hier) von Christiano van Zeller fahren, doch aufgrund des schlechten Wetters wurde die Weinverkostung in das Hotel verlegt. Da der Chef unterwegs ist in Sachen Weinvermarktung, besucht uns seine Chefwinzerin - eine echte Powerfrau, die uns jeden Wein mit all seinen Details präsentiert. Van Zeller hat 1986 die Quinta Maria übernommen mit dem Ziel, gute einzigartige Weine zu produzieren, die zeigen, dass im Douro mehr möglich ist, als nur die Produktion von Portwein. Er übernahm die für hier typischen Weingärten, in denen alte - 50 jährige - Weinstöcke der Rebsorten Tinta Amarela, Rufete, Tinta Barroca, Tinta Roriz, Touriga Francesa, Touriga Nacional, Sousão und andere standen. Er baute zerfallene Gebäude auf, bestimmte die Rebsorten und sanierte die Weingärten.
Seine Winzerin erzählt uns, wie der Wein produziert wird: Ernten, auspressen durch Stampfen in den steinernen "Lagares", Gärung in Stahltanks, Ausbau in französischen Eichenfässern. Man spürt ihre Leidenschaft für den Wein. Dazu die köstlichen Speisen aus der Küche - ein rundum gelungener Abend!
Am Morgen - das Frühstück ist traumhaft, das Wetter ist eher bescheiden - werden wir von einer weiteren Powerfrau abgeholt: Mónica Figueiredo, die mit uns eine Tour durch die Weinberge unternimmt. Seit Generationen baut ihre Familie hier Wein an, sie besaß sogar riesige Weingüter am Douro, aber leider hat einer der Vorfahren dann den größten Teil der Besitztümer verzockt. Im Jahr 2002 hat Mónica die Weinberge Vinhas da Ciderma übernommen und produziert seit 2004 in S. Leonardo de Galafura Qualitätsweine. Sie gehört zu den kleineren Winzern, vertreibt aber ihre Weine mittlerweile in vielen Ländern Europas ...
Im Mercedes Geländewagen brettern wir die kurvigen engen Bergstraßen des Dourotals hinauf. Auf unsere Frage bezüglich der Unfallquote versucht uns Mónica zu beruhigen. Sie fahre hier schon seit mehr als 20 Jahren unfallfrei und würde nur langsam um die Kurven fahren, wenn sie schwanger wäre - nun es ist offensichtlich: Mónica ist mit Sicherheit nicht schwanger ...
Hoch oben in ihren Weinbergen hat die Arbeit begonnen. Die Weinreben werden festgebunden. Auf unserer Fahrt in die Berge kann man schön beobachten, wie die Entwicklung der Weinreben mit zunehmender Höhe geringer wird. Haben sie im Tal schon Blätter gebildet, kann man hier oben gerade die Austriebstellen erkennen. Mónica zeigt uns, wie man bereits an den Blättern die Rebsorten unterscheiden kann.
Wir besichtigen ein verfallenes Winzerhaus mit steinernen Lagares, das Monica als Gästehaus wieder aufbauen will. Nun, man braucht noch eine Menge Fantasie, um sich das fertige Häuschen vorzustellen ...
Nach der tollen Fahrt - teilweise offroad durch die Weinberge, vorbei an herrlichen blühenden Zistrosen - kommen wir in S. Leonardo de Galafura an. Hier zeigt uns Monica ihre Lagares und erzählt, wie schwierig es ist, während der Stampfphase den Wein bei der Gärung zu bremsen - denn zur Erntezeit hat es hier schon mal 45°C, weshalb die großen Weingüter Behälter für die Kühlung haben. Da solche Behälter ihr Budget überschritten hätten, hat sie sich kurzerhand einen Kühler aus der Molkerei zugelegt, in dem sie den Most ebenfalls kühlen kann. Man muss sich nur zu helfen wissen ...
Den großartigen Abschluss auf ihrer Quinta bildet ein Imbiss mit typischen regionalen Spezialitäten, dazu ihre Weine - allen voran der Donzel. Dann wird es aber auch Zeit, wieder hinunter zu fahren zu unserem Boot: Das Wetter hat ein Einsehen, es hört auf zu regnen ...
Und das ist auch gut so, denn nun wissen wir, was Gerhild schon wusste - von wegen Ausflugsdampfer mit Bordbar - auf uns wartet ein traditionelles Douroboot, exklusiv für uns. Sogar die Sonne lässt sich blicken und so wird die Flussfahrt zu einem wahren Vergnügen, bevor es wieder weiter geht zur nächsten Verkostung auf der Quinta Nova, in der seit 1764 gekeltert wird.
Ein wahres Kontrastprogramm zu Mónica erwartet uns, denn hier handelt es sich um einen großen Weinproduzenten. Kein Wunder, dass hier die Reben nicht mehr mit Füßen gestampft werden, statt dessen übernehmen Silikonstampfer in riesigen Stahlbecken die Arbeit und das Dröhnen der Maschinen hat seit langem die Gesänge der stampfenden Männer abgelöst. Wir werden vorbeigeführt an riesigen Stahltanks, unzähligen Holzfässern und auch durch den Weinkeller ...
Neben der industriellen Weinproduktion bietet die Quinta auch die Möglichkeit, Urlaub auf dem Weingut zu machen: Die Lage ist traumhaft und das Ambiente gediegen.
Die Weinverkostung erweist sich als schwierig, hat man doch vergessen, die Weine rechtzeitig aus dem Kühlschrank zu nehmen und so versuchen wir den Rot- und Portweinen mit fast Sekttemperatur das Bouquet und die Aromen zu entlocken. Und auch die Gläser sind nicht optimal für die Verkostung, denn sie haben einen dicken Rollrand. Gerhild erklärt dem Sommelier der Quinta, wie wichtig der Glasrand ist und fordert ihn auf, selbst einmal zu probieren, wie unterschiedlich der Wein aus einem Glas mit glatten Rand und einem Glas mit Rollrand schmeckt (unsere Leser sollten das übrigens auch mal tun! ).
Nun aber schnell zurück zu unserem Hotel, denn wir müssen uns "stylen" für das Abendessen. Es erwartet uns ein Mehrgänge Menü beim Sternekoch Rui Paula im DOC.
Das Restaurant liegt direkt am Douro am Pier von Folgosa und ist im 70er Jahre Retrolook gestaltet. Wir werden von der Ehefrau Frau Paula des Sternekochs an den Tisch geleitet. Da Gerhild weiß, wie man in Portugal üblicherweise serviert (nämlich Gang auf Gang ratzfatz an den Tisch), bittet sie darum, uns das Essen "the french way" zu bringen, nämlich langsam mit ausreichend Zeit zwischen den Gängen und für den Genuss. Das gelingt hervorragend und jeder Gang ist es wert, dass man ihn ausgiebig genießt. Gerhild sogt für die perfekte Weinauswahl, was dem Personal auffällt. Sie bestätigt das auf Nachfrage und erklärt, dass wir alle Sommeliers seien ...
Kurz vor dem Dessert verabschiedet sich Frau Paula von uns, doch da lässt sich Gerhild noch einmal die Weinkarte bringen: Der Portwein, der ihr vorschwebt, überschreitet aber unser Budget mit ca. 2.000,- EUR (!) erheblich, und so wählen wir einen Niepoort Garrafeira 1977 für (nur ) ca. 500,- EUR: Umgelegt kann sich da jeder ein Gläschen leisten ... Nun wird Frau Paula wieder munter und beschließt, uns bis zum Verlassen des Restaurant weiter zu betreuen. Die Flasche wird geholt, das Etikett ist handgeschrieben und leise Zweifel an der Originalität kommen auf. Der Port wird dekantiert und der Kellner schafft es in einem Rundgang, alle Gläser gleich voll zu einzuschenken und der Dekanter ist danach auch leer. Das beeindruckt ...
Der Port ist schon recht bräunlich, der Geschmack aber köstlich. Hätten wir "Laiensommeliers" zwischen einer Reihe von preiswerteren guten Ports diesen edlen und teuren Tropfen heraus geschmeckt? Wir sind da eher skeptisch. Alles in allem ist der heutige Abend wieder ein Erlebnis auf dieser Weinreise ...
© 2012 Sixta Zerlauth