Udden Insel-Idylle ...
Die Nacht empfängt uns voll uns ganz draußen vor dem Hafengelände: Sicherlich auch zu anderen Tageszeiten nicht gerade ein Zenrum des Verkehrs liegt Mariehamn aber um diese Zeit vollkommen still und verlassen vor uns. Das Navi zeigt uns den Weg durch die Nacht: Schnell haben wir die Stadt verlassen und sind in nördlicher Richtung unterwegs.
Wir sind also endlich angekommen: Auf der Inselgruppe, die aus mehr als 6.700 einzelnen Inseln und Schären besteht und am Eingang des Bottnischen Meerbusens liegt, rund 40 km von der schwedischen und nur 15 km von der nahen finnischen Küste entfernt.
Eine Inselgruppe, die vor mehr als einem Jahrzehnt unser erster "Online-Reporter" Karsten direkt von der Abenteuer Allrad 2003 aus bei seiner Reise Skandinavien 2003 auf dem Weg von Finnland nach Schweden durchquerte und seinen weiteren Artikel dazu die "Inseln des Friedens" nannte. Die rund 30.000 Einwohner Ålands verteilen sich auf "nur" 60 Inseln der Gruppe. Damit ergibt sich eine Bevölkerungsdichte, von der man in unseren Regionen nur träumen kann, wenn man denn will.
Über die Hauptinsel rollen wir in nordwestlicher Richtung, wobei es einsamer und einsamer zu werden scheint auf unserem nächtlichen Weg ...
Erst vor kurzem hatten wir übrigens in der Süddeutschen Zeitung gelesen, dass es in der entgegengesetzten Richtung von unserem Ziel, in der Kommune Saltvik, wohl so etwas wie einen "russischen Außenposten" geben soll, wie vom ehemaligen Leiter des finnischen Landesvermessungsamtes ausgeplaudert wurde. "Putins Strandunterkunft" machte danach in finnischen und schwedischen Medien erst kürzlich die Runde, obwohl dieses Gebiet schon seit 1947 den Russen gehört. Damals eigneten sie sich alle Grundstücke in Finnland an, die ehemals Deutschen gehörten. Das hier im Jahr 2009 in zwei Grundstücke aufgeteilte Land gehört zum einen nun dem russischen Präsidenten, zum anderen dem russischen Staat: Ein nur baumbestandendes Areal, traumhaft gelegen, als strategischer Stützpunkt mit Meeresanbindung ..?
Es geht gegen 02:00 Uhr morgens, als wir über eine Brücke die westlichste Insel und Kommune Eckerö erreichen, auf der wir uns nun nördlich fast bis zur Spitze bewegen. Unser Ziel ist Uddens Camping, nahe am Meer und direkt an einer Lagune gelegen, wohl eine der abgeschiedensten Ecken, die wir heute Nacht erreichen können ...
Irgendwann verlassen wir die Straße und folgen einer schmalen Piste durch den Wald: Irgendwo in der Finsternis voraus muss das Camp liegen, langsam aber sicher nähern wir uns der Schrittgeschwindigkeit, das Vertrauen in Navi und Zusatzscheinwerfer ist wie üblich begrenzt auf solchen Touren ...
Wir erreichen das Campgelände und sind ratlos: Einige Fahrten über verschiedene nächtliche Pisten folgen, man sieht Hütten in der Dunkelheit, irgendwo geht es dahinter Richtung Meer. Es ist aussichtslos, sich hier heute Nacht irgendwo "richtig" hinzustellen, also geht es zurück zum "Hauptgebäude". Wir beschließen, uns am Rande vom Platz davor für die Nacht einzurichten, die paar Stunden bis zum Sonnenaufgang sollte das kein Problem darstellen.
Leise fluchend findet auch das OZtent im Licht der Stirnlampen seinen provisorischen Platz unter dem Fahrzeug - es hat auch Nachteile, wenn man in einer "Schuhschachtel" einen ganzen Haufen Ausrüstung unterbringt und den dann mitten in der Nacht umräumen muss - aber was soll´s, komfortable Hoteltouren haben wir zu anderen Zeiten mehr als genug!
Uddens Camping hat die Adresse Skag/Eckerö und liegt am Skagvägen, ein wohl empfehlenswerter Platz für Camper, die "abseits vom Schuss" absteigen wollen. Dieser Eindruck wird am frühen Morgen bekräftigt, als wir den Explorer verlassen: Strahlender Sonnenschein liegt über dem einsamen und weitläufigen Gelände, weit und breit ist kein Mensch zu sehen. In der Ferne Wasser, auf dem Weg dahin offenbar viel einladende Natur - hier sind wir richtig!
Wir scheinen zwar hier richtig zu sein, aber das ändert rein gar nichts daran, dass auch das Campgebäude samt dem dort angeblich befindlichen Kiosk/Café unbesetzt ist: Ein Schild gibt immerhin eine Telefonnummer an, die man anrufen muss, um den Platzwart zu erreichen, der sich schließlich als "Wärterin" entpuppt. Wir können uns hinstellen wo wir wollen und sie käme am Vormittag vorbei, lässt sie uns wissen ...
Hinstellen wo wir wollen? An der Infotafel des Gebäudes finden wir einen Plan, der uns zeigt was wir suchen: Es ist wohl der Platz fürs "Husvagenscamping", den wir ansteuern müssen und schon nach kurzer Zeit finden wir dort eine Stelle für uns dicht am Ufer - das Gelände gehört uns allein!
Bereits nach kurzer Zeit fliegt ein gelbes Wasserflugzeug mit schwarzen Schwimmern mehrfach tief über unseren Platz hinweg - hatte der Pilot die gerade zum Erststart ausgelegte 30 m Schlange als Hinweis auf eine möglichen Landebahn angesehen? Aber nein, es war sicher nur das Wasserflugzeug, von dem schon Karsten seinerzeit bei seinem Inselaufenthalt berichtet hatte und mit dem er gern einen Rundflug unternommen hätte ...
Die Dame scheint ihr Versprechen an uns vergessen zu haben, denn im Laufe des Vormittages lässt sich zunächst niemand blicken auf dem Platz, was uns allerdings wenig Sorgen bereitet. Mehr Sorgen macht dagegen ein aufkommender Wind, der unserem Camp an seiner exponierten Position zu schaffen macht: Wenn man als Besitzer einer Hubdachkabine eines hasst während seiner Aufenthalte irgendwo, dann Wind, der um 180° dreht und sowohl Explorer als auch das natürlich in gleicher Richtung aufgebaute OZtent unverschämterweise von hinten packt. Normalerweise verhindert eine sorgfältige Vorbereitung samt gründlichem Studium der Wetter- und Windvorhersage sowas meistens, aber ausgerechnet heute hatte man so etwas natürlich nicht gemacht - wann und wo auch ..?
Als der Wind schließlich immer stärker wird, beschließen wir den sofortigen Campabbau und Neuaufbau an einer anderen, deutlich geschützeren Stelle des Platzes: Zwar ärgerlich, aber schließlich hat man ja sonst nichts zu tun ...
Der neue Stellplatz erweist sich als deutlich besser: Windgeschützter und mit noch besserer Aussicht können wir hier auch den nächsten Ruhetag verbringen - nach soviel Fähre muss man schließlich auch mal einen Landaufenthalt genießen, oder?
Der Tag im Camp gestaltet sich erholsam, die Idylle rundherum tut das ihre dazu. Man kann zur Lagune spazieren, die umliegenden Wäldchen genießen und den strahlenden Sonnenschein, der auch den Wind erträglich macht.
So vergeht der erste Tag und es wird Nachmittag, als wir plötzlich Motorengeräusch in unserer Nähe hören: Man kann es kaum glauben, als ein Pärchen aus Osnabrück mit Nissan Pickup, selbst gebautem Offroad-Anhänger und zwei Hunden naht, sich als Kenner des Explorer Magazins outet und uns fragt, ob wir etwas dagegen hätten, wenn sie sich neben uns stellen. Haben wir natürlich nicht und bereits nach kurzer Zeit gibt es fast schon ein großes deutsches Camp auf den Åland Inseln. Einfach toll, wenn man weltweit auf Leser trifft ..!
Die Onabrücker outen sich auch als bekennende Schweden-Fans und auch diesmal wollen sie wieder hin. Ein gemeinsamer Abend mit Lagerfeuer, "Benzingesprächen" und viel Rotwein (die Vorräte schrumpfen ..! ) geht vorüber, am nächsten Morgen wollen sie auf die Kurzstreckenfähre Richtung Schweden - unser Fährenabenteuer weckt Erstaunen und auch Heiterkeit bei ihnen.
Am nächsten Morgen kommt die Platzwart-Dame, die uns doch noch überraschend abkassiert, womit unsere Mitbewohner offenbar nicht mehr gerechnet hatten. Aber schließlich hatten wir sie selbst aufgescheucht, als plötzlich kein Strom mehr da war - mit dem zusammen kommt sie recht unerwartet. Nachdem sie kassiert hat und auf Befragen hin erklärt, dass sie nicht wüsste, wie das Wetter wird, verschwindet sie wieder - so muss bezahltes wildes Camping wohl sein!
Unsere beiden Mitcamper packen zusammen, lassen den Motor an und begleitet von ihren Hunden, die die Abfahrt offenbar zum Auslauf nutzen, verschwindet das Gespann in der Ferne - wieder sind wir ganz allein.
Der Ruhetag nimmt seinen Lauf bis es wieder Gesellschaft gibt auf dem Platz: Ein Schweizer Paar, das sich der Vogelbeobachtung widmet, teilt sich mit uns die See-Idylle. So vergeht auch dieser Tag, nicht ohne am Abend sowohl unseren Mini-Klappgrill getestet zu haben als natürlich auch wieder die neue Haube vom Hobo-Ofen - alles funktioniert und selbst der Wind wird irgendwann schwächer. Morgen heißt es allerdings wieder aufzubrechen, denn die für einen ganzen Tag geplante Rückkehr nach Mariehamn steht bevor mitsamt einem sehr, sehr langen Abend ...
© 2015 J. de Haas