Mit Irland-Erinnerungen an die Westküste ...

Montag, 18. November: Weiter geht´s Richtung Westküste - die Tasmansee rückt näher, das Meeresgebiet zwischen Australien und Neuseeland. Heute sind es ausnahmsweise mal fast 120 km, die zurückzulegen sind - eine für die hiesigen Verhältnisse doch recht beachtliche Strecke.

Am Morgen war es an unserem "Naturplatz" Lyell Campground noch ziemlich verregnet und ungemütlich, aber tatsächlich waren die fliegenden Übernachtungsgäste im Glamper sehr ruhig geblieben im Dunkeln, ganz so wie vorhergesagt. Aber im Morgengrauen kommt langsam wieder Leben zurück in die süßen kleinen Tierchen und man mag sie gar nicht innen an der Scheibe plattklopfen, was man allerdings problemlos kann und auch macht, indem man sich nur wenig erhebt vom Kopfkissen. Dennoch, irgendwie ist an diesem verhangenen Morgen überhaupt keine Motivation zu erkennen, im leichten Regen gemütlich die Heckklappe zu öffnen und naturnah zu frühstücken - muss wohl am stark verweichlichten Campinggast liegen ..!

Die Entscheidung fällt also nicht schwer: Sofort weiterfahren und irgendwo unterwegs frühstücken, eine Taverne wird sich schon finden lassen auf dem Weg nach Westen. Es ist noch recht leer auf den Straßen an diesem Morgen, auch zeigt das Wetter nicht unbedingt den Willen zur Besserung - also fährt man gemächlich durch die auch im nassen Zustand beeindruckende Naturlandschaft, die an uns vorbeizieht.

Nach etlichen Kilometern taucht plötzlich am Straßenrand eine Beschilderung auf, die ein geöffnetes Frühstückslokal und Unterbringungsmöglichkeit für Backpacker verspricht - genau unser Ding!

Lyell Campground: Keine Frühstücksatmosphäre ... Warnung für den Schnellverkehr ... Oase am Wegesrand?
Kaffeebar-Kunst ... Berlin´s Cafe & Bar Noch ist es hier ruhig ...

Wir stehen vor der Berlin´s Cafe & Bar: Diese Taverne gehört zwar noch zum District Buller Gorge, in dem wir uns schon seit Tagen befinden, aber auch zur Region "West Coast" und in Zusammenhang mit der taucht bereits hier der uns so vertraute Name "Westport" auf, der Stadt, die wir heute noch erreichen wollen.

Der Name des Lokals hat wohl mit der gleichnamigen deutschen Ansiedlung nichts zu tun, wie man unschwer hier erkennen kann. Auch dass das Lokal zum Verkauf steht, wie ein Aushang verrät, hat wohl kaum etwas mit der Lage oder gar mangelnder Kundschaft zu tun, denn kurz nachdem wir die Kaffeebar betreten, wirkt sie durchaus gut besucht. Der engagierte Wirt zeigt beim Service ganzen Einsatz und das "Kiwi Frühstück", das bei der Bestellung mit allen Bestandteilen bis hin zur Art des Kaffees detailliert aufgenommen wird, erinnert nicht nur sehr an das "Irische Frühstück", sondern scheint sogar mehr oder weniger fast identisch damit zu sein. Allerdings zeigt sich bei Erwähnung dieses anderen Frühstücks eine gewisse Verständnislosigkeit beim Personal - offenbar ist ihnen die Ähnlichkeit in keiner Weise bewusst ...

Man kann hier eine gute Zeit zubringen beim Frühstück und der Beobachtung von Menschen und Umgebung, aber irgendwann ist dennoch wieder die Zeit für den Aufbruch gekommen - wir müssen weiter!

Es ist nun nicht mehr weit bis Westport, der Stadt an der Westküste, wo wir für die nächsten Tage einkaufen wollen. Der Name dieser Stadt stammt wie etliche andere in Neuseeland von denen einer anderen Insel, nämlich Irland. Erst im März dieses Jahres hatten wir uns dort in Westport aufgehalten, um unseren Freund Roland zu besuchen und bei der Gelegenheit weitere Dinge vor Ort zu klären. Die Reise nach Neuseeland stand zu diesem Zeitpunkt bereits fest und wir hatten fest geplant, Roland mit einer Karte aus der gleichnamigen neuseeländischen Stadt zu überraschen. Dass alles anders kam als geplant und Roland kurz nach unserem Besuch verstarb, warf auf die Reise Irland 2019 bereits wenig später einen tiefen Schatten ...

Als wir uns dem hiesigen Westport nähern und das Ortsschild auftaucht, geht einem nach dieser Vorgeschichte sofort der traditionelle "Song for Ireland" durch den Kopf, den wir erst im Februar auf der fr.e.e in München bei Ronan Drury für Roland bestellt hatten: Die Textzeile "Living on your western shore, saw summer sunsets, asked for more ..." kann man wohl recht sentimental nicht nur mit der Stadt im irischen "County Mayo" in Verbindung bringen, sondern sicherlich auch hier mit dem Ort der Region "West Coast" ...

Wieder mal in Westport ...

Vertrautes Ortsschild ... Ungewonter Anblick ... ... im Westport Supermarkt ...

Es wäre gelogen, wenn man der Atmosphäre und dem Flair vom Westport hier, wo wir nun einkaufen, auch nur eine geringe Ähnlichkeit mit dem der gleichnamigen irischen Stadt bescheinigen würde - derartige Schwärmereien erledigen sich in kurzer Zeit wie von selbst. Der Einkauf im örtlichen Supermarkt wird deshalb recht schnell erledigt und wir machen uns schon bald auf den Weg hinunter an der Westküste Richtung Süden zu unserem heutigen Ziel, dem Punakaiki Beach Camp im gleichnamigen Ort.

Unser Weg entlang der Westküste bietet nicht ganz unerwartet inzwischen fast schon gewohnte atemberaubende Ausblicke in eine Region landschaftlicher Schönheit. Weniger schön scheint sich allerdings das Wetter zu entwickeln: Je näher wir unserem Ziel kommen, umso bedrohlicher türmen sich Wolkengebirge über der Küste auf, die nichts Gutes erahnen lassen.

Dass man mit derartigen Vorahnungen nicht falsch liegt, wird deutlich, als das Unwetter über uns hereinbricht: Sturmböen und Sturzregen auf der Küstenstraße machen deutlich, dass es vermutlich keine allzu gute Idee wäre, unverdrossen weiter zu fahren. Es heißt irgendwann links raus und Motor aus, eine Fortsetzung der Fahrt erscheint in diesem Moment nicht verantwortbar. Während wir im strömenden Regen irgendwo am Straßenrand im Schutze einer Böschung in einer kleinen Ansiedlung auf ein Abflauen des Wolkenbruchs warten, fahren noch einige wenige Fahrzeuge an uns vorbei Richtung Süden: Die sind entweder schon länger mit ihrem Fahrzeug unterwegs in derartigen Situationen als wir oder einfach vieeel abgebrühter - vermutlich natürlich beides ..!

Irgendwann beruhigt sich die Wetterlage so weit, dass auch "Wetter-Weicheier" wieder losfahren können und so bewegen wir uns erneut in Richtung Camp, das bei unserer Ankunft in strahlendem Sonnenschein liegt. Der humorige Rezeptionist weiß auf die Frage, ob das mit der Sonne und dem aktuell wieder guten Wetter so bleiben wird, die genaue Antwort: "Bestimmt eine halbe Stunde lang ..!"

Wir checken ein mit Ruhetag und beziehen unseren Stellplatz: Das Camp liegt wunderschön am Fuß eines 300 m hohen, nahezu senkrechten Kreidefelsens, es gibt hier Toiletten, Wasser und auch eine Dump-Station, die wir diesmal sogar benutzen wollen. Und dann gibt es hier tatsächlich - eine Taverne! 

Das Gebiet gehört zum 300 qkm großen Paparoa National Park, hier an der Punakaiki Beach fließt außerdem der River Pororari in die Tasmansee, wobei sich eine sehenswerte Lagune gebildet hat, die wir uns selbstverständlich ansehen wollen. Außerdem möchten wir uns am morgigen Ruhetag natürlich auch in der Nähe die berühmten Pancake Rocks anschauen, die Pfannkuchen-Felsen, aber das hat noch etwas Zeit ... 

Malerische Küstenabschnitte Angekommen: Rezeption Punakaiki Beach Camp Stellplatz mit Ausblick ...
Am 300 m hohen Kreidefelsen ... Glauben wir das mit dem Original ..? Callcenter mit Tui-Personal ... Wo wurden die wohl zu Telefonisten ausgebildet?

Zufriedener "Outdoor"-Camper ...

Das "After Landing Beer", was nach dem Einrichten auf dem Stellplatz fällig ist, wurde in Westport eingekauft und trägt ein großes "DAB" auf der Dose, was positive Erinnerungen an ganz alte Zeiten weckt, die aber in diesem Fall nicht ganz berechtigt sind: Das als "Dortmunder Export" und als "Original Style from Germany" bezeichnete Getränk erinnert zwar entfernt an bekanntes Bier, aber das hierzulande erstellte Gebräu erscheint doch schon deutlich anders als Gewohntes, jedoch ist das hier und jetzt auch egal, es muss ja nicht immer "Steinlager Classic" sein ...

Deutlich "originaler" und wie üblich äußerst unterhaltsam sind die direkten Nachbarn im Baum neben unserem Camper: Hier zieht offensichtlich ein Tui-Pärchen seinen Nachwuchs auf, vermutlich Neuseelands bekannteste "Singvögel", gut erkennbar an ihrem Halsschmuck, dem strahlend weißen Federbausch unter dem Schnabel. Sie zeigen dabei ihre einzigartige Fähigkeit, Geräusche zu imitieren: In unserem Fall haben wir es von jetzt an bis zum Ende unseres Aufenthaltes an diesem Platz mit einem "Callcenter" zu tun, denn unentwegt scheint man das dafür typische Telefongeklingel aus den Blättern und Zweigen zu hören - auch ein "fettes Kind" sorgt mit ständigen Rufen für andauernden elterlichen Flugverkehr mit anschließender telefonischer Bestätigung ...     

Der folgende ausführliche Spaziergang an die Pororari-Lagune führt uns wieder einmal in wunderbare landschaftliche Umgebung: Der weite Strand ist übersät mit diversem Strandgut, das z.T. so kunstvoll arrangiert scheint, als hätte man die Strandabschnitte ganz bewusst gestaltet. Durch zahllose Fotos während unseres Rundgangs aufgehalten, benötigen wir lange Zeit, bis wir zum Ende der Lagune gelangen, wo ein sehr auffallender, großer und alleinstehender Felsen den Bereich dominiert, wo der Fluss das Meer erreicht.

Lagunen-Strandgut  Wer war das wohl ..? Strandspaziergang empfohlen ... In der Lagune ...
"The Boot" am Horizont ... Vorbereitungen für ein Sonnwendfeuer ..? Ist das tatsächlich ein "Stiefel" ..? ... oder vielleicht doch ein (schlecht rasiertes!) Gesicht ..?
Vorbereitung für den Sonnenuntergang ... Es ist mal wieder so weit ... Fotos vom Sonnenuntergang müssen einfach sein!

Dieser Sandsteinfelsen wird als "The Boot" bezeichnet, da er wie ein großer Stiefel wirkt, der hier vor dem Ufer aufgestellt ist. Allerdings kann man mit etwas Fantasie das Gebilde auch durchaus als einen großen Kopf identifizieren, der mit Mund und Haaren ausgestattet ist, die vom Bewuchs oben auf dem Felsen gebildet werden. Aber ganz egal, was man hier zu sehen glaubt, dieser Felsen ist bereits von Weitem ein Hingucker in dieser wirklich sehenswerten Lagune!

Nach Rückkehr zum Camper wird erst einmal gekocht, das nach wie vor gute Wetter samt Sonnenschein lädt dazu ein. Bei einem Glas guten neuseeländischen Rotweins lässt es sich in diesem Beach Camp wirklich bestens aushalten ...   

Dies scheinen auch andere Camper so zu sehen, als sich zum Sonnenuntergang viele von ihnen am Strand versammeln: Nicht nur auf kanarischen Inseln wie im kommenden Februar auf Fuerteventura, sondern auch an etlichen anderen Westküsten der Welt kann man immer wieder erleben, wie sich bei gutem Wetter die Menschen an den Stränden versammeln und sich in Romantiker verwandeln, die nicht genug Fotos von den immer wieder gleichen und doch auch immer wieder beeindruckenden Sonnenuntergängen über dem Meer machen - heute Abend sind wir ebenfalls wieder dabei ..!


© 2020 J. de Haas