Größter See und Vulkane ...
Samstag, 09. November: Heute also bereits der zweite Samstag in Neuseeland, unglaublich mal wieder, wie schnell die Zeit verfliegt! Und das sogar bei einem "Camper" als Unterkunft, der ein unbeschwertes Campingleben fast schon lang werden lässt ..!
Wir wollen heute früh aufbrechen, die Etappenlänge dieses Tages beträgt fast 180 km, also fast schon rekordverdächtig für den bisherigen Tourverlauf. Aber das Ziel heißt schließlich auch: Reisen statt rasen und Letzteres ergibt sich auf hiesigen Straßen schon fast zwangsläufig, wenn man nicht aufpasst. Hierzulande hat man eben viel auf der Straße zu transportieren und da müssen alle mithalten, die kein dauerndes Verkehrshindernis sein wollen ...
Auf unserer Reise Richtung Südwesten fällt wieder einmal auf, welche Unmenge an Touris ähnlich wie wir unterwegs sind: Nicht nur unzählige grüne "Jucys" sind auf der Straße, sondern auch die "Apollos", die "Britz", die "Maui" und andere kommen uns entgegen - Vermietung von Campern offenbar ein gutes Geschäft auf den Inseln!
Der Weg führt uns zunächst zu den berühmten Huka Falls: Die gehören zum Waikato, dem längsten Fluss Neuseelands, der vom größten See des Landes, an dem wir noch vorbeikommen werden, Richtung Norden fließt. Dieser Fluss, der teilweise bis zu 100 Meter breit ist, muss vor den "Falls" durch eine enge Schlucht und dadurch ergibt sich ein Stau wie in einem Schlauch, bei dem das Wasser gezwungen ist, durch einen recht engen Steinkanal zu fließen, um sich dann über 11 Meter hinab in das Becken darunter zu ergießen.
Klar, dass nicht nur wir uns dieses Schauspiel ansehen wollen und somit ist der Parkplatz, dessen Zufahrt rund 4 km abseits der Route liegt, bereits gut gefüllt mit allen möglichen Fahrzeugen. Die Parkdauer ist wie üblich begrenzt, das schon vertraute Schild lautet diesmal "P 30", aber die erlaubte halbe Stunde muss man hier auch nicht unbedingt zubringen: Es sind nur wenige Schritte bis zum beeindruckenden Wasserfall, der sich vermutlich bei höherem Wasserstand noch viel wilder zeigt als heute.
Zu entsprechenden Zeiten sollen bis 220.000 Liter Wasser pro Sekunde an dieser Stelle hinuntergespült werden, heute sind das allerdings wohl bedeutend weniger, als wir über die Fußgängerbrücke am oberen Ende des Wasserfalls kommen. Trotz der begrenzten Zeit und drohendem Regen machen wir noch einen kurzen Spaziergang am Fluss entlang, der ganz sicher auch an diesem Tag ein lohnenswertes Objekt zum Fotografieren ist.
Schließlich geht es wieder zurück zum "Jucy", die übliche Rangiererei mit dem Gefährt hinaus aus der engen Parklücke lässt sich auch diesmal nicht vermeiden.
Die Fahrt wird fortgesetzt und wir erreichen ein weiteres, eigentlich lohnenswertes Ziel: Neben uns und der Straße erstreckt sich der Lake Taupo, der größte See Neuseelands. Dieser wirkt heute bei trüb verhangenem Himmel teilweise wie ein Meer, das Neuseeland nicht so weit entfernt umgibt. Der gigantische Kratersee entstammt einem Vulkan, der vor mehr als 26.000 Jahren kollabierte, was zu den bedeutendsten Ausbrüchen in der jüngeren Geologiegeschichte zählt. Über 30 Flüsse versorgen den See, unter Wasser gibt es immer noch aktive Schlote, aus denen heißes Wasser strömt. Er ist insgesamt rund 40 km lang und 30 km breit, was den imposanten Eindruck erklärt, dem man sich selbst während der Vorbeifahrt nicht entziehen kann.
In Anbetracht von Wetter und Verkehrssituation fällt jedoch der Entschluss zur Weiterfahrt ohne Unterbrechung, denn man weiß schließlich nie, was einen hier unterwegs erwartet. Und tatsächlich, nur wenig später passieren wir an der Straße einen schräg hängenden Lkw, dessen Anhänger in der vergleichsweise engen Kurve in den Graben gerutscht ist. Wie sagt man so schön: Die Kurve hat sicher leicht 100 km/h oder mehr verkraftet, der Fahrer und Lkw aber wohl eher weniger ...
Wir sind froh, noch schnell vorbei zu kommen, denn es beginnen bereits Absperrarbeiten und man kann sich problemlos ausmalen, wie lange es hier wohl nicht mehr weiter geht, bis die Unfallstelle mit schwerem Gerät geräumt ist - und eine Umleitungsstrecke gibt es wie so oft keine ...
Unser Etappenziel für heute ist nach Einkauf unterwegs in Turangi der Whakapapa Holiday Park am Mount Ruapehu im Tongariro National Park. Die Rezeption des Platzes liegt an einer kleine Seitenstraße der Hauptstraße, die durch den "Ort" führt - eigentlich besteht der aber nur aus dieser Straße.
Am Eingang zur Rezeption erwartet eine große Infotafel den Besucher: Was hier aushängt, ist eine "Lahar"-Warnung, die auch erklärt wird auf der Tafel. Es handelt sich um eine gigantische, schnell strömende vulkanische Schlammlawine bei einem Vulkanausbruch. Und so etwas scheint hier immer zu drohen: Ausgangspunkt ist dabei der gewaltige Mount Ruapehu, mit fast 2.800 m Höhe der höchste Vulkan Neuseelands und auch der höchste Punkt der Nordinsel. Er dominiert den kleinen Ort Whakapapa in südöstlicher Richtung und ragt heute scheinbar recht nah ziemlich unheilvoll und teilweise schneebedeckt aus den trüben Wolken.
Dass wir mit unserem Camp im Gefahrenbereich liegen, ist auf der Infotafel unübersehbar: Gut dargestellt sind darauf auch die "Muster Points", also Sammlungspunkte für den Notfall, einer davon ist das benachbarte Chateau, das wir noch aufsuchen wollen.
Laut der Tafel soll u.a. eine Sirene bei einem Ausbruch warnen und die junge Frau an der Rezeption reagiert mit Humor auf die Frage, ob sie helfen wird, falls es heute Nacht einen Alarm geben sollte. Auf jeden Fall müsste man wohl so schnell wie möglich im Laufschritt das Camp verlassen und versuchen, das besagte Chateau auf der anderen Straßenseite zu erreichen, denn das liegt ja offenbar in der "Safe Area". Nun, den Camper müsste man dann doch tatsächlich zurücklassen - was für ein Verlust!
Der letzte Ausbruch des Ruapehu fand im Jahr 2007 mit einer derartigen Schlammlawine statt und kam ohne Vorwarnung. Etliche andere Ausbrüche seit Ende des 19. Jahrhunderts forderten insgesamt viele Opfer. Der Vulkan war übrigens auch in Herr der Ringe der Drehort für das Gebiet Mordor ...
In diesem Nationalpark gibt es noch mehrere benachbarte Vulkankegel: Außer dem Mt. Ruapehu ist vor allem der Mt. Ngauruhoe der auffälligste und eine so beeindruckende Erscheinung, dass wir ihn uns noch weiter ansehen wollen während des Aufenthaltes.
Es gibt Strom und Wasser im Camp, beides werden bzw. können wir nicht nutzen, aber dennoch schön zu wissen! Außerdem gibt es Duschen und Toiletten, weiterhin eine Dump-Station - na also, wenigstens die Toiletten sind auch was für uns! In der Küche kann man nach ausgiebigem Studium der Infrastruktur sich sogar etwas brutzeln, mit gegenseitiger Hilfe der Camper lassen sich die Apparaturen schließlich auch bedienen ...
Der Stellplatz im Camp liegt wunderbar idyllisch: An der Vorderseite des Fahrzeugs blickt man hinunter in den Wildbach am Fußes des Hangs und die urwüchsige Bewaldung Neuseelands schlägt einen auch hier wieder wie üblich in ihren Bann. Man kommt ins Gespräch mit anderen Jucy-Campern, die nur einen besseren Pkw als Camper gebucht haben: Immerhin versorgt sie offenbar ein am Fahrzeug befestigtes Solarpanel mit etwas Strom, aber auch sie wirken nicht sonderlich glücklich mit der Wahl ihres Fahrzeugvermieters.
Bevor wir zu einem Erkundungsgang aufbrechen, sind noch Arbeiten am Laptop fällig: Ein weit entfernter Kunde hat sich mit einem Problem gemeldet und an dessen Lösung wird nun kurz gearbeitet, auf dass er am nächsten Morgen eine positive Nachricht vorfindet. Die Kommunikation mit der anderen Planetenseite, die 12 Stunden Zeitunterschied hat, erfordert gewisse neue Routinen ...
Draußen wartet nach kurzen Regengüssen der kleine Ort auf die Spaziergänger: Der hat sogar ein Touristen-Infocenter, allerdings glauben wir schon alles Erforderliche zu wissen und in Anbetracht der Kürze des Aufenthaltes machen wir gar nicht erst den Versuch, dorthin zu gehen. Stattdessen ist aber nun der Aufbruch in Richtung des nahen Chateau Tongariro Hotel angesagt, eines historischen Hotels und Baudenkmals, wo wir heute Abend auch essen wollen.
Vorher heißt es zunächst einen kleinen Spaziergang zu machen in Richtung der Taranaki Falls: So weit wollen wir zwar nicht vorgehen, aber auf dem Weg dahin hat man wundervolle Aussichten auf den Ngauruhoe, von dem man kaum den Blick wenden kann. Er scheint heute irgendwie an den japanischen Fuji zu erinnern und hat deshalb für uns seinen Namen weg: Unser lokaler Fuji ist rund 2.300 m hoch, ein junger aktiver Vulkan und mit 45 Ausbrüchen der aktivste im 20. Jahrhundert. 1975 hatte er seinen letzten Ausbruch und bei dem sollte es eigentlich auch bleiben - sein grandioser Anblick reicht uns vollkommen!
Zurück in Richtung Chateau Tongariro Hotel: Dort gibt es einen Golfplatz und im Winter ist es auch ein bedeutendes Skigebiet. Neben einem Speisesaal mit Dresscode verfügt das Hotel über die Pihanga Café and T-Bar, wo man Steaks, Pizza, Burger und ähnliches bekommt - licensed. Ebenfalls zum Chateau gehört die Tussock Bar & Restaurant, so dass man hier eigentlich eine große Auswahl haben sollte. Die Realität ist allerdings nüchterner: Wir landen im Pihanga Café, das erst kurz zuvor geöffnet hat und bestellen in einem größeren Saal, der etwas von Bistro mit ein wenig Bahnhofsatmosphäre vermittelt: Leider haut einen weder der bestellte lokale Fisch noch der dazu angesagte Pinot Gris vom Hocker, aber immerhin: Heute kann wenigstens die "Outdoor-Camperküche" kalt bleiben ...
Der Abend bricht herein, und ohne Ruhetag wird es bereits morgen wieder weitergehen. Heute war den ganzen Tag über das Wetter ja insgesamt nicht allzu unfreundlich, streckenweise sogar angenehm. Dies wird sich in der Nacht allerdings deutlich ändern und es ist für die Abendlaune sicher nicht abträglich, dass wir noch nicht ahnen, was uns morgen wettermäßig erwartet ...
© 2020 J. de Haas