Richtung Südwest - Eine Brücke nach Nirgendwo ..?
Sonntag, 10. November, gegen 10:00 Uhr: Das angenehme Wetter vom Vortag hat sich schlagartig geändert - geradezu Wolkenbrüche trommeln auf den Jucy-Hiace, das Aufstehen an diesem Morgen in diesem Camper ist noch deutlich unangenehmer als bisher. Aber die Aussichten waren doch eigentlich verlockend gewesen: Weniger als 80 km Strecke stehen auf dem Programm, dafür aber anschließend ein Ruhetag mit "Abenteuer" - eine Bootstour zu einer "Brücke nach Nirgendwo" ... Doch der Reihe nach:
Als wir schließlich den kleinen Ort Whakapapa verlassen, liegt dieser ziemlich verödet da, lediglich der Regen prasselt entsprechend hart herab, ein Wolkenbruch eben, der aber anhält. Merkwürdig verhält sich das Fahrzeug heute, es lässt er sich extrem schlecht steuern, die Räder scheinen irgendwie aufzuschwimmen, was die Lenkung stark beeinträchtigt. Dazu kommen noch heftige Böen von der Seite, die den Fahrer die Geschwindigkeit immer mehr drosseln lassen - unvorstellbar, wenn in dieser Situation einer dieser üblichen Lkw´s mit "normaler" Geschwindigkeit von hinten käme ..!
Zum Glück bleibt es auf der einsamen Straße bis zur nächsten Einmündung leer, und unsere "aberwitzige" Geschwindigkeit bleibt unbemerkt. Mit leichtem Gruseln ist allerdings die Vorstellung verbunden, auf diese Art und Weise müsste man die gesamte heutige Strecke zurücklegen ...
Wir erreichen die Einmündung und damit auch die direkt gegenüber liegende Tankstelle, die unser erstes Ziel für heute ist: Außer zu tanken wollen wir hier auch einkaufen und dafür trifft es sich günstig, dass sich in dieser Tankstelle auch ein kompletter kleiner Laden versteckt, in dem wir alle anstehenden Einkäufe tätigen können. Im peitschenden Regen ist es hier im Laden richtig angenehm und man kann sich entsprechend Zeit nehmen, denn draußen verpassen wir im Moment wirklich rein gar nichts.
Die Straßenverhältnisse verbessern sich bei der Weiterfahrt, scheinbar lag es auch irgendwie am Untergrund der Zufahrtsstraße, so dass es nun schneller vorangehen kann. Auch der Regen wird schwächer und die Gegend verwunschener: Über schmale, gewundene Wege stoßen wir in eine immer einsamer wirkende Umgebung vor, Vorsicht ist wieder angeraten bei jeder der schmalen Kurven. Immerhin weiß man auch hier nie, wer einem da vielleicht entgegenkommen könnte, und diese immer vorhandene Erwartung hat man offenbar auch in diese menschenleere Gegend mitgenommen ...
Wir erreichen unser Ziel Pipiriki, wo wir im Camp von Whanganui River Adventures bleiben und am nächsten Tag von dort aus eine Bootstour auf dem gleichnamigen Fluss zur "Bridge to Nowhere" unternehmen wollen. Mit dieser "Brücke nach Nirgendwo" hat es eine ganz besondere Bewandtnis: Wir haben es - wie bereits in diversen anderen Beiträgen - wieder mal mit der Zeit des Ersten Weltkriegs zu tun, denn im Jahr 1917 gab die Regierung das Tal zur Besiedlung durch Soldaten frei, die aus dem Krieg zurückkehrten. Etwa 35 Anwesen entstanden aus diesem Anlass, und die erste Aufgabe bestand darin, den Wald zu roden. Die Überbrückung der Mangapurua-Schlucht und des dortigen Wildbachs vor diesem Areal war immer ein Problem gewesen. Eine Hängebrücke war der einzige Zugang, aber es wurde eine bessere Brücke versprochen.
Der Bau der Ersatzbrücke, jetzt als Bridge to Nowhere bekannt, begann dann endlich im Jahr 1935 und die Einweihung erfolgte Mitte des darauffolgenden Jahres. Nach einem großen Hochwasser im Januar 1942 wurden schließlich keine Mittel mehr für die Instandhaltung bereitgestellt und noch im Laufe desselben Jahres wurde das Tal offiziell geschlossen. Neben der Brücke gibt es verlassenes Ackerland, das sich zu einem natürlichen Podocarp (Steineiben)-Wald entwickelt hat ...
Die Tour zu dieser Brücke startet von Pipiriki aus als 55-minütige Jetbootfahrt flussaufwärts, 32 km bis zur so genannten Mangapurua-Anlegestelle, durch ein Gebiet spektakulärer Naturschönheit mit tiefen Flussschluchten, die mit grünen Baumfarnen und üppiger einheimischer Vegetation bedeckt sind. Mit unserem Guide werden wir dann in einem leichten 40-minütigen Spaziergang von der Anlegestelle aus auf den Spuren der frühen Pioniere entlang der alten Straße die Brücke erreichen. Auf diesem historischen Denkmal wird bei mitgebrachtem Imbiss dann vom Guide die Geschichte zu diesem Ort erzählt. Insgesamt ist die Tour für 4 - 5 Stunden geplant und am Nachmittag werden wir voraussichtlich wieder im Camp sein.
Soviel zur Planung, aber aus unterschiedlichen Gründen kommt schließlich doch alles völlig anders. Aber auch hier der Reihe nach, denn manchmal kann sich aus Unvorhergesehenem wirklich Großartiges entwickeln, und so geschehen auch in diesem Fall ...
Wir erreichen das völlig menschenleere Camp, das als gemütlicher Aufenthaltsort für Flusstouristen vorbereitet zu sein scheint: Bücher für verregnete Tage, jede Menge Infos und historische Zeitungsausschnitte an den Wänden und selbst Kinderspielzeug wartet auf Gäste. Ein auffälliges Filmplakat erinnert den Gast daran, dass hier am Whanganui River der Film "River Queen" aus dem Jahr 2005 gedreht wurde, in dem u.a. Kiefer Sutherland mitspielte. Da sich außer uns heute hier allerdings niemand aufhält, kann sich die Maori-Betreiberin des Camps ganz um uns kümmern und lässt auch freie Wahl in Sachen Stellplatz dort unten vor der kleinen Häusergruppe.
Schnell wird uns aber eines klar: Die Betreiber dieses Camps sind gar nicht diejenigen, mit denen wir am nächsten Tag unsere Tour machen wollen. Das sind nämlich die ganz in der Nähe gelegenen Whanganui River Canoes, mit denen die Maori-Frau aber kurzfristig Kontakt aufnimmt bezüglich unserer morgigen Tour. Ihre Auskunft ist ernüchternd: Genau wie sie selbst, die ebenfalls Flusstouren veranstalten, werden auch die anderen morgen keinesfalls starten. Die extremen Regenfälle der letzten Tage haben dazu geführt, dass der Whanganui bei starker Strömung derzeit so viel Hochwasser führt, dass aus Sicherheitsgründen keine Touren erfolgen können - Pech gehabt, zum Glück wurde aber noch nichts gezahlt ...
Also heißt es unverrichteter Dinge hinaus auf unsere Campingwiese, immerhin hat das Camp Toiletten und Duschen. Auf die Kostbarkeit von Regenwasser und die Notwendigkeit des Wassersparens wird überall hingewiesen, die Wassertanks oben an den Gebäuden sprechen eine deutliche Sprache. Strom gibt es hier nicht, was uns aber wie üblich nicht stört (), auch "dumpen" könnten wir unseren Luxuscamper nicht, ebenfalls kein Thema. Wir richten uns auf der Wiese direkt neben einer großzügig überdachten Sitzgruppe häuslich ein - vermutlich in der Hochsaison ein umkämpfter Luxusstellplatz!
Heute wird wieder selbst gekocht, ein erster Imbiss bei passendem Steinlager Classic folgt. Noch während dieser Vorbereitungen bricht nicht ganz unerwartet die "Regenhölle" über den Platz herein: Bei heftigem Starkregen verwandelt sich die Wiese schnell in ein für Fußbäder geeignetes Gelände und auch Möglichkeiten für "Jugend forscht"-Versuche gibt es reichlich, bei derartigen Bedingungen die offene Heckklappe des Fahrzeugs mitsamt "Ausziehküche" abzuschirmen und dabei zu benutzen. Schließlich bleibt irgendwann aber nur noch das Schließen des Fahrzeugs als einzig überzeugende Lösung - wer hätte das gedacht bei einem so genialen Camper-Konzept!
Der Nachmittag vergeht schneller als gedacht, wunderbare Gesangseinlagen der gefiederten Nachbarn auf diesem Areal verleihen gemeinsam mit Wetter, Wolken und Vegetation dem Ganzen eine irgendwie magische Atmosphäre. Auch in der Nacht trommelt der Regen weiter auf den Camper und man darf gespannt sein, wie sich das wohl weiterentwickelt ...
© 2020 J. de Haas