Der Camper-Schock: Jucy-Station, Tag 1 ...
Eines wollen wir vorausschicken, um das Nachfolgende besser zu verstehen: Wie bereits vorne im Bereich "Campen" erläutert, wollten wir u.a. ein Fahrzeug für unseren Campingaufenthalt in Neuseeland, das ungefähr in der Größe unseres Explorer Pickups daher kommt, also keinesfalls mit einem großen Womo durch die Gegend fahren - Ehrensache!
Erst relativ spät und nach der Buchung war unserem "Besteller" allerdings aufgefallen, dass das zuletzt als einziges noch buchbare und in Frage kommende Fahrzeug über einen Küchenblock verfügt, den man zwingend nach hinten aus dem Fahrzeug herausziehen muss, weshalb man beim Kochen also draußen steht. Dabei ist man aber "überdacht" von einer Fahrzeughecktür, die größer ist als bei den europäischen Ausgaben des Toyota Hiace, da dieser hier mit rund 2,30 m auch höher ist. Insofern machen wir uns also bereits mit ein wenig gemischten Gefühlen auf den Weg zum Vermieter an diesem Sonntagmorgen im November ...
Als der Shuttlebus die Jucy-Station erreicht, staunen wir zum ersten Mal. Die "Rezeption" des Autovermieters und deren Umgebung macht irgendwie eher den Eindruck eines Pfadfinderlagers als den einer Autovermietung: Dutzende zumeist junge Pärchen lungern teils auf den Treppen, teils davor inmitten oder hinter Bergen von Koffern und allen möglichen Gepäckstücken - offensichtlich alles Wartende auf ihre Fahrzeug.
Jede Menge grüner Toyota-Campingbusse mit Schlafdach stehen hier am Platz, alle mit irgendwelchen Sinnsprüchen auf der Seite wie "Always take the scenic route - Especially if you´re lost", "The glass is half full - And the other half is delicious" oder ähnliches. Auch grüne Pkws sind zu sehen, offensichtlich minimal als Camper ausgestattet. Von weißen Fahrzeugen wie einem solchen, das wir gemietet haben, stehen allerdings nur sehr vereinzelt welche herum, sie sehen eher aus wie Neufahrzeuge und scheinen ohne jede Campingausstattung zu sein.
Nach langer Warterei können wir endlich an einen der "Schalter" vordringen: Auch hier Maoris, die offensichtlich überall im Lande tätig sind, wo der jeweilige Bildungsstand es erlaubt. Das hier gesprochene Englisch ist äußerst gewöhnungsbedürftig oder sogar teilweise unverständlich, so dass häufig Rückfragen erforderlich sind. Wir werden u.a. gefragt, ob man sich mit den neuseeländischen Verkehrsregeln befasst hat, was wir bejahen können. Selbst die Anpassungen von noch im Neuseelandbericht 2004 erwähnten merkwürdigen Vorschriften sind uns mittlerweile vertraut.
Leider teilt man nach Abwicklung allen Schriftverkehrs mit, dass das Fahrzeug unglücklicherweise noch nicht fertig wäre und man bittet darum, noch etwas zu warten. Gesagt, getan, wir warten. Eine Stunde, und noch eine halbe. Dann die Nachfrage nach Wiedervorarbeiten in der Menge der anderen Wartenden: Wann ist es endlich so weit? Wieder Herumgewusel, wieder scheint vieles zu klären zu sein, mittlerweile ist es Mittag geworden. Dann kommt der Mitarbeiter mit der Lösung: Leider ist man immer noch nicht so weit, deshalb bietet man uns an, dass wir zu einem nahen Coffeeshop gefahren werden, wo wir uns auf Kosten des Vermieters verköstigen sollen - am Nachmittag wäre es dann so weit.
Irgendwie kommt unser Zeitplan für heute bereits ins Wanken, dennoch aber machen wir gute Mine zum bösen Spiel und willigen ein: Gemeinsam mit einem weiteren Paar aus Deutschland, dessen Fahrzeug ebenfalls nicht fertig ist, werden wir zum an der Hauptstraße gelegenen "Butterfly Creek" gefahren, wo regelmäßig der Jucy-Shuttle vorbeifährt, mit dem wir am Nachmittag zurückkehren sollen.
Im Butterfly Creek kann man prima draußen oder drinnen sitzen, auch diverses Essen wird angeboten, aber was soll man hier groß konsumieren, gut gefrühstückt wie wir sind? Man nimmt also einen Cappucino oder ähnliches und vertreibt sich die Zeit mit Gesprächen über die Tourenplanungen. Im Gegensatz zu uns wollen die anderen nur etwas westlich fahren bis zu einem relativ nahen Campingplatz und haben damit weniger Probleme als wir: Für heute steht bei uns eine rund 140 km lange Fahrt Richtung Osten auf dem Programm. Wir wollen zur wunderschönen Halbinsel Coromandel, und dort im "Coastal Camping" anschließend auch gleich den ersten Ruhetag mit tollen Strandspaziergängen und ähnlichem einlegen.
Irgendwann ist es so weit und wir stellen uns an die Straße: Wir sehen den Jucy-Shuttle in der Gegenrichtung zum Flughafen fahren, warten weiter, wenig später kommt er schließlich zurück in die Gegenrichtung: Erneut auf zur Vermieter-Station!
Die Menschenmenge dort hat sich nicht sichtbar verändert: Man arbeitet sich wieder vor durch die Wartenden - leider ist das Fahrzeug noch nicht fertig, man bittet weiter zu warten. Nicht fertig bedeutet: Keine Porta Potti, kein Campingtisch, keine Campingstühle, keine Gardinen, keine Tassen oder Schüsseln, kein Zertifikat für Self Contained, das man für die Naturcampingplätze benötigt.
Langsam aber sicher weicht die gute Laune: Der heutige Tagestrip ist vielleicht nur noch deshalb möglich, weil mit fortschreitender Jahreszeit der Sonnenuntergang nun erst gegen 20:00 Uhr ansteht.
Irgendwann wird es zu bunt - erneute Nachfrage: Jetzt lässt man endlich die Katze aus dem Sack und räumt ein, dass der Camper heute vermutlich nicht mehr fertig werden wird - diesmal bietet man uns eine Hotelübernachtung an und will uns auch dorthin chauffieren. Es dauert, bis man sich beruhigt hat, bis Drei zählen und dann noch zehnmal hilft leider wenig - heute fahren wir nirgendwo mehr hin, soviel steht fest.
Zähneknirschend fordern wir, beim Kiwi Hotel nachzufragen, ob noch ein Zimmer frei wäre - Fehlanzeige, ausgebucht! Fluchen ist angesagt, die Mitarbeiterin empfiehlt nach weiteren Telefonaten das nahe IBIS-Hotel, die hätten noch ein Zimmer. Also gut, was soll´s, und was wird morgen? Wir sollen am nächsten Morgen gegen 10:00 Uhr wieder vor Ort sein, ist die Aussage und dann geht es erneut auf dem kurzen Weg zurück per Shuttle: Auch das IBIS-Hotel ist nahe am Flughafen Auckland wie alles hier,
Wir checken ein und betreten das Hotelzimmer: Der nächste Fluch, die nächste Enttäuschung: Das Zimmer ist mehr oder weniger eine vergrößerte Besenkammer, wo die sämtlich wieder hergeschleppten Koffer kaum hineinpassen - Willkommen in Neuseeland!
Am besten macht man nach so einem Auftakt zur Beruhigung einen kleinen Spaziergang um den Block: Vorbei an der "New Zealand School of Tourism". wo man offenbar mit Flugzeugattrappen Notwasserungen übt, suchen wir ein Lokal für den Abend und werden in unmittelbarer Nähe fündig. Außerdem suchen wir das nahe und für alle Anschaffungen für die Tour empfohlene Warehouse auf, wo wir uns einen Eindruck verschaffen können, was hier zu haben ist. Das für unsere Verhältnisse ungewohnte Kaufhaus (siehe auch vorn "Einkaufen") scheint alles zu bieten, vielleicht sogar für´s Camping ..?
Der Abend klingt einigermaßen versöhnlich aus, bei Steinhager Classic schmeckt auch der kunstvoll präsentierte Burger, der heute gereicht wird - die drohende Platzangst im IBIS-Hotelzimmer vergisst man dabei fast ...
© 2020 J. de Haas