Der Camper-Schock: Jucy-Station, Tag 2 ...
Der nächste Morgen: Offenbar rein zufällig fährt zur richtigen Zeit ein Jucy Shuttle vor, das weitere Kunden befördert. Erneut wird unser Gepäck in den Hänger des Busses gewuchtet und erneut geht´s Richtung Vermieter: Was wird uns wohl jetzt dort erwarten ..?
Es erwartet uns nichts Unbekanntes: Die offensichtlich übliche Lagergemeinschaft der Wartenden rund um die Station, und irgendwann erreichen wir wieder einen der Bearbeiter. Leider ist unser Camper immer noch nicht fertig und wir mögen uns noch etwas gedulden. Die höfliche Zurückhaltung des weit gereisten Gastes schwindet zunehmend, aber das ändert nicht das Geringste an der Situation: Kein Toyota Hiace, der abfahrbereit vor dem Gebäude sichtbar ist. Auch unsere Leidensgefährten von gestern sind in derselben Lage: Auch deren Fahrzeug, ein ähnliches wie unseres, ist nach wie vor nicht verfügbar.
Wieder vergeht die Zeit, wieder naht Mittag und - wieder bietet man uns an, zum nahegelegenen Coffeeshop gefahren zu werden.
Diesmal platzt der Kragen: Es wird keine Fahrt dorthin mehr gewünscht, sondern ein FAHRZEUG und außerdem ein Gespräch mit dem Chef der Station, wir werden hier warten. Man verspricht ein solches Gespräch, aber leider ist der "Manager" gerade unterwegs und man wird uns Bescheid sagen, wenn er da ist. Die Menschenmenge um uns herum und in und an der Station hat hoffentlich keine ähnlichen Pläne ...
Wir warten weiter und beobachten das Geschehen: Mittlerweile haben wir von einem Eingeweihten erfahren, dass hier in der Station Auckland wohl kürzlich das Management gewechselt hat und nun einiges im Argen zu liegen scheint - das Personal hier scheint offensichtlich vollkommen überfordert zu sein mit der ankommenden Anzahl von Fahrzeugmietern.
Wir sehen den "Manager" vor anderen, die ihn offenbar ebenfalls sprechen wollen, gerade aufgerichtet und sichtbar bemüht, Kompetenz und Übersicht auszustrahlen, erklärt uns der Mann, dass gleich alles geregelt werde und wir in "ten minutes" erfahren, welches Fahrzeug wir bekommen. Eine weitere Stunde tut sich nichts, der "Manager" ist wieder verschwunden, langsam aber sicher verschwindet auch die Hoffnung, wenigstens heute unser Ziel von gestern anfahren zu können.
Irgendwann bekommen wir schließlich ein Autokennzeichen mitgeteilt, das auch in den Mietvertrag aufgenommen werden soll: Das Fahrzeug befindet sich bereits auf dem Platz. Als wir es gefunden haben, stockt uns der Atem: Erneut ein nahezu völlig leerer Hiace steht dort, wieder keine sichtbare Campingausstattung, keine Gardinen an der weiten Fensterfront - rein gar nichts, was auf einen Camper schließen lässt - ein schlechter Scherz ..?
Wir reklamieren erneut: Wo ist die gemietete Campingausstattung, Stühle, ein Tisch? Warum gibt es kaum Küchenausstattung? Wo sind Gardinen, erwartet man im abendlichen Camper eine Stripshow? Man versucht uns zu vertrösten, eventuell könnten wir uns ja etwas im Warehouse auf Rechnung von Jucy kaufen, man will klären ...
Zurück zu unserem "Camper": Während wir noch fassungslos im fast leeren Fahrzeug herumstöbern, kommt eine aufgeregte Holländerin auf uns zugelaufen: Was wir an ihrem Fahrzeug machen, will sie wissen und schaut nicht gerade freundlich drein - wollen da etwa böse Deutsche ihr Auto klauen ..? Wir versuchen sie damit zu beruhigen, dass wir den "Manager" erwähnen, der uns das Auto zugeteilt habe. Beruhigend wirkt das allerdings nicht auf sie, ganz im Gegenteil. Heftig und kein bisschen freundlicher schwenkt sie einen Vertrag, den sie uns triumphierend unter die Nase hält: Ob wir etwa auch so einen hätten!? In ihrem Vertrag steht tatsächlich das Kennzeichen "unseres" Fahrzeugs: Nein, so etwas haben wir nicht, müssen wir also klären. Boshaft wie man ist nach so einem Auftritt, fragen wir sie, ob sie denn auch campen wollen - ja, natürlich, wollen sie! Wir machen kehrt, beiläufig erklären wir ihr im Weggehen aber noch, dass das Fahrzeug übrigens fast völlig leer und nicht im Geringsten geeignet sei zum Campen, aber man wünsche ihnen viel Spaß unterwegs!
Aus den Augenwinkeln sieht man noch, wie die Frau ungläubig und aufgeregt das Fahrzeug inspiziert - wenn heute schon keine große Freude, dann doch wenigstens erheiternde Schadenfreude ..!
Wieder wird der von Kunden umringte "Manager" gesucht: Der ist aber mittlerweile erneut wieder verschwunden und ein Mitarbeiter nennt uns irgendwann ein anderes Fahrzeugkennzeichen. Dieser Wagen würde gerade vorbereitet zur Übernahme, man weist ungefähr in die Richtung der Montagehalle der Mietstation. Dort kann man tatsächlich mit dem Teleobjektiv zwischen anderen Autos ein Fahrzeug ausmachen, das dem von uns gemieteten ähnlich sieht und an dem offenbar herumgemacht wird.
Einige Zeit später wird dieses Fahrzeug auch vorgefahren, es trägt ebenfalls wieder so einen grandios passenden Sinnspruch: "Life rocks when your living room rolls!" Warum fahren wir eigentlich nicht auch zu Hause so einen Spruch durch die Gegend ..?
Ein erster Blick zeigt: Porta Potti vorhanden, allerdings derart ungünstig hinten unten im Fahrzeug festgezurrt, dass man es kaum benutzen könnte, ohne täglich das Fahrzeug umzuräumen, wenn man es benötigen würde. Das wird allerdings während unserer gesamten Tour dann kein einziges Mal der Fall sein ...
Auch eine "gewisse" Küchenausstattung ist da, immerhin sind .... zu finden, eine Schüssel sucht man vergebens. Auch sind tatsächlich Seitenblenden da, die man mit Magneten an den Fensterseiten befestigen kann. Ein Billig-Einflammen-Propangaskocher ist da, er ist im Warehouse für umgerechnet rund 30,- EUR zu haben, zwei kleine Gaskartuschen sind auch dabei. Das Fahrzeug hat zwei Batterien, ein Außenstromanschluss ist nicht vorhanden. Später werden wir noch feststellen, dass gerade nachts aufgrund leerer Batterie ausgerechnet die Innendeckleuchten des Fahrzeugs nicht mehr funktionieren.
Campingstühle, Tisch? Fehlanzeige! Wasserversorgung bei gemachtem Bett? Fehlanzeige! An das winzige Waschbecken kommt man nur, wenn entweder das Bett abgebaut ist oder der Küchenblock nach hinten herausgezogen wird. Unterbringungsmöglichkeit von zwei Koffern? Mehr als bescheiden, der Innenraum des Fahrzeugs ist für Campinganforderungen eigentlich insgesamt ungeeignet - er wird in den nächsten Wochen eher wie ein schlecht sortierter Abstellraum erscheinen ...
Immerhin, es gelingt irgendwie, die beiden Koffer unterzubringen. Bei den kleineren Campern konnte man regelmäßig beobachten, wie die Insassen morgens ihr Gepäck nach draußen hieven, um etwas Bewegungsfreiheit zum Ankleiden und Frühstücken zu haben. Wie mag sich das anfühlen, wenn es regnet ..?
Bezüglich der gemieteten Stühle und des Tischs gibt man uns ein "Budget" von einigen NZ Dollars, damit wir uns dies im Warehouse selbst kaufen können. Dazu wollen wir uns noch eine Aufbewahrungskiste kaufen, einen Tritt für den Einstieg, für die Küche eine Pfanne und und ... Ganz wichtig nicht zuletzt: Ein Plastik-Faltkanister, damit man aus diesem - wenn er auf einen Koffer gestellt wird - wenigstens etwas Wasser zapfen kann bei aufgebauten Betten. Man ahnt: Grandioses "Camping" steht bevor und eine Tour mit Explorer wird uns in nächster Zeit als reinstes "Glamping" in Erinnerung sein!
Auch heute können wir unser Anfangsziel vergessen, den Trip nach Coromandel müssen wir abschreiben, wenn wir unser Endziel auf der Südinsel wie vorgesehen erreichen wollen. Also starten wir am Nachmittag in anderer Richtung, nicht ohne mit dem "Manager" eine Entschädigung für unsere ausgefallenen Reisetage ausgehandelt zu haben. Notiert hatte er sich das Ganze allerdings mit einem Stift auf dem Handrücken, worauf noch zurückzukommen sein wird ...
Vor der Weiterreise geht es allerdings noch einmal ins Warehouse, wo wir uns mit allem eindecken müssen, was uns für die Weiterfahrt fehlt. Wir bekommen sogar billige Campingstühle, den Kauf eines Campingtischs müssen wir jedoch auf einen anderen Warehouse-Besuch verschieben, da diese ausverkauft sind - wen wundert´s bei der Nähe zu Jucy?
Unsere heutige Ersatzetappe beträgt nur rund 17 km, auch wenn gefühlt doppelt so viel: Es geht zunächst direkt Richtung Südost, der Anfangsverkehr hinter Auckland erscheint zunächst ähnlich ätzend wie zu Hause. Es herrscht stockender Verkehr, das Automatikfahrzeug ist allerdings recht angenehm zu fahren und macht auch den Linksverkehr deutlich einfacher als ein Schalter mit auch noch einem Hebel auf der "falschen" Seite.
Langsam wird es leerer, unser Ziel ist der Bruce Pulman Park, ein parkplatzähnliches Motorhome im Ortsteil Takanini von Auckland, direkt neben einer Sportanlage. Immerhin kann man hier die Gelegenheit zum ersten Entspannen bei einem Steinlager Classic nutzen, außerdem ausnahmsweise die komfortablen Sanitäranlagen der Sportanlage, da hier am Nachmittag eine Veranstaltung läuft.
Neben uns findet sich schon bald ein weiterer Camper ein: Ein junger Deutscher aus dem Emsland, der wie so viele junge Deutsche hier ist mit einem "Work and Travel"-Visum, das man bracht, wenn man hierzulande länger bleiben möchte - eine begehrte Möglichkeit, von der verständlicherweise gern Studenten Gebrauch machen. Er zeigt uns seinen praktischen Ein-Personen-Camper, den er hier gebraucht gekauft hat und nun aber etwas umräumen will, da er in Kürze seinen Bruder erwartet, der ebenfalls aus dem Emsland kommt und mit ihm weiterreisen will.
Der Abend zeigt, wie "bequem" das Herumgefummel mit der Ausziehküche ist, wenn man dort etwas Anständiges zubereiten will auf dem Billigkocher, der nur mit Mühe und unserer Mithilfe die Reise überstehen wird. Die "Küche" vollbringt aber trotz aller Widrigkeiten wie immer bei Explorer-Touren Wunder und Tolles auf den Tisch, so dass man fast ohne Groll in das maximal aufwändig aufzubauende Bett kommt - "Glamping" war gestern, nun ist täglich harte Arbeit angesagt!
Das "Automatikklo" des Motorhomes müssen wir am Morgen nicht nutzen, da wir in den nahen Ort Papakura fahren wollen, wo wir im Warehouse wieder nach einem Tisch suchen und auch frühstücken möchten, da niemand zum Auftakt wieder hinter dem Fahrzeug und seiner "Küche" herumhüpfen will.
Wir erreichen den Ort, finden sogar einen Campingtisch im Warehouse und frühstücken später auch opulent - nun kann es also doch noch richtig losgehen, oder ..?
© 2020 J. de Haas