WK I: Die ersten Panzer der Welt
Der Größte der Franzosen: Der "Saint Chamond"
Ein Elefant auf Gazellenbeinen ...
Der Erfolg des Colonel Estienne und die Großbestellung von 400 Exemplaren des "Sturmwagens" Schneider CA1 durch die französische Armee hatte in Paris heftige Reaktionen auch bei der Konkurrenz sowie der militärisch-industriellen Bürokratie ausgelöst: Insbesondere die Automobilorganisation "Direction du Service Automobile (DSA)" fühlte sich herausgefordert, ein wesentlich größeres und besseres gepanzertes Fahrzeug zu liefern als den Schneider Tank.
Erneut war der der Holt Tractor die Basis für eine große Neuentwicklung in Konkurrenz zum Schneider mit verlängertem Chassis, 8 seitlichen Rädern, 4 Maschinengewehren an den Seiten anstelle von nur 2 beim Schneider CA1 sowie einer langen 75 mm Feldkanone anstelle der kurzen des Konkurrenzpanzers.
Insbesondere die große Rohrlänge und der Rohrrücklauf dieses an der Frontseite eingebauten Geschützes führten zu einem weit über das kurze Gleiskettenlaufwerk herausragenden Aufbau des neuen Panzers.
Auch die Motorisierung wurde ganz anders und innovativ geplant: Zum Einsatz sollte hier zum ersten Mal ein benzin-elektrischer Antrieb kommen mit jeweils einem Elektromotor auf jeder Seite, was die Lenkung des Panzers vereinfachte und damit im Gegensatz zu anderen WKI-Panzern nur einen Fahrer erforderte. Auch dieser große Tank wurde wieder von der Bootsform beeinflusst, allerdings täuschten sich die Designer gewaltig hinsichtlich der Probleme, die mit dem Tank und seinem Design verbunden sein sollten.
Beauftragt wurden diesmal die Stahlwerke FAMH in St. Chamond mit der Fertigung von ebenfalls 400 Exemplaren dieses Panzers. Die Leitung der Produktion erfolgte durch den im Ruhestand befindlichen Colonel Émile Rimailho, einen bekannten französischen Artillerie-Entwickler.
Das sehr spezielle Design des Panzers offenbarte bereits sehr bald grundlegende Nachteile: Unzureichend berücksichtigt war auch hier insbesondere die Geländegängigkeit, die viel zu kurzen Ketten im Verhältnis zur Gesamtlänge des Tank führten zu einem sofortigen Feststecken des Fahrzeugs bei entsprechendem Untergrund und auch die Fähigkeit, Schützengräben und Granattrichter zu überqueren, war damit extrem gering.
Der aus heutiger Offroad-Sicht katastrophale "Böschungswinkel" führte zu geradezu rührenden Notlösungen: Nachdem sich zunächst zusätzliche kleine Drehgestelle unter dem Bug als zu fehleranfällig erwiesen hatten, wurden diese schließlich durch zwei einfache Rollen an der Spitze ersetzt. Am Heck wurde ähnliches mit einer etwas größeren Walze versucht, die die Nachteile des hinteren geringen Böschungswinkels reduzieren sollte.
Der erste Prototyp vom Herbst 1916 zeigte bereits deutlich die Tendenz, dass sich der Panzer aufgrund der kurzen schmalen Ketten sowie des hohen Gewichts in kürzester Zeit festfahren konnte. Diese Eigenschaften führten sehr schnell zu seiner Bezeichnung als "Elefant auf den Beinen einer Gazelle" ...
Die ursprüngliche Kettenbreite von nur 32,4 cm wurde daraufhin zunächst auf 41,2 cm und schließlich bis auf 50 cm in der Endproduktion erhöht. Auch der Aufbau des Panzers wurde verändert: Ein erhöhtes Dach sollte die Bewegungsfreiheit der Besatzung erhöhen und auch die zunächst angebrachten drei Frontkuppeln für Fahrer und Bordschützen wurden nach vorübergehender Entfernung wieder durch einen einzigen derartigen Aufbau links an der Vorderseite abgelöst.
Der erste Kampfeinsatz dieser Panzer erfolgte im Mai 1917 in einer Schlacht bei Lauffaux, wo 16 dieser Tanks in Batterien neben solchen mit Schneider CA1 eingesetzt wurden. Die Brauchbarkeit der Panzer überzeugte dabei kaum, es kam zu einer Vielzahl mechanischer Ausfälle und jedes Fahrzeug erforderte mehrere Mechaniker, die mit der Begleitartillerie voraus gingen. Erneut war die Geländegängigkeit ein so großes Problem, dass die Fahrzeuge an Wege gebunden und somit häufig in Reihe unterwegs waren, was ihren Beschuss durch die deutsche Artillerie erleichterte. Auch die zunächst geringe Panzerung führte dazu, dass diese kurzfristig verstärkt werden musste. Im späteren Verlauf existierten noch 4 Gruppen mit je drei Batterien von Saint Chamond-Panzern. Zusätzlich zu diesen Tanks wurden schließlich auch noch unbewaffnete Nachschubpanzer dieses Typs eingesetzt.
Insgesamt muss dieser Panzer wohl als der am wenigsten "erfolgreiche" von den in unserer Reihe vorgestellten sechs WKI-Tanks eingestuft werden.
Spezifikationen des "Elefanten" ...
Wichtige Spezifikationen des Saint Chamond sind: Länge ca. 8,80 m mit der ursprünglichen 75 mm Kanone M.1912 TR, ca. 9,90 mit der späteren Kanone M.1897 gleichen Kalibers. Die Breite betrug ca. 2,70 m, Höhe 2,36 m, Gewicht 22 t, Besatzung: 8-9 Mann. Höchstgeschwindigkeit: 8 km/h, Reichweite: 60 km, Leistung: 90 PS. Bewaffnung: Eine Kanone Kaliber 75 mm vorn (siehe oben), vier MGs Hotchkiss M.14 Kaliber 8 mm. Panzerung von 5 bis 17 mm, teilweise um bis zu 8 mm verstärkt. Als Bodenfreiheit werden 50 cm und als Watfähigkeit 80 cm aufgeführt.
Auch dieser lange Rumpf wurde ursprünglich durch die Bootsform beeinflusst. Der unzureichende "Böschungswinkel" führte zum zusätzlichen Anbringen von Walzen an Bug und Heck, was allerdings die Geländegängigkeit nicht nennenswert verbesserte. Die Besatzung konnte das Fahrzeug über eine Tür im rechten vorderen Rumpfbereich besteigen, über weitere Einstiegsluken in der Panzerdecke sowie über eine Fluchttür im Heckbereich.
Literatur
- French Tanks of World War I, Steven J. Zaloga,
© 2010 Osprey Publishing Ltd., ISBN 978-1-84603-513-5 - Panzerkampfwagen im Ersten Weltkrieg, Wolfgang Fleischer,
© 2017 Motorbuch-Verlag Stuttgart, ISBN 978-3-613-03972-8
Das Modell ...
Im Gegensatz zum Schneider CA1, der uns in Hinblick auf das gewünschte Kartonmodell im Maßstab 1: 25 wie berichtet in echte Schwierigkeiten brachte, konnten wir auch beim Saint Chamond wieder auf unseren polnischen Lieblingsverlag Modelik zurückgreifen und damit erneut einen echten, in seiner Stabilität überzeugenden "Kartonpanzer" bauen.
Auch für den Bausatz Rok XIII (XX) Nr. 4/09 ISSN 1428-3840 gilt, was zu den Modellen "MARK IV", "MARK A Whippet" und "A7V" gesagt wurde: Stabil wie ein Plastikbausatz, wieder detailliert bis in die Einzelheiten und erneut hervorragende Qualität.
Aufgrund unserer bisherigen Bauerfahrungen mit Modelik kamen wir recht gut zurecht mit der durch Google übersetzten polnischen Bauanleitung, die kein Hindernis darstellte. Die ebenfalls wieder detaillierte Bildanleitung und die genaue numerische Abfolge der Bauabschnitte erleichtern den Bau enorm, auch die Kettenfertigung ist mittlerweile bereits Routine, wenngleich auch eine sehr aufwändige, nur für gute Nerven ...
Das ebenfalls preiswerte Modell (Baubogen ca. 14,- EUR, Lasercutsatz 5,50,- EUR, Lasercutsatz Ketten 6,- EUR, Stand 09/19) verfügt über einen Kettensatz, der leider nicht von anderen bisher gebauten Panzern übernommen werden kann. Kleinere Verbesserungsvorschläge zum Modell haben wir dem Modelik-Chef Janusz Oleś in Sachen Lasercut-Kettensatz übermittelt, was er natürlich berücksichtigen will.
Unser Modell stellt den Saint Chamond Tank 706 mit einer 75 mm Kanone M.1897 dar. Der Panzer verfügt auf dem Dach über einen Schalldämpfer. Es gibt zeitgenössische Fotos, die andere Saint Chamonds lediglich mit 4 Auspuffrohren oben zeigen. Eine Variante unseres Modells vom Tank 706 zeigt auch eine andersfarbige (rote) Frontplatte, die wohl nach einem Beschuss gegen die Originalfrontplatte getauscht und nur grundiert wurde. Auch von dieser Variante des 706 gibt es ein zeitgenössisches Schwarzweiß-Foto.
Selbstverständlich haben wir unser Modell wie üblich "gesupert": Bemüht haben wir uns dabei um die Auspuffanlage und natürlich bekam unser Fahrzeug auch Metallfedern im Kettenlaufwerk spendiert - das musste sein!
Natürlich konnte man auch dieses Modelik-Modell wieder problemlos "einschmutzen", so sieht es wieder aus, wie man sich ein derartiges Gerät im Einsatz vorstellt. Wieder ein spannendes und attraktives Kartonmodell, das mit seiner bizarren Erscheinungsform einfach zu unserer kleinen Serie gehören muss!
© 2019 J. de Haas
Anm. der Red.: Weitere Beiträge von Jürgen finden sich in unserer Autorenübersicht!