"Da Vinci Code an der Loire"
Schloss Chambord
Wie schon beim Papstpalast von Avignon führte wieder eine Weinreise zum Entstehen eines weiteren Modells, nämlich die Reise an die Loire im Jahr 2017. Im Bericht über diese Tour wurde es bereits ausführlich erwähnt, das wohl beeindruckendste Schloss Frankreichs und das größte an der Loire, das wir seinerzeit in unserem "privaten" Vorprogramm besuchten: Schloss Chambord.
Ähnlich wie das Schloss selbst eine gewaltige Zeitspanne benötigte bis zu seiner Fertigstellung, gilt das im Kleinen nun auch für unser Modell, das erst drei Jahre nach der damaligen Reise fertiggestellt wurde ... Den Ausschnitt aus dem Bericht zu der Reise wollen wir nochmals einleitend zitieren:
"Erbaut wurde es in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts von König Franz I, der uns schon im Schloss Blois begegnet ist. Inmitten des Waldes ließ der König ein Jagdschloss errichten auf den Fundamenten eines älteren Baus aus dem Mittelalter. Die Archäologen forschen noch eifrig im Untergrund ...
Wer der Architekt des Schlosses war, ist unbekannt, denn alle Unterlagen wurden beim Umzug des Archivs von Blois nach Paris aufgrund von Platzmangel vernichtet. Es wird aber angenommen, dass die grundlegende Planung von Leonardo da Vinci stammt, der nur wenige Wochen vor Baubeginn des Schlosses verstarb. In seinen zahlreichen Skizzen fand man aber genau die bestimmende architektonische Logik des Schlosses mit seinem quadratischen Grundriss, seiner zentralen doppelläufigen Wendeltreppe und den vier Türmen an der Ecke ...
Ergänzt wurde der Bau noch durch Seitentrakte. Auf jeder Etage finden sich vier Appartements, deren Zentrum in den Türmen liegt. Schon zur damaligen Zeit verfügten die Appartements über Toiletten, die über Fallrohre mit Fäkalienbecken im Keller verbunden waren.
Das Schloss wurde prunkvoll ausgebaut und sollte die Herrscher Europas beeindrucken. Es wurde aber nie zu einer Residenz der Könige. Bei jeder Benutzung des Schlosses richteten es die Lakaien neu ein mit den prunkvollsten Möbeln und Kunstgegenständen. Nach Besuchsende wurden alle Einrichtungsgegenstände wieder weggebracht.
Das Schloss blieb Jagdschloss und wurde für viele prunkvolle Feste von Ludwig XIV, der das Schloss schließlich fertigstellte, bis hin zur Neuzeit von Emanuel Macron genutzt.
Wenn man durch die unzähligen Räume wandert, kann man sich gut davon überzeugen, dass das Schloss zwar architektonisch beeindruckend, aber insgesamt sehr ungemütlich wirkt. Auch bei den riesigen offenen Kaminen kann man sich kaum vorstellen, dass diese im Winter die Räume nachhaltig heizen konnten. Die Innenräume werden zum Teil durch offene Galerien an den Außenwänden verbunden, was die zugige Atmosphäre erklärt. Hinzu kommt noch die Tatsache, dass es sich hier um sumpfiges Gebiet handelt und man beim Gedanken an warme Sommer die Mücken förmlich zu hören meint ...
Auch die Küche strahlt wenig Gemütlichkeit aus, sie ist riesig und überall stehen blank geputzte Kupfertöpfe und -pfannen.
Im 18. Jahrhundert beherbergte das Schloss den polnischen Exilkönig Stanislaus und den Marshall Moritz von Sachsen. Letzterer gestaltete sein Appartement etwas gemütlicher mit Holzpaneelen und Kachelöfen. Er ließ die Sümpfe trocken legen und legte auch einen Tierpark an. Während des Zweiten Weltkriegs wurden hier im Schloss die wichtigsten Werke des Kulturerbes Frankreich zwischengelagert, um sie später an sichere Orte zu verbringen.
Auf den Dächern der Anlage befindet sich ein wahres Labyrinth von Türmchen, Zinnen, Giebeln und Kaminzügen, denn 400 offene Feuerstellen mussten mit Luftzügen versorgt werden und auch die Fäkalienbecken wurden über die Dächer entlüftet. Der Blick vom Dach aus ist fantastisch, man kann die Gärten, Kanäle und Wälder bis zum Horizont sehen. Die Gärten wurden im Jahr 2017 runderneuert und entsprechen nun wieder den Plänen zu Zeiten Ludwigs XIV. Sie stellen zusammen mit den zugehörigen Wäldern den größten Park Europas dar."
Vieles von dem, was zu diesem mythenumwobenen Schloss zu sagen ist, wurde bereits im damaligen Reisebericht oben angesprochen. Einen detaillierten Beitrag zu diesem Schloss fand der Leser noch bis zum 15.08.2021 auch in der ZDF-Mediathek. "Da Vinci Code an der Loire": "Das Geheimnis von Schloss Chambord" war der Titel des sehenswerten Beitrags.
Das riesige Renaissance-Bauwerk mit mehr als 400 Zimmern,
rund 80 Treppen, Tausenden Skulpturen und sage und schreibe 282
Kaminen gilt heute als Ideal des
französischen Schlossbaus im 16. Jh. Offiziell hat das
Schloss keinen Architekten, aber wie oben bereits erwähnt, gilt
Leonardo da Vinci als Ideengeber für das großartige Bauwerk 180 km
südlich von Paris, das auch heute noch Jahrhunderte alte Geheimnisse
birgt und dessen Pläne im 18. Jh. vollständig zerstört wurden.
Der im von uns ebenfalls besuchten Schloss Blois (unser Modell davon ist leider immer noch ungebaut! ) residierende König Franz I. war im Jahr 1515, vier Jahre vor dem Baubeginn 1519, gekrönt worden und wünschte eine architektonische Revolution unter Federführung des damals 66 Jahre alten Leonardo da Vincis. Dessen von Symmetrie geprägten Werke spiegeln sich wider im quadratischen Bau mit 4 Türmen an der Ecke (genannt "Donjon" von "Wachturm"). In der Anordnung der Säle darin ist die Form des Griechischen Kreuzes erkennbar. Der höchste Punkt dieses Bauwerk ist die 56 m hohe Spitze des "Laternenturms" in der Mitte, das Gebäude selbst verfügt z.T. über bis zu 2,50 m dicke Mauern.
Die Handschrift da Vincis zeigt sich auch in der "magischen" Treppe im Zentrum des Donjons: Zwei ineinander schraubenartig konstruierte Wendeltreppen nach dem Vorbild der einfachen Treppe von Schloss Blois waren lange einzigartig. Im ZDF-Beitrag wird gezeigt, wie man aufgrund von Scans diese Treppe als 3-D Modell nachgebaut hat. Auf der berühmten ineinander gewendelten Treppe können Leute gleichzeitig auf- und absteigen, sich zwar sehen, aber nicht begegnen ...
Wenige Monate vor Baubeginn starb Leonardo da Vinci im Alter von 67 Jahren.
Der Bau erfolgte in einer recht wilden, abgeschiedenen Ebene, einem Sumpfgebiet, das auch noch durch Hochwasser gefährdet ist. Baumaterialien mussten aus verschiedensten Regionen Frankreichs und z.T. sogar aus England beschafft und über Flüsse so weit wie möglich transportiert werden. Der Hafen an der Loire war 4 km von der Baustelle entfernt, die wichtigen Quader aus Tuffstein stammen aus einem 100 km entfernten Steinbruch. Als Fundament dienten zum Teil 500 Jahre alte Überreste eines mittelalterlichen Schlosses. Die Erweiterung dieses Fundaments reicht bis zu fünf Meter tief unter die umgebende Kalkschicht. Jahrhunderte nach Baubeginn wurde unter Platten ein integriertes Wasserabflusssystem entdeckt, das Schutz vor Witterungsschäden bietet und zuvor in Frankreich unbekannt war. Das Abwassersystem über dem zentralen Kassettengewölbe des Donjons leitet das Wasser nach außen in den Hof.
Durch kriegerische Ereignisse erfolgte eine Unterbrechung und Fortsetzung des Baus ab 1526, verbunden mit dem Beschluss der Erweiterung des Donjons um zwei Flügel rechts und links, einer der Flügel beherbergt die königlichen Gemächer und verfügt über eine zusätzliche offene Außentreppe, die an die Treppe von Blois erinnert.
Im März 1547, 28 Jahre nach Baubeginn, ist das Schloss fast fertig, als der König an einer Blutvergiftung stirbt. Er soll in der ganzen Zeit nur 73 Tage in Chambord gewesen sein und dort weniger als 20 Nächte zugebracht haben. Sohn Heinrich II baut an dem Schloss weiter bis ebenfalls zu seinem Tod im Jahr 1559. Erst der "Sonnenkönig" Ludwig IVX vollendet im Jahr 1680, also 160 Jahre (!) nach Baubeginn das Werk und macht daraus mit umgebenden Gräben und Parks ein "Lustschloss" ...
Wie bereits schon unsere Modelle vom Papstpalast und dem Hospices de Beaune stammt auch dieses vom Schloss Chambord aus der Collection "Architecture Modélisme" der "Editions L´Instant Durable 1986" No. 10.
Das Modell (ISBN-Nummer 2-86404-023-9) kann bei HMV Kartonmodellbau zum Preis von 25,- EUR (Stand 09/2020) bezogen werden und hat den Maßstab 1:300. Empfehlenswert ist, auch dieses fertige Modell mit seinem Grundblatt auf eine dünne Holzplatte zu kleben. Wie schon bei den anderen Modellen erfreut auch hier, wie exakt es gearbeitet ist. Beim HMV wird das Modell vom Komplexitätsgrad her als "mittel" eingestuft wird, was jedoch durch die unzähligen Miniteile des Dachgeschosses relativiert wird und auch durch eine nicht ganz unproblematische exakte "Endmontage" der einzelnen Gebäudeteile auf der Grundplatte.
Die Grundmaße betragen 43 x 61 cm, die Höhe 20 cm, das Modell verfügt über 19 farbige Schnittbögen mit 240 Teilen.
Zum ersten Mal haben wir auch bei einem Architekturmodell heftig "eingeschmutzt", was bei Schiffen und Panzern geht, muss man auch dabei mal versucht haben! Beim Original sieht z.B. die Galerie sogar noch viel extremer aus, die dunkle Bedeckungsschicht muss später dazu gekommen sein. Das Gestein sieht aus der Nähe fast schon aus wie bei unserem Modell, zur Unterstreichung des "Bauzustands" haben wir passend zur Verschmutzung sogar noch eine "Baustelle" an der Seitengalerie aufgemacht, die im Modell nicht vorgesehen war und es so vermutlich auch nie geben wird. Aber bei Jahrhunderte alten Gebäuden weiß man ja nie ...
Wie schon beim Hospice und dem Papstpalast erwähnt, gibt es aus dieser hervorragenden Kartonmodellbau-Edition auch noch jede Menge andere hochinteressante Modelle von Kathedralen, Abbeys und vielen anderen bekannten Bauwerken - ein Leckerbissen für begeisterte Kartonmodellbau-Liebhaber! Auch von der Loire haben wir noch zwei weitere Modellbaubögen mitgebracht: Leider aber ist sowohl das Schloss Blois als auch Schloss Chenonceau derzeit noch nicht gebaut, zumindest findet man sie aber in unserem Bericht über die Weintour Loire 2017!
© 2020 J. de Haas, Bild 3D-Modell Wendeltreppe: ZDF Info
Anm. der Red.: Weitere Beiträge von Jürgen finden sich in unserer Autorenübersicht!